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Analyse

Trotz «Werbeverbot» der Stadt Luzern: Der Tourismus ist noch länger auf Fernmärkte angewiesen

Die Luzerner Stadtbevölkerung wird sich weiterhin mit Gruppentouristen aus Übersee arrangieren müssen – zumindest bis auf weiteres.

Mit der neuen Leistungsvereinbarung mit Luzern Tourismus und der Teilrevision des Kurtaxenreglementes hat die Stadt Luzern ein Zeichen gesetzt. Sie will anstelle von Gästen aus Übersee mehr Touristinnen und Touristen aus der Schweiz und Europa begrüssen sowie mehr Steuerungsmöglichkeiten erhalten. Deswegen ist in der Leistungsvereinbarung 2023–2027 auch der Verzicht auf Werbung und Marketingaktivitäten in Fernmärkten festgehalten. Luzern Tourismus kann den Beitrag der Stadt nicht für die Bearbeitung der Märkte Asien oder Amerika einsetzen.

Touristinnen aus Asien werden voraussichtlich weiterhin Luzern besuchen wollen – trotz Auflagen der Stadt Luzern für Luzern Tourismus.
Bild: Bild: Eveline Beerkircher (16. Januar 2020)

Die Stadt ist aber nur eine von mehreren Partnern. Deren finanzieller Beitrag von 550'000 Franken ist im Vergleich zu den Marketingaufwänden (inklusive Personalkosten) von Luzern Tourismus von über 16 Millionen nicht ausschlaggebend. Die Massnahme ist jedoch ein starkes Symbol für die Bedenken der Luzerner Bevölkerung und Politik hinsichtlich der touristischen Entwicklung. Denn die Forderung resultierte aus der «Vision Tourismus Luzern 2030», die in einem partizipativen Prozess inklusive Befragung der Bevölkerung erarbeitet wurde.

Unbestritten ist auf allen Seiten, dass eine langfristig erfolgreiche Entwicklung sozial, ökologisch und wirtschaftlich verträglich sein muss. Dass die Stadt Luzern und die einheimische Bevölkerung diese mitgestalten können, ist wichtig. Hierbei gilt es aber nicht nur, zu definieren, was man alles nicht will. Sondern auch im Auge zu behalten, was das im Endeffekt bedeutet, und konkrete Lösungsansätze zu diskutieren. So, wie dies etwa mit den Carparkplätzen geschieht. Auf die tatsächliche Ausgestaltung des Tourismus vor Ort und auf die Bevölkerung dürfte dies wesentlich mehr Einfluss haben als der Werbeverzicht. Denn andere touristische Leistungspartner werden es wohl kaum unterlassen, mit der Kapellbrücke oder der Nähe zur Stadt Luzern zu werben.

Die Aufenthaltsdauer von Gästen zu verlängern und mehr Wertschöpfung pro Gast zu generieren, sind Ziele so gut wie jeder Destinationsmarketingorganisation. In der Stadt Luzern soll gemäss Leistungsvereinbarung zusätzlich der Kulturtourismus gefördert werden. Die idealen Gäste sind demnach also zahlungskräftige Europäerinnen und Europäer, die eine Woche lang in der Stadt Luzern übernachten, mit dem Zug anreisen, jeden Tag in einem Restaurant essen und Museen und Kulturveranstaltungen besuchen. Wie gross ist hier das Marktpotenzial? Kann Luzern mit Berlin, Barcelona, Rom oder Zürich mithalten?

Will man zukünftig gar keine Touristen mehr aus Übersee, so sollte man sich bewusst sein, dass die bestehenden Hotel- und Bergbahnkapazitäten in der Region Luzern und der Zentralschweiz allein mit Gästen aus der Schweiz und Europa nicht ausgelastet werden können. Zahlreiche touristische Betriebe wie etwa die Titlis-Bergbahnen oder die Pilatusbahnen sowie Luxushotels haben ein Interesse daran, dass auch Gäste aus Übersee ihr Angebot nutzen. Einerseits, um das Risiko auf möglichst viele Märkte zu verteilen, sollte einer kriseln. Andererseits, um betriebswirtschaftlich möglichst gut ausgelastet zu sein.

Bei der Präsentation der Leistungsvereinbarung sagte Stadtrat Martin Merki, dass man sich der Bedeutung des Tourismus bewusst sei. Sorge die Branche doch für rund 7500 Arbeitsplätze allein in der Stadt. Er betonte, einige Anbieter in Luzern hätten ihr Angebot bereits während der Pandemie neu ausgerichtet und die durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Gast sei von 1,72 Nächten im Jahr 2019 auf 1,81 Nächte im Jahr 2021 gestiegen. Die Coronapandemie hat jedoch auch der Hotellerie zugesetzt. Die Auslastung in kleineren Städten betrug 2021 gemäss Bundesamt für Statistik schweizweit noch knapp 39 Prozent. Vor der Pandemie lag dieser Wert bei 53 Prozent. Und im laufenden Jahr verzeichnet die Stadt Luzern bis und mit Ende Juli 557’438 Logiernächte, was rund 28 Prozent unter dem Wert von 2019 für den gleichen Zeitraum liegt.

Finanzstarke Individualtouristen werden nicht von heute auf morgen Gruppen ersetzen können. Kalte Betten und halb volle Bahnen sind auch definitiv nicht nachhaltig. Und abgesehen davon, dass die Schweizer Bevölkerung rein zahlenmässig überschaubar ist, verspürt auch sie das Bedürfnis, Ferien im Ausland zu verbringen, wie der vergangene Sommer gezeigt hat. Ausserdem steht in der neuen Leistungsvereinbarung als Ziel, dass alle Gäste unabhängig von der erzielten Wertschöpfung willkommen sein sollen. Es ist also ein recht sportlicher Spagat gefordert. Zur Umsetzung der «Vision Tourismus 2030» schafft die Stadt Luzern eine befristete Projektleitungsstelle. Hoffentlich wird sie mit einer Turnerin besetzt.

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