Christian Glaus
Es ist eine besondere Abstimmung am 7. März: Zum ersten Mal kann die Schweizer Bevölkerung über ein Freihandelsabkommen ausserhalb Europas befinden. Vors Volk kommt jenes mit Indonesien. Umstritten ist es insbesondere, weil auch die Zölle für das verpönte Palmöl gesenkt werden sollen. Deshalb haben verschiedene Umweltverbände und bauernnahe Kreise das Referendum ergriffen.
An vorderster Front mitgewirkt beim Abkommen hat der Luzerner Ständerat Damian Müller (FDP), Präsident der aussenpolitischen Kommission. Er flog im Dezember 2018 nicht nur mit dem damaligen Bundesrat Johann Schneider-Ammann zur Vertragsunterzeichnung nach Jakarta. Müller sorgte auch dafür, dass das Abkommen mit einer Nachhaltigkeitsklausel verknüpft ist: Für Palmöl gelten die tieferen Zölle nur, wenn dieses nachhaltig produziert wird.
Als Nachweis dient beispielsweise das RSPO-Zertifikat (Roundtable on Sustainable Palm Oil). Allerdings wird das Zertifikat von Umweltverbänden als Etikettenschwindel bezeichnet: Es gebe keine griffigen Kontrollmechanismen und bei Verstössen kaum Sanktionen.
Schweiz soll mit gutem Beispiel vorangehen
Damian Müller sagt, er habe den Kompromissantrag gestellt, damit das Freihandelsabkommen nicht am Palmöl scheitert.
«Vor Ort sind sie froh, dass wir mit dem Abkommen ausdrücklich auch die nachhaltige Entwicklung Indonesiens unterstützen wollen. Das setzt etwa für Kleinbauern im Palmölanbau die richtigen Anreize, stärker nach ökologischen Standards zu produzieren.»
Er finde es eine «absolute Schweinerei», wenn für die Palmölproduktion Regenwälder abgeholzt und die Umwelt zerstört werde, sagt Müller. Er ist überzeugt: Die Schweiz ist für die Palmölproduzenten zwar nur ein kleiner Markt, sie könne aber mit gutem Beispiel vorangehen. «Jemand muss den Anfang machen.»
Weltweit wurden 2019 rund 74 Millionen Tonnen Palmöl produziert. Zum Vergleich: 2002/03 lag die Produktion noch bei knapp 28 Millionen Tonnen. Die Schweiz hat 2019 gemäss Zollverwaltung 21'300 Tonnen Palmöl importiert, davon 35 Tonnen aus Indonesien. Verwendet wird das Pflanzenfett beispielsweise für die Füllungen beim Guetzli-Hersteller Hug aus Malters.
Das Unternehmen importiert rund 200 Tonnen jährlich, hauptsächlich von den Salomonen im Südpazifik. Obwohl Indonesien zusammen mit Malaysia zu den grössten Palmölproduzenten gehört, bezieht Hug nur einen kleinen Teil aus diesen Ländern. Weshalb? «Indonesien ist noch nicht in der Lage, genügend nachhaltig produziertes Palmfett zu liefern», erklärt Andreas Hug, Geschäftsleiter und Inhaber der Hug AG.
Andreas Hug: «Ein Boykott würde der Ökologie nicht helfen»
Sein Unternehmen ist Mitglied des Palmöl Netzwerks Schweiz und will gemäss Hug «die Standards höher setzen». Das hat allerdings seinen Preis. Durch den Import von zertifiziertem Palmöl entstehen laut Andreas Hug jährliche Mehrkosten von rund 100'000 Franken. Obwohl die Firma das Freihandelsabkommen unterstützt, macht sich der Geschäftsleiter nichts vor: Wenn die Schweiz Druck für eine weniger zerstörerische Palmölproduktion in Indonesien ausübt, sei das «ein Tropfen auf den heissen Stein». Verbesserungen brauchten Zeit, es lohne sich aber, sich dafür einzusetzen.
Auch in Zukunft will der Guetzli-Hersteller nicht komplett auf Palmöl verzichten. «Ein Boykott würde der Ökologie nicht helfen», sagt Andreas Hug. Die Ölpalme sei in Sachen Wasserverbrauch, Flächenbedarf und Pestizideinsatz die mit Abstand effizienteste Pflanze für die Produktion von pflanzlichem Fett. Hug geht deshalb davon aus, dass die Akzeptanz von Palmöl dank höherer Standards in der Bevölkerung wieder steigt.
Michael Töngi: «Es ist widersinnig, Öle um die halbe Welt zu karren»
Genau davor warnt der Luzerner Nationalrat Michael Töngi (Grüne). «Mit den reduzierten Zöllen werden Anreize geschaffen, um mehr Palmöl zu importieren.» Dann müssten aber auch grössere Plantagen angelegt werden. «Das geht nur auf Kosten der Böden. Der Druck auf die Regenwälder wird weiter steigen.» Töngi sagt, dass mit den gängigen Zertifikaten eine umweltfreundliche Palmölproduktion nur vorgegaukelt werde.
«Die Regeln werden nicht durchgesetzt und es wird weiterhin Regenwald gerodet.»
Hinzu komme, dass es in Europa grosse Möglichkeiten gebe, pflanzliche Fette herzustellen. Palmöl könne durch hiesige Produkte ersetzt werden. «Da ist es widersinnig, Öle um die halbe Welt zu karren.»
Für die Schweizer Wirtschaft ist der Import von indonesischem Palmöl nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger ist der Export. 2019 wurden Waren im Wert von knapp 490 Millionen Franken nach Indonesien exportiert. Mit dem Wegfall der Zölle könnten die Unternehmen jährlich 25 Millionen Franken einsparen.
Gemäss Zahlen der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) exportierten Firmen aus Luzern, Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 5,8 Millionen Franken. Tatsächlich dürfte die Summe 25 bis 30 Prozent höher sein, schätzt IHZ-Direktor Adrian Derungs, weil nicht alle exportierten Güter in der Statistik erfasst würden.
Trotzdem: Die Handelsbeziehungen sind auf einem tiefen Niveau. Doch das Land entwickle sich, sagt Derungs, Indonesien sei ein wichtiger Zukunftsmarkt: «Gemäss Schätzungen wird sich das Land in den nächsten 20 bis 30 Jahren zur viertgrössten Volkswirtschaft der Welt entwickeln – hinter China, Indien und den USA.» Die Mittelschicht werde zahlungskräftiger, der Investitionsbedarf sei gross. «Das ungenutzte Potenzial ist enorm.»
Profiteure gäbe es in ganz verschiedenen Branchen
Zu den wichtigsten Exporteuren aus Zentralschweizer Sicht gehören Pfisterer, Bio Familia und Schindler. Der Lifthersteller macht keine konkreten Angaben zum Geschäft und allfälligen Wachstumsplänen in Indonesien. Der Gesamtmarkt Asien-Pazifik mache 27 Prozent des Umsatzes aus, erklärt eine Sprecherin.
Von einem Freihandelsabkommen würden auch die Maschinen- oder Pharmabranche profitieren, sagt Ständerat Damian Müller. Oder Emmi. Tatsächlich schielt das Unternehmen auf den wachsenden Markt im ostasiatischen Land, wie Sprecherin Sibylle Umiker bestätigt. Emmi exportiere Milchprodukte im Umfang von rund 300 Millionen Franken in rund 60 Länder. Mit einem Umsatzanteil von gut 1 Prozent besitzt Emmi zwar eine untergeordnete Bedeutung, das jährliche Wachstum in Asien von rund 10 Prozent sei sehr attraktiv. Umiker sagt:
«Neben Hongkong und China ist Indonesien sicherlich für uns einer der attraktivsten Märkte in Asien. Unter anderem, weil es bei Milchprodukten einen tiefen Selbstversorgungsgrad aufweist.»
Die heutigen Importzölle von 5 bis 10 Prozent würden ein weiteres Wachstum hemmen. Deren Wegfall erhöhe die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenzprodukten aus der EU, welche nicht über einen zollfreien Marktzugang verfügten.
Ein besserer Marktzugang für die Schweizer Unternehmen: Das ist auch das, was Ständerat Damian Müller antreibt. Indonesien, derzeit als Handelspartner auf Platz 47, werde mit dem Freihandelsabkommen auf der Rangliste aufsteigen. Und Müller ist überzeugt, dass mit dem Abkommen klare Fortschritte im Umweltschutz erzielt werden, denn: «Palmöl ist für die Indonesier so wichtig wie für die Schweizer die Uhren.»