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Zug

«Standpunkt»: «Non ti scordar di me» – Vergiss mich nicht!

Richard Rüegg macht auf ein rücksichtsvolles, interessiertes Miteinander aufmerksam.
Richard Rüegg, Die Mitte. (Bild: PD)

Richard Rüegg, Gemeinderat Die Mitte

Dieses neapolitanische Lied von Ernesto de Curtis hat mich zu diesem Standpunkt angeregt. Die Sommerferien sind zu Ende und der Alltag ist zurück. Das Thema Coronavirus beherrscht immer noch unser tägliches Leben in all seinen Facetten. Man mag es zwar gar nicht mehr hören.

Die sozialen Kontakte wurden auf ein Minimum begrenzt. Es gab lange keine Familienfeste, keine grösseren Veranstaltungen, keine Freundschaftsbesuche. Trotz diverser Öffnungen war dies häufig auch während der Ferienzeit so. Das Leben auf Abstand ist eine einschneidende Auswirkung im Alltag. Können wir auf Dauer ein Leben «auf Distanz» führen?

Ich persönlich brauche die Nähe meiner Mitmenschen, das Händeschütteln, das Schulterklopfen, die Umarmungen, das mehr oder weniger belanglose Plaudern. Die Begegnungen auf der Strasse sind gegenüber früher nicht mehr gleich spontan und offen. Schlimmer gar war es in den Alters- und Pflegezentren. Die Auswirkungen der Besuchsverbote, mit der fehlenden Nähe von Angehörigen und Freunden, schlugen aufs Gemüt. Selten hörte und sah man ein Lachen, fröhliche Stimmen und zufriedene Gesichter. Diese aufgezwungene Distanz am Ende des Lebenswegs darf nicht sein.

Gedanken mache ich mir auch über die junge Generation. Jugendliche verbrachten bei schönem Wetter ihre Zeit gemeinsam auf öffentlichen Plätzen oder an der Seepromenade, um persönlichen Kontakt zu haben. Dies wurde nicht von allen Teilen der Bevölkerung goutiert, blieb doch relativ viel Unrat liegen. Doch, was blieb ihnen denn anderes übrig, um sich zu treffen? Es bestanden keine Ausweichmöglichkeiten. Ich frage mich, welche Auswirkungen werden sich aufgrund der verordneten Distanz in dieser Altersgruppe noch zeigen?

Wir hofften alle, dass wir mit diesen Massnahmen über den Berg kommen. Leider steuern wir seit der Pandemie schleichend aber stetig auf die nächste Hürde, wenn nicht sogar Mauer zu. Die Gesprächskultur am Stammtisch, den es zwar kaum noch gibt, in Talkshows, in der Familie hat sich verändert. Die freie Meinungsäusserung scheint nicht mehr oberstes Gebot zu sein. Kritische Aussagen von Coronamassnahmen-Gegnern und -Befürwortern wurden hart angegriffen oder unterdrückt. Sogar Beschimpfungen und unglaubliche Gehässigkeiten nahm man wahr. Darf man seine Meinung nicht mehr öffentlich äussern? Muss man jedes Wort, das man sagt, auf die Goldwaage legen? Kommt die Demokratie ins Wanken? Das darf nicht passieren! Darüber, meine ich, muss man nachdenken.

Was macht die Politik? Sie versucht den wirtschaftlichen Schaden, der entsteht, so klein wie möglich zu halten, bewilligt Sonderzahlungen an das Gewerbe, die Industrie, die Kultur und den Sport. Ob die Vereine, die auch von den Covid-Massnahmen getroffen wurden und gezwungenermassen nicht den genauen Vereinszweck erfüllen konnten, ihre Beiträge von der Stadt trotzdem erhalten, ist wohl fraglich, obwohl viele in dieser Zeit einen wertvollen Beitrag zum Wohle der Mitbürger geleistet haben. Wirken diese Hilfspakete und Sonderzahlungen auch der Vereinsamung entgegen?

Deshalb geschätzte Mitbewohner der schönen Stadt Zug bleibt uns, wertvolle Erkenntnisse aus dieser Krise zu ziehen. Das Einsperren von Jung und Alt sowie die Kontaktverweigerung ist auf Zeit keine Lösung. Die Meinungsfreiheit muss oberstes Gebot bleiben und darf die Diskussionskultur nicht beinträchtigen. Und wir dürfen nicht vergessen zu leben.

«Non ti scordar di me» beziehe ich nicht auf mich persönlich, sondern auf uns alle: Vergesst einander nicht, setzt euch zusammen an einen Tisch, führt gute Gespräche, hört einander achtsam zu und trinkt ein Glas Wein!

Hinweis: In der Kolumne «Standpunkt» äussern sich Mitglieder des Grossen Gemeinderats Zug zu frei gewählten Themen. Ihre Meinung muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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