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Uraltes Handwerk geht neue Wege

Die Arbeit der Wegmacher hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Ein Unternehmen aus dem Glarnerland hat sich auf Wanderwege spezialisiert und will auch gleich den Tourismus revolutionieren.
Wer ein geheiztes Büro mit Kaffeemaschine bevorzugt, wird es hier schwer haben: Die Wegmacher müssen körperlich fit sein, wetterfest und etwas vom Biken verstehen. (Bild: PD, Urserntal, Sommer 2018)
Wegmacher Martin Stänz: «Ein Wanderweg, der in gutem Zustand ist, ist ein Mehrwert für Biker und Wanderer zugleich.»
Die technischen Hilfsmittel der Wegmacher sind begrenzt, wenn immer möglich werden natürliche Materialien und Werkzeuge wie Schaufel und Rechen verwendet. (Bild: PD, Urserntal, Sommer 2018)

Olga Shostak

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Olga Shostak

Der Nebel ist so dicht, dass auch die letzten Sonnenstrahlen ganz im Dunst verschwinden. An diesem Tag deutet in Andermatt nichts darauf hin, dass sich Touristen hierher verirren könnten. Es ist kalt und es regnet. Die Umgebung wirkt bedrohlich, geradezu menschenfeindlich. Im Dunst erscheint ein Pick-up, am Steuer Martin Stänz. Seine Aufgabe ist es, den Touristen in Andermatt den Weg zu ebnen. Auch an Tagen wie diesen.

Das Schweizer Wanderweg-Netz erstreckt sich über rund 65000 Kilometer. Diese Jahrhunderte alte Infrastruktur will erhalten werden. Und hier kommt Stänz ins Spiel. Der 28-Jährige ist Vorarbeiter beim Glarner Trailbau-Unternehmen Trailworks GmbH. Das Handwerk der Wegmacher hat sich seit Hunderten von Jahren nicht gross verändert; aber das Freizeitverhalten. Weil es immer mehr Menschen in die Berge zieht, steigen die Anforderungen an Wanderwege. Der vorhandene Platz bleibt aber gleich. Wegmacher müssen heute ihr Wissen mit alten und neuen Techniken kombinieren, um den heutigen Ansprüchen gerecht zu werden.

Stänz hat sein Hobby zum Beruf gemacht

Trailworks ist einer der wenigen Betriebe in der Schweiz, die sich professionell mit dem Unterhalt und Bau von Wanderwegen beschäftigen. Martin Stänz hat sein Hobby zum Beruf gemacht – so wie die meisten, die bei Trailworks angestellt sind. «In den Bergen zu arbeiten und Wege für Biker zu präparieren, ist für mich das Grösste», erklärt er. Der Davoser fährt selber Mountainbike und arbeitet seit vier Jahren für Trailworks. Mit seinem Pick-up fährt er bis zum Furka-Höhenweg, den er mit seinem Team mit sechs Zivildienstleistenden saniert.

Stänz zieht seine knallgelben Regenhosen über und macht sich auf den Weg zum Wegabschnitt Lochbergegg-Rossmettlen, an dem er und sein Team arbeiten. Schon nach wenigen Schritten versinken seine Schuhsohlen im Schlamm. Der Nebel ist jetzt ganz dicht, man kann weder sagen, wohin der Weg führt, noch, wie seine Beschaffenheit ist. Schwerfällig setzt Stänz einen Fuss vor den nächsten. Seine Schuhsohlen sind gefüllt mit feuchter Erde und lassen jeden Schritt wie einen Kraftakt aussehen. Plötzlich sind die gelben Regenhosen nicht mehr das Einzige, was im Dunst leuchtet. Seine Arbeiter, leuchtend orange gekleidet, wiederholen immer wieder die gleichen Arbeitsschritte: Zwei lockern die Erde mit Pickeln auf, die beiden anderen rechen sie hinterher glatt.

«Der grösste Feind der Wanderwege ist das Wasser», sagt Stänz. Man müsse dies besonders berücksichtigen, wenn man einen Wanderweg nachhaltig sanieren wolle. Laut Stänz soll das Gefälle nicht mehr als 10 bis 12 Prozent betragen, weil dann die Wasserkraft viel schwächer ist und den Weg nicht auswaschen kann. Eine andere Variante sei es, an feuchten Stellen Steinplatten zu verlegen. Dieselbe Technik haben die Römer früher angewendet. Ausserdem sei es wichtig, Kurven und Steigungen in den Weg einzubauen. Das hat aber nichts mehr mit dem Wasser zu tun, sondern mit dem Faktor Mensch. Sei ein Weg kurvenreich und nicht zu steil, werde er weniger schnell gefahren, meint Stänz und fügt schmunzelnd an: «Gewisse verstehen die Steigungen, die das Tempo reduzieren sollen, als Schanzen zum Springen.»

Nur Material aus der nahen Umgebung

Gearbeitet wird bei Trailworks nur mit Materialien, die in der Umgebung der Wege vorhanden sind. Während der gesamten Bauzeit werden die Arbeiten von der Umweltbaubegleitung beobachtet und regelmässig überprüft. Zudem seien jeweils die zuständigen Behörden und Umweltverbände involviert, die auch Mitsprache beim Projekt haben.

Der Nebel zieht langsam ab und die sattgrüne Landschaft kommt zum Vorschein. Stänz sieht zum Himmel hinauf. Er frage sich, wie das Wetter morgen wohl sein werde. «Meine Arbeit ist sehr wetterabhängig. Wenn mit starkem Regen oder Schnee zu rechnen ist, dann müssen die Aufgaben vorher erledigt werden. Egal wie viele Überstunden dafür nötig sind.» Zudem müsse man immer auf Überraschungen gefasst sein. Einerseits sei es rein physikalisch eine Herausforderung, im schroffen und felsigen alpinen Gelände zu arbeiten. Anderseits könne man jederzeit auf riesige Steine stossen, die man entweder abtragen oder gar einen alternativen Weg suchen müsse. Aber auch schon eine Stromleitung für eine Schneekanone kann die Planung durcheinanderbringen.

Martin Stänz: «Die Wertschätzung für meine Arbeit ist sehr gross»

Für Stänz ist dies alles kein Problem. Das Schönste an seiner Tätigkeit sei der Dank: Er treffe auf den Wegen oft Wanderer und Biker an, die sich über die Instandhaltung der Wege freuen würden. «Die Wertschätzung für meine Arbeit ist sehr gross. Wenn man an einer Maschine arbeitet, kriegt man nie die gleiche Bestätigung, wie ich in den Bergen.»

Rafael Rhyner ist Inhaber und Geschäftsführer der Trailworks GmbH und kein Unbekannter im Bike-Business. Der ehemalige Profi-Downhiller kennt beide Seiten – die der Fahrer und die der Wegmacher. Bis 1999 nahm er jeweils noch an Wettkämpfen teil und sammelte parallel die ersten Erfahrungen beim Schaufeln. Vor 20 Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Mittlerweile beschäftigt er drei Festangestellte. Für Rhyner steckt in gut unterhaltenen Wanderwegen grosses Potenzial. Das gut ausgebaute Schweizer Wegnetz biete enorme touristische Vorteile gegenüber demjenigen in umliegenden Alpenländern. «Immer mehr Gemeinden und Tourismusregionen investieren in diese uralte Infrastruktur.»

Wanderer sollen von Bikern profitieren

Wie Rhyner sagt, ist es aus verschiedenen Gründen sinnvoll, Biker als ebenso wichtige Gäste wie etwa Wanderer anzusehen. «Ein Wanderweg, der in gutem Zustand ist, ist ein Mehrwert für Biker und Wanderer zugleich.» Oft seien sogar Mountainbiker der Grund für bessere Wege, meint er. Werde ein Wanderweg befahren, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser Weg saniert werde. Er sieht aber auch allgemein ein grosses Potenzial im Sommertourismus: «Die Tourismusdestinationen können mit deutlich weniger Aufwand und somit tieferen Kosten ihr Sommergeschäft ankurbeln.» Es brauche keine fünfzehn Bagger auf der Piste, um den Gästen Fahrspass zu garantieren. Zudem sei der Biker viel konsumfreudiger als viele andere Bergsportler. Gemäss Rhyner leistet sich der Biker gerne ein teures Velo, er investiert viel in seine Ausrüstung und in eine Liftkarte, um den ganzen Tag Wanderwege herunterzufahren. Dabei wolle er nicht durch einen Rucksack gestört werden, weshalb er auch für die Gastrobetriebe interessant sei.

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