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Luzern

«Stadtwärts»: Finanzpolitik ist ein Kinderspiel

Verkäuferli-Spiele sind lehrreich – oder wie ein knapp Vierjähriger das bedingungslose Grundeinkommen einführt.
Beatrice Vogel.

Beatrice Vogel

Kürzlich spielte ich mit zwei meiner Neffen mit dem Verkäuferli-Laden. Die beiden bedienten mich als Kundin äusserst zuvorkommend: Ein Holz-Lebensmittel nach dem anderen landete in meiner Einkaufstasche, bis sie randvoll war. Birnen, Fische, Pouletschenkel, Rüebli, Auberginen, Glace. Obendrauf gab es gar noch ein Spielzeug – und das, ohne dass ich einen vollen Märkli-Sammelbogen hätte abgeben müssen.

Reichlich eingedeckt, fragte ich nach dem Preis für die Einkäufe. «Fünf Franken», sagte mein knapp vierjähriger Neffe mit Blick in die Kasse. Welch ein Schnäppchen!, dachte ich und wollte zum Spiel-Portemonnaie greifen. Doch bevor ich das Geld zücken konnte, drückte mein Neffe mir einen 5000-Euro-Spielschein und ein paar Plastik-Eurocent in die Hand. «Aber ich muss doch zahlen, nicht du», protestierte ich.

Das Spiel wiederholte sich einige Male auf dieselbe Weise. Und jedes Mal versuchte ich zu erklären, dass es sich um ein Tauschgeschäft handelt: Er gibt die Ware, ich das Geld. Mein Neffe blieb davon völlig unbeeindruckt und fuhr fort wie zuvor. Als aber die Kasse irgendwann gänzlich geleert war, nahm er mir kurzerhand das Geld wieder aus dem Portemonnaie und füllte damit die Kasse auf.

Da wurde mir klar: Der Laden meines Neffen funktioniert wie ein Staat – inklusive bedingungslosem Grundeinkommen. Statt Schulbildung, Infrastruktur oder Elternzeit gibt es bei ihm Lebensmittel; und dazu reichlich Bargeld zur freien Verfügung. Wenn das Geld dann knapp wird, holt der Verkäufer es sich direkt vom Kunden zurück. Das nennt sich beim Staat dann Steuern – oder Steuererhöhung. Anders als im echten Leben ging Letzteres ohne grosse Proteste meinerseits vonstatten. Denn ich wusste ja: Das Geld, das er mir aus der Tasche zieht, bekomme ich wieder zurück. Der ideale Ansatz für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und da sage mal einer, Finanzpolitik sei kein Kinderspiel!

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