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Zug

Steuerrabatt entfällt – Motion der IG Industriestrasse stand unter Beschuss

Die Gemeindeversammlung folgte damit bei beiden Vorschlägen der Exekutive. Hochgekocht sind die Emotionen bei der Abstimmung um die Erheblicherklärung der Motion.
Die Motion der IG Industriestrasse wurde abgeschmettert. (Bild: Mathias Blattmann (Neuheim, 6. Dezember 2021) )

Vanessa Varisco

«Wir stellen gemeinsam fest, wir sind nicht ganz hundert», kommentierte der Gemeindepräsident Daniel Schillig (Mitte) die Zahl der anwesenden Stimmberechtigten mit einem Schmunzeln: Es waren nämlich deren 99 an der Neuheimer Gemeindeversammlung am Dienstag. Traktandiert waren sechs Punkte, darunter unter anderem das Budget und die Festsetzung der Steuern.

Das Wort übernahm in diesem Kontext Finanzchef Marcel Güttinger (FDP). Er erklärte, weshalb es vorerst wenig beunruhigend sei, dass man für das Jahr 2022 mit einem Verlust von ungefähr 428'000 Franken rechnet. Die prognostizierten Ergebnisse von 2013 bis 2020 lagen in der Gemeinde nur einmal im Plus. «Die tatsächlichen Abschlüsse lagen allerdings nur in den Jahren 2013 und 2014 im Minus», relativierte der Finanzchef. Er führe das so deutlich aus, da es in aller Regel «nicht schön» sei, den Souverän mit einem Minus zu konfrontieren.

«Aber seien Sie versichert, dass wir die Budgetierung sehr ernst nehmen.»

Budgetieren in unsicheren Zeiten ist kein Leichtes

Die aktuelle Planung sei eine der intensivsten der letzten Jahre gewesen. Was auch an der Coronasituation liege, die Prognosen schwierig machen würde. Wegen des budgetierten Minus schlug der Gemeinderat vor, auf einen Steuerrabatt von vier Prozent zu verzichten, wie er in Neuheim von 2019 bis 2021 gewährt wurde, und den Steuerfuss auf 65 Prozent zu belassen. Ein Rabatt würde bei einer Besserung der finanziellen Situation sicherlich wieder geprüft, versicherte Güttinger.

Markus Simmen, Präsident der Rechnungsprüfungskommission, hatte gegen den gemeindlichen Antrag nichts einzuwenden. «Budgetieren ist schwierig; in unsicheren Zeiten erst recht», so Simmen. Dennoch stehe man vorbehaltlos hinter dem Budget. Auch von der Gemeindeversammlung erhielt der grossen Zuspruch: Man nahm die Vorlage einstimmig an.

Obgleich die Neuheimerinnen und Neuheimer nächstes Jahr auf einen Steuerrabatt verzichten, ganz so schlimm wie im letzten Jahrhundert wird es nicht sein. Wie in der Dorfchronik «Neuheim einst und heute» von Hans Schlumpf nachzulesen ist, stiegen die Steuern 1948 in Neuheim auf 181 Prozent und 1950 sogar auf 201 Prozent des kantonalen Steuersatzes. Was an der Gemeindeversammlung 1951 gelinde ausgedrückt für Empörung sorgte. Ein Votant nervte sich dermassen, dass er erklärte, solche hohen Steuern seien nicht mehr normal und «es besser wäre, wenn sich die Gemeinde auflösen und einer Nachbargemeinde anschliessen würde». Er stellte deshalb damals den Antrag, die Gemeinde aufzulösen, was laut Chronik «mit Heiterkeit» aufgenommen worden sei.

Befürchtung, dass Gewerbe verdrängt wird

Gegen Ende der Gemeindeversammlung vom Dienstagabend wurde die Motion der Interessengemeinschaft Industriestrasse (IG) behandelt. Der Vorstoss beinhaltete zwei Anträge. So sollten zum einen die bereits bestehenden Wohnungen an der Industriestrasse 1 bis 10 endgültig bewilligt werden. Das wurde deshalb zum Thema, weil der Gemeinderat der Auffassung ist, dass einige Wohnflächen dort gegen das Recht errichtet wurden. Er hatte deshalb mehrere nachträgliche Baubewilligungsverfahren eingeleitet. Der Gemeindepräsident und Bauchef Daniel Schillig betonte, dass eine Bewilligung nicht Sache der Gemeindeversammlung sei, sondern in den Kompetenzbereich des Gemeinderats falle. Der Rat ist deshalb nicht auf den Antrag eingetreten – auch nicht, als die Motionäre an der Versammlung auf ein Eintreten pochten.

Antrag zwei der Motionäre lautete, dass die Bauordnung so angepasst wird, dass mehr Wohnanteil gebaut werden kann – abhängig von der jeweiligen Parzellengrösse. Schon im Voraus gab der Gemeinderat zum Ausdruck, dass er diesem Antrag wenig begeistert gegenüberstand. Auch die Wirtschaftskommission hatte auf eine Anfrage der IG im Frühling geantwortet, dass der Antrag wenig förderlich sei für das Gewerbe. Sie bekundete deutliche Bedenken darüber, «dass das Anliegen der Interessengemeinschaft Industriestrasse ihrer Ansicht nach den übergeordneten langfristigen Zielen der Wirtschaftsförderung widerspricht», wie es in der Vorlage zur Gemeindeversammlung hiess.

Daniel Schillig führte aus, dass man sich gegen den Antrag stelle, weil mit dessen Annahme die Regelung entfallen würde, dass ein Bauherr zuerst Gewerbeanteil baue und erst dann Wohnraum. Oder anders ausgedrückt: Durch den Motionsantrag könne es sein, dass reine Wohngebäude in diesem Bereich erstellt würden. «Das will der Gemeinderat nicht.» Dies, weil schlimmstenfalls einheimisches Gewerbe verdrängt werde.

Motionäre halten gegen den Gemeinderat

Ganz anders sahen das die Motionäre. An der Gemeindeversammlung betonten sie, dass man seit Jahren gegen leere Büroräume in diesem Gebiet kämpfe. Verschiedene Büros seien in Wohnungen umgebaut worden und die Problematik werde schon viele Jahre diskutiert. «Wir haben versucht, mit dieser Motion ein Problem zu lösen, ohne gross Juristenfutter zu liefern», sagte einer Motionäre. Die Streitigkeiten sollten damit bis zur neuen Bauordnung zurückgestellt werden. Gewisse Votanten wurden emotional und erklärten lautstark, der Gemeinderat solle das Geschäft doch ein Jahr zurückstellen und sich mit der IG zusammensetzen.

Schliesslich wurde von einem Bürger der Antrag auf eine geheime Abstimmung gestellt, der von den Stimmenden befürwortet wurde. Man entschied im Sinne des Gemeinderates: 53 Stimmende – und damit die Mehrheit – entschieden sich für eine Nicht-Erheblicherklärung der Motion.

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