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Zug

Asiatische Kirschessigfliege hat es besonders auf Beeren abgesehen

Aktuell sind Früchte diverser Waldpflanzen stark von der asiatischen Kirschessigfliege befallen, was erhebliche ökologische Schäden zur Folge haben kann. Untersuchungen in den Kantonen Zug und Zürich liefern besorgniserregende Ergebnisse.
Eine Studie in den Kantonen Zug und Zürich zeigt, dass die asiatische Kirschessigfliege die Wälder befällt und für erhebliche Schäden sorgt.  (Bild: PD/Beat Wermelinger)
Das beste Erkennungsmerkmal des Befalls einer Kirschessigfliege ist die typische Ausformung des Einstichs für die Eiablagen in Früchten und anderen Pflanzen. (Bild: PD)
Martin Ziegler, Amtsleiter Wald und Wild. (Bild: Matthias Jurt (Steinhausen, 12. August 2020))
So sehen von der Kirschessigfliege befallene Brombeeren aus. (Bild: PD)

Tijana Nikolic

Die südostasiatische Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) sorgt oft für Ernteausfälle in der Landwirtschaft. Aufgrund der massiven wirtschaftlichen Schäden im Obst- und Weinbau richtete sich der Fokus der Forschung zur Kirschessigfliege deshalb auf diesen Bereich. Eine Untersuchung in den Kantonen Zug und Zürich mit Beteiligung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landwirtschaft (WSL) zeigt nun, dass auch das Ökosystem Wald von diesem invasiven gebietsfremden Insekt beeinflusst wird, wie es in einer Medienmitteilung der WSL heisst.

Früchte diverser Waldpflanzen sind stark befallen, was erhebliche ökologische Schäden zur Folge haben kann. Direkte Auswirkungen spüren beispielsweise die Beerensammler: Saftige Heidelbeeren und Holunderfrüchte sind Mangelware, heisst es in der Mitteilung weiter. «Das Amt für Wald und Wild gab den Anstoss für die Untersuchung. Dies unter anderem aufgrund Fragen aus der Bevölkerung, warum beispielsweise aktuell die Holunderbeeren vertrocknen und nicht geerntet werden können», erklärt Martin Ziegler, Leiter des Zuger Amts für Wald und Wild.

Erkennungsmerkmal ist die Form des Einstichs

Die etwa 2,5 bis 3,5 Millimeter grosse Fliege wurde 2008 nach Europa eingeschleppt. Dies kann, je nach Art, praktisch über alle interkontinentalen Lieferkanäle erfolgen. «Je kürzer die Ware unterwegs ist, desto grösser die Chance, dass Insekten, Pilzsporen oder Pflanzensamen als blinde Passagiere die Reise überstehen», so Ziegler.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie hier geeignete Lebensvoraussetzungen finden und sich vermehren können, ist klein. Doch wenn dies zutrifft, können sich einige der eingeschleppten Arten aufgrund fehlender natürlicher Feinde unkontrolliert ausbreiten und einheimische Arten schädigen oder verdrängen. Das beste Erkennungsmerkmal eines Befalls durch die Kirschessigfliege ist die typische Ausformung des Einstichs in beispielsweise Früchten. «Auch der Mensch kann als Reisender unbewusst problematische Arten einschleppen, zum Beispiel als Samen in Kleidungsstücken oder in Schuhsohlen oder auch Insekten in Koffern», weiss Ziegler.

31 von 39 Testpflanzen befallen

Invasive Arten – Arten, die sich rasch ausbreiten und überhandnehmen – können natürliche Lebensräume sowie Ökosysteme verändern und heimische Arten verdrängen. Wie häufig die gebietsfremde Fliege in unseren Wäldern vorkommt, welche Früchte sie wie stark befällt und welche Auswirkungen dies auf das Waldökosystem hat, ist jedoch noch unzureichend bekannt, wird in der Medienmitteilung der WSL erklärt.

Für die Studie hat das Zuger Ökobüro Biotopia von Mitte Juni bis Mitte Oktober an insgesamt 64 Stellen das Auftreten der Kirschessigfliege und die Schäden an Waldfrüchten untersucht. Im Kanton Zug befanden sich die Testflächen im Steinhauserwald, im Zollischlag in Hünenberg, im Lorzentobel in Menzigen, im Türlistock in Unterägeri, im Gutschwald in Oberägeri, im Stollen in Walchwil, im Deinikerwald in Baar, im Oberwilerwald in Zug, im Hürital in Unterägeri und im Langholz in Hünenberg.

Dabei wurden insgesamt 12'000 Früchte auf Eiablagen der Kirschessigfliege geprüft. Von 39 untersuchten potenziellen Wirtspflanzen waren die Früchte von 31 Pflanzenarten befallen.

Waldvegetationen auf verschiedenen Höhenstufen getestet

«Für die Studie wurden vier verschiedene Untersuchungsflächen mit einem Gebiet von zehn Hektaren und standorttypischer Waldvegetation in verschiedenen Höhenstufen ausgewählt», führt Ziegler aus. Diese mussten mindestens einen Kilometer von landwirtschaftlichen Anbauflächen, auf denen Wirtspflanzen der Kirschessigfliege kultiviert werden, entfernt liegen.

«In diesen Flächen wurden zufälligerweise vier quadratische Plots mit einer Seitenlänge von 50 Metern ausgewählt», erzählt Ziegler weiter. Diese mussten untereinander, aber auch zum Waldrand einen minimalen Abstand von 200 Metern aufweisen. In diesen Gebieten wurden schliesslich die Früchte der potenziellen Wirtspflanzen auf den Befall untersucht.

Schwarzer Holunder sehr beliebt

Bei 19 Pflanzenarten hatten die Fliegen in über 50 Prozent aller Früchte Eier gelegt. Waldfrüchte wie Brombeeren, Heidelbeeren, Himbeeren oder Holunderfrüchte waren für die Kirschessigfliege besonders attraktiv. «Die Auswirkungen sind massiv», wird Irene Bühlmann vom Ökobüro Biotopia in der Medienmitteilung der WSL zitiert. «Beim Schwarzen Holunder lag die Befallshäufigkeit bei 83 Prozent.»

In Insektenfallen in den Untersuchungsgebieten waren bis zu 95 Prozent aller gefangenen Essigfliegen Kirschessigfliegen. Dies zeigt, wie häufig und extrem dominant die gebietsfremde Kirschessigfliege gegenüber einheimischen Fliegen ist.

«So reduziert die Kirschessigfliege die Nahrungsquellen fruchtfressender Tiere sowie die Samenausbreitung stark befallener Pflanzen und sie verdrängt einheimische Fliegenarten», erklärt Martin Gossner, Leiter der Gruppe Waldentomologie an der WSL.

Vögel sind auf Beeren als Nahrungsquelle angewiesen

Durch die Eiablage zerstört die Fliege den mechanischen Schutz der Fruchthaut, wodurch die Frucht mit Mikroorganismen und Schimmelpilzen infiziert wird. Von diesen ernähren sich die Fliegenlarven. Der Befall beschleunigt den Zerfall, die Früchte verrotten und werden ungeniessbar. Viele Tiere wie zum Beispiel Vögel sind auf Früchte als Nahrungsquelle angewiesen und spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung von fruchttragenden Pflanzen.

Eine wirkungsvolle Bekämpfung ist noch nicht abschliessend geklärt. Denkbar wäre die Förderung von Gehölzen mit Früchten, die sich für die Entwicklung der Fliege schlecht eignen oder von natürlichen Gegenspielern im Wald. «Für das Verständnis und das Abschätzen des ökologischen Schadens sind weiterführende Studien notwendig», ist sich Ziegler sicher.

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