Marco Morosoli
Marco Morosoli
Der 9. November hat in der europäischen Geschichte einen hohen Stellenwert. Unter anderem beginnt an diesem Tag im Jahr 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer das Ende der DDR.
Vier Jahre zuvor hat ein 9. November auch für den EVZ einen schicksalhaften Charakter. Für die Zentralschweizer stand die NLB-Partie in der Malley-Halle in Lausanne an. Nach drei Niederlagen in Serie wollten die Zuger, die damals vom Schweden Dan Hobér trainiert wurden, gegen den Tabellenletzten unbedingt gewinnen. Die Zuger Mission liess sich nicht schlecht an. Nach zwei Dritteln führten sie mit 3:1. Sie sahen schon zwei wichtige Punkte auf ihrem Konto.
Doch die Gäste hatten die Rechnung ohne die Eisputzmaschine gemacht. Nachdem im ersten Drittel alles in geordneten Bahnen abgelaufen war, blieb die Zamboni in der zweiten Pause in der Mitte der Eisfläche stehen. Nach langem Hin und Her konnte die Maschine ihre Arbeit endlich zu Ende bringen.
Casalini unterzeichnet den Spielbericht nicht
Aber halt: Da sich das Heisswasser während der Panne weiterhin aufs Eis ergoss, bildete sich auf der eisigen Spielfläche ein zwei Meter langer und rund sieben Zentimeter breiter Spalt. Erschwerend kam hinzu, dass dieser Spalt eine Tiefe von rund fünf Zentimeter hatte. An ein Eishockeyspiel war unter diesen Umständen kaum mehr zu denken. Der EVZ hätte zwar gerne weitergespielt, doch den Schiedsrichtern war dies zu gefährlich. Sie brachen das Spiel ab. Zug legte Protest gegen diesen Entscheid ein, indem der damalige Captain Jürg Casalini den Spielbericht nicht unterschrieb.
Der EVZ musste frustriert die Heimreise antreten. Für den Lausanne-Trainer Réal Vincent war die Sache gemäss den «Zuger Nachrichten» vom 11. November 1985 klar: «Ich rechne mit einer Wiederholung. Was können wir dafür, wenn eine Maschine defekt ist?» Derweil Zug-Trainer Dan Hobér haderte: «Wir hätten das Spiel problemlos gewonnen. Eine Wiederholung käme ohne Zweifel nur den Lausannern zugute.» Die «Zuger Zeitung» sprach auch mit Schiedsrichter Bregy:
«Für mich war die Unfallgefahr zu gross.»
Keine zwei Wochen später lag im Briefkasten der Zuger der Entscheid der Disziplinarkommission des Eishockeyverbandes. Die Rechtsinstanz entschied: Die Partie in Lausanne muss wiederholt werden. Für die Kosten des Protestes muss gemäss der Disziplinarkommission der EVZ geradestehen. Lausanne muss derweil dem Kontrahenten die Kosten für die Fahrt bezahlen. Die Zuger verzichteten zähneknirschend auf einen Rekurs. Als Begründung gab der damalige Pressechef und spätere Sportchef Willy Köppel dem «Zuger Tagblatt» das Folgende zu Protokoll:
«Bei der allgemeinen Zuger Feindlichkeit im Verband sahen wir keine Aussichten auf einen Erfolg.»
Das Wiederholungsspiel fand dann am 5. Dezember 1985 statt – und nicht wie vom EVZ gewünscht kurz vor Weihnachten. Als hätten sie alle Geister gegen Zug verschworen, traf just am Spieltag die Meldung ein, dass die Lausanner mit Jean Lussier und Gaëtan Boucher zwei Kanadier einsetzen konnten.
Wobei: Zwei Kanadier ist falsch, denn Boucher hatte praktischerweise genau am Tag des Spiels gegen den EVZ den Schweizer Pass erhalten. In einer Saison, in der nur gerade ein Söldner zugelassen war, konnte dies den Unterschied ausmachen. Das war dann auch so: Zug verlor das Wiederholungsspiel mit 4:6 und sass nun tief im Sumpf: Lausanne schloss punktemässig zu den Zentralschweizern auf.
Der Hoffnungsträger war ein Ärgernis
Was dem EVZ zudem schwer zu schaffen machte: Der vom EHC Olten geholte Verteidiger Greg Theberge blickte zwar auf 153 NHL-Spiele zurück, doch in der Zentralschweiz hatte er den Status eines Kummerbuben. Ersatz musste her, dringend. Fündig wurde der EVZ in der Person von Pierre Rioux. Der Québécois erreichte in Zug formidable Werte. In zehn Spielen mit dem EVZ buchte er 20 Punkte (8 Tore/12 Assists). Greg Theberge hatte sich in 26 Spielen 24 Skorepunkte notieren lassen.
Der Stürmer Rioux, der später noch lange Jahre in Deutschland bei den Augsburger Panthers spielte, erwies sich für den EVZ als wahrer Glücksfall. Am Anfang gab es zwar noch Diskussionen, welcher der beiden Überseer spielen sollte. Bald einmal aber waren die Würfel endgültig gefallen.
Ein Heilsbringer aus der NLA
Doch so richtig zur Ruhe kam der EVZ aber immer noch nicht. Da kam es am 10. Januar 1986 zu einem in dieser Art einzigartig gebliebenen Tausch: Zugs Trainer Dan Hobér ging zum ZSC in die NLA, derweil Andy Murray von den Zürchern an den Zugersee wechselte. Der Kanadier war ein Motivator und riss mit seiner positiven Energie alles mit. Die Meisterschaft in der NLB war zwar weiterhin ein Tanz auf dem Hochseil. Der Zweikampf zwischen dem EVZ und dem HC Lausanne blieb Runde für Runde offen. Zug rutschte immer mal wieder unter den Strich, der am Ende der Saison den erneuten Fall in die 1. Liga bedeutet hätte.
Dank sehr starker Leistungen in den letzten Partien der NLB-Saison schaffte der EVZ schliesslich den Ligaerhalt. Der damalige Platzspeaker Gerry Hartmann sagte es am Abend des Spiels vom 15. Februar immer und immer wieder: «Der EVZ bleibt in der Nationalliga B.» Die «Zuger Nachrichten» titelten am 17. Februar 1986: «Ende gut, alles gut: Happy End». Wie die gleiche Zeitung weiterschreibt, hätten die Fans in der Hertihalle gleich intensiv gefeiert wie drei Jahre früher beim Aufstieg in die NLB. Interessant ist übrigens auch, wer damals neben Zug und Lausanne noch in der zweithöchsten Liga spielte: Bern, Langnau, Dübendorf, Chur, Basel, Rapperswil, Ajoie, Rapperswil und Servette Genf.
Andy Murray blieb nach der Rettung Trainer beim EV Zug – und schaffte Grossartiges: Unter ihm gelang nur ein Jahr später der zweite Aufstieg in die NLA. Seit 1987 sind die Zuger ununterbrochen in der höchsten Spielklasse vertreten.
Vom drohenden Fall in die Anonymität der 1. Liga bis zum erneuten Aufstieg in die höchste Liga der Schweiz verging also etwas mehr als ein Jahr. Die Saison 1985/86 war also eine wahrlich verrückte und wegweisende in der Geschichte des EV Zug.