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Luzern

Trotz steigender Kurzarbeitsbewilligungen: Luzerner Unternehmen bangen um Liquidität

Die Zentralschweizer Behörden erteilen fleissig Bewilligungen für Kurzarbeit. Doch das alleine reicht noch nicht, sagen Wirtschaftsvertreter.
Selbständige –unter ihnen viele Coiffeusen und Coiffeure – sind derzeit explizit von der Kurzarbeit ausgeschlossen.
(Symbolbild: Sandra Ardizzone)

Alexander von Däniken

Die Kurzarbeitsentschädigung ist eines der schnellsten Mittel, um Unternehmen in Krisenzeiten zu helfen. Und sie wird in den letzten Wochen rege genutzt, wie auch eine Umfrage in den Zentralschweizer Kantonen zeigt. In Luzern sind seit Anfang Jahr bis am 12. März 148 Gesuche für die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) eingegangen. Davon 128 im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Am Donnerstag, 19. März 2020, Stand 11 Uhr, waren es 541 verzeichnete KAE-Gesuchseingänge im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. «Dazu kommen noch einige hundert eingegangene Gesuche, die noch nicht erfasst werden konnten. Gesamthaft dürften gegen 800 bis 1000 Gesuche eingegangen sein», sagt Martin Bucherer, Geschäftsfeldleiter von WAS Wira Luzern.

Die Zahl der Gesuche bleibt nicht ohne Folgen. Laut Bucherer muss mittlerweile mit einer Wartefrist von rund einer Woche gerechnet werden.

«Die Gesuchsteller dürfen davon ausgehen: Voranmeldungen zur Kurzarbeit infolge des Corona-Virus werden bewilligt, sofern auch alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind.»

Personell wird die betreffende Stelle laufend verstärkt. Im regulären Betrieb werden Voranmeldungen für Kurzarbeitsentschädigungen mit rund einem 20-Prozent-Pensum bewältigt. «Bis gestern haben wir auf rund 10 Vollzeitpensen hochgefahren. Heute Donnerstag kommen nochmals 4 dazu», so Bucher.

Den Unternehmen stehe es frei, wie hoch die Pensenreduktion ist. Im Durchschnitt aller Angestellten muss die Reduktion aber mindestens 10 Prozent betragen. Bucher: «Derzeit, bei ganzen Betriebsstilllegungen, dürfte die Reduktion vielfach gegen 100 Prozent gehen.»

Auch in anderen Zentralschweizer Kantonen mehr Gesuche

Im Kanton Obwalden waren bis Donnerstagmittag wegen der Auswirkungen des Corona-Virus 171 Gesuche für KAE im System erfasst; 2237 Personen wurden gemeldet. Wie viele Gesuche bewilligt worden sind, wird ab nächster Woche kommuniziert. Im Kanton Nidwalden sind schätzungsweise 230 Gesuche eingegangen, wovon bis Donnerstagmittag rund 60 bewilligt worden sind.

Der Kanton Uri registrierte bis Donnerstagmorgen 126 eingegangene Gesuche für knapp 1990 Angestellte, wovon bis jetzt 10 Gesuche bewilligt worden sind. Im Kanton Schwyz sind geschätzt rund 600 Anträge eingegangen; stündlich würden es mehr.

Lage für fast alle Firmen «existenzbedrohlich»

Die steigenden Zahlen bei den Kurzarbeitsgesuchen sind das eine. Die konkreten Auswirkungen auf die KMU sind das andere. Sehr nahe am Puls sind die Personalvermittler. Die Persigo AG betreut in Luzern und Stans über 600 offene Stellen und über 1400 Stellenbewerber – im Normalfall. «Die Lage ist für fast alle Unternehmen existenzbedrohlich», sagt Geschäftsleiter Bruno Giger. Er macht ein Beispiel: Garagisten in der Region haben ihren Betrieb heruntergefahren und klagen über zu wenig Arbeit. Und das, obwohl Garagen laut Bund explizit geöffnet haben dürfen. Das Problem: Die Kunden verzichten gerade in dieser Saison vorerst auf den Reifenwechsel und den Autoservice. «Vor allem ältere Kunden befolgen den Rat, nur für dringende Besorgungen nach draussen zu gehen», sagt Giger. Andere Unternehmen haben die Qualifikations- und Bewerbungsverfahren sistiert. Aufgrund der grossen Unsicherheit herrscht bereits vielerorts ein Einstellungs- und Investitionsstopp.

Unsicherheiten gebe es auch bei den unzähligen Selbstständigen mit Einzelfirmen im Handwerk oder in persönlichen Dienstleistungen.

«Es herrschen in der Wirtschaft grosse Bedenken, die Löhne mittelfristig nicht mehr zahlen zu können.»

Um die Existenz geht es auch bei der Persigo AG, die laut Bruno Giger wohl auch bald für ihre 15 Angestellten Kurzarbeit beantrage. Er appelliert an die Behörden, möglichst unkomplizierte Direkthilfe an die unzähligen KMU zu leisten. «Am besten wären Direktzahlungen aufs Lohnkonto jedes Angestellten. Und ein temporärer Mieterlass für KMU ist ebenfalls ein wichtiges Thema.» Gehandelt werden müsse sofort; besonders kleine Unternehmen hätten oft kaum Reserven, um mehrere Monate ohne Erträge durchzustehen.

Gewerbeverband: Kleine Unternehmen im Fokus

Bruno Giger steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Der KMU- und Gewerbeverband Kanton Luzern (KGL) hat bei seinen Mitgliedern eine Umfrage zur aktuellen Situation durchgeführt. Daraus sind fünf Handlungsfelder hervorgestochen, wie der KGL mitteilt. Schnelle finanzielle Hilfe, klare und strikt einzuhaltende Verhaltensregeln, unkomplizierter Zugang zur Kurzarbeitsentschädigung, ein Aufrechterhalten der Wirtschaftstätigkeiten und unbürokratische Lösungen für Härtefälle.

Zentrales Problem ist laut dem KGL die Liquidität. Besonders betroffen seien Firmen mit 1 bis 9 Angestellten, die rund 88 Prozent aller Luzerner Unternehmen ausmachen. Hier brauche es Lösungen von Bund, Kanton und Geschäftsbanken. Bei den Kleinstbetrieben werde es nicht ohne Direktzahlungen gehen. Die Herausforderung hierbei sei, die Mittel rasch vor Ort zu bringen, ohne dass es zu Marktverzerrungen komme.

Die Gewerbe-Treuhand, ein Tochterunternehmen des KGL, stellt den Behörden bisher für die Hilfe zu Gunsten der Unternehmen ein gutes Zeugnis aus. «Die Kurzarbeitsmassnahme funktioniert bis jetzt rasch und unbürokratisch», sagt Gesamtleiter und Steuerexperte Bruno Käch. Demnach scheinen die meisten Märzlöhne, die in den nächsten Tagen ausbezahlt werden, gesichert. Anders sehe es bei den Aprillöhnen aus. «Viele Unternehmen werden dann Liquiditätsprobleme haben.»

Diese würden noch verschärft, wenn der Bund strengere Massnahmen erlässt, etwa ein Ausgangsverbot. Grundsätzlich sei es im Interesse jedes Arbeitgebers, die Angestellten weiter zu beschäftigen. Doch das ist nicht überall möglich. «Es braucht darum rasch konkrete Lösungen, um die Liquidität der Firmen sicherzustellen.» Das könnten Darlehen oder Direktzahlungen sein; Bedingung sei, dass die Lösung so unbürokratisch und schnell vorliege wie bei der Kurzarbeit.

Coiffeurverband: Niemand darf arbeiten, auch zu Hause nicht

Explizit von der Kurzarbeit ausgeschlossen sind derzeit alle Selbstständigen. Viele von ihnen gibt es in der Coiffeurbranche. Mirjam Blättler-Ambauen ist Präsidentin des Verbands Schweizer Coiffeurgeschäfte Zentralschweiz. «Die Situation ist sehr angespannt. Niemand von uns darf arbeiten», sagt sie. Die Hoffnung sei gross, dass auch Selbstständige möglichst rasch entschädigt werden. Wie lange die Reserven reichen, sei sehr individuell.

Blättler mahnt allen Coiffeusen und Coiffeuren, auch zu Hause keine Kunden zu empfangen – so wie es der Bund empfiehlt: «Sonst geht die Krise noch länger.» Sie habe ihren Kundinnen und Kunden die Termine auf die Zeit nach dem 21. April verschoben. «Dann will ich wieder eröffnen.» Sie richtet auch einen Appell an die Vermieter der Coiffeursalons:

«Bitte kommen Sie uns mit einer Mietzinsreduktion oder einer Mietzinserstreckung entgegen.»

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