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Affäre Meili: Ein Whistleblower findet späte Anerkennung

Vor 20 Jahren wurde Christoph Meili über Nacht vom Wachmann zum Whistleblower. Nun rollt ein Film seine Geschichte neu auf. Im Kino Leuzinger stellte sich Meili den Fragen und stiess – im Gegensatz zu damals – auf viel Wohlwollen.
Hat viel zu erzählen: Christoph Meili (links) im Gespräch mit Besuchern der Vorpremiere des ihm gewidmeten Dokumentarfilms. (Bild: Boris Bürgisser, Altdorf, 17. August 2018)

Carmen Epp

Die Geschichte von Christoph Meili ist hinlänglich bekannt: 1997 machte der damals 28-jährige Wachmeister die Vernichtung von alten Bankbelegen über nachrichtenlose Vermögen von Holocaustopfern bei der Schweizerischen Bankgesellschaft publik und geriet damit über Nacht ins Zentrum eines Konflikts, der längst am Laufen war.

Nun, 20 Jahre später, rollt der Dokumentarfilm «Die Affäre Meili – ein Whistleblower zwischen Moral und Milliarden» genau diese Geschichte nochmals auf. Darin kommen die damaligen Akteure aus heutiger Sicht nochmals zu Wort. Am Freitagabend, 16. August, wurde der Film im Rahmen einer Vorpremiere im Kino Leuzinger in Altdorf gezeigt. Im Anschluss an die 75-minütige Dokumentation stellten sich Meili und Patricia Diermeier, die Autorin des gleichnamigen Buchs, auf dem der Film basiert, an einem Podium und im Kinofoyer den Fragen aus dem Publikum.

Damals geächtet, heute bewundert

Dass der wohl berühmteste Wachmann der Schweiz viel zu erzählen hat, wurde nicht nur im Film, sondern auch im Anschluss deutlich. Kaum aus dem Kinosaal, wurde Meili im Foyer in diverse Gespräche verwickelt. Und anders als 1997, als er in der Schweiz als Nestbeschmutzer beschimpft und damit in die USA ins Exil gedrängt wurde, traf Meili in Altdorf auf Bewunderung. Darüber, dass er damals «den Mut gefunden hatte, das Richtige zu tun», wie es ein pensionierter Arzt bezeichnete, der für den Film extra von Basel nach Altdorf gereist war. Er habe die Geschichte damals zwar nur am Rande verfolgt, sagte ein anderer Kinobesucher in Meilis Alter. «Dass die ganze Sache so einen negativen Rattenschwanz hat, hätte ich seinerzeit nicht gedacht.»

Ein Aspekt dieses «Rattenschwanzes» sorgte bereits während des Films für ein leises Raunen im Kinosaal: dass Meili seit seiner Rückkehr aus den USA vor neun Jahren in der Schweiz wegen seiner Vorgeschichte noch immer keine Arbeit findet. «Wie ist das möglich?», fragte ein Kinobesucher im Anschluss an den Film. «Verkehrte Welt», quittierte er Meilis Schulterzucken.

Meili will sich nicht als Opfer sehen

Als Opfer will sich der heute 50-Jährige allerdings nicht verstanden wissen. Er scheint Frieden geschlossen zu haben mit den Akteuren von damals. So habe er sich kürzlich etwa mit Thomas Borer versöhnt, der damals die Task-Force zur Untersuchung der nachrichtenlosen Vermögen und zum Teil die Verhandlungen mit den USA geleitet hatte. Sie beide hätten die Geschichte nicht spurlos überstanden, scherzte Meili am Freitag: «Er hat inzwischen graue Haare, ich ein Bäuchlein.»

An eine Entschuldigung aus Bankenkreisen glaube er nicht mehr. «Aber das ist halt so. Kann man nichts machen.» Das bestätigte auch Diermeier. Bei Recherchen für ihr neuaufgelegtes Buch über Meili sei sie in Bankenkreisen stets auf Widerstand gestossen.

Fund von damals lässt ihn bis heute nicht los

Ein Stück Genugtuung scheint immerhin der Dokumentarfilm zu leisten. Zwanzig Jahre habe er warten müssen, bis seine Stimme gehört werde, sagte Meili. «Jetzt ist es an der Zeit, endlich darüber zu reden und die Geschichte mit zeitlicher Distanz aufzuarbeiten.» Anders als mit seinen persönlichen Erlebnissen als Whistleblower scheint er mit seinem Fund von damals noch immer nicht abgeschlossen zu haben, die Frage nach der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg ihn weiterhin umzutreiben. Ohne Umschweife erzählt er von seinen damaligen Entdeckungen im Archiv der Schweizerischen Bankgesellschaft, von Geldtransaktionen der Schweiz an Hitler, ja gar von Verbindungen der Gaskammern in die Schweiz. Die Beweise dafür würden noch immer im Keller der Banken lagern, so Meili. «Ich finde, mittlerweile könnte man diese Unterlagen auf den Tisch legen. Und hoffe, dass ich das noch erleben darf.»

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