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Stadt Luzern

Liegenschaft droht die Besetzung

Seit letztem Sommer erprobt ein Kollektiv in einer städtischen Liegenschaft beim Eichwäldli ein gemeinschaftliches, solidarisches Zusammenleben. Jetzt, wo der Mietvertrag ausgelaufen ist, weigern sich die Bewohner aber, die Koffer zu packen.
Das Kollektiv «Familie Eichwäldli» will die städtische Liegenschaft am Murmattweg nicht verlassen. (Bild: Corinne Glanzmann, 2. Januar 2019)

Evelyne Fischer

«Wir bleiben.» In grossen Lettern prangt jene Botschaft über der Liegenschaft Murmattweg 2, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner in der Silvesternacht der Stadt als Besitzerin kundgetan haben: Obwohl der Mietvertrag per 31. Dezember erloschen ist, wird das Kollektiv «Familie Eichwäldli» die ehemalige Soldatenstube nicht verlassen. Die Miete für den Monat Januar, rund 1300 Franken, sei überwiesen worden, teilt die Familie Eichwäldli mit. Sie versteht sich als «hierarchieloses Kollektiv», pocht auf eine anonyme, schriftliche Kommunikation. «Hier geht es um das Haus, nicht um einzelne Personen.»

Zur Erinnerung: Die Bewohner erproben im Eichwäldli seit dem Sommer ein gemeinschaftliches Leben. Donnerstags laden sie zum offenen Mittagstisch, montags zum Znacht, mittwochs zum Yoga. Laut dem Kollektiv gingen jede Woche 80 Personen ein und aus. Weil die Liegenschaft in einem schlechten Zustand ist, hat die Stadt Luzern das Mietverhältnis nicht verlängert. Im Dezember verfügte sie zudem, dass keine Veranstaltungen mit grossen Menschenansammlungen mehr durchgeführt werden dürfen.

An der Schwelle zur Illegalität

Damals lebten acht Personen im Eichwäldli. Wie viele es aktuell sind, sagt das Kollektiv nicht. Nur soviel: «Das Eichwäldli hat acht Zimmer und ein grosses Wohnzimmer, da haben einige Menschen Platz.» Mit ihrer Weigerung, die Koffer zu packen, stehen die Bewohner an der Schwelle zur Illegalität. Auf Donnerstag hat die Baudirektion die Schlüsselübergabe anberaumt.

«Wir gehen davon aus, dass die Stadt Luzern uns und unser Engagement für ein lebendiges Quartier nicht kriminalisieren möchte.»

Kollektiv «Familie Eichwäldli»
 

Das Kollektiv nimmts gelassen. «Wir gehen davon aus, dass die Stadt Luzern uns und unser Engagement für ein lebendiges Quartier nicht kriminalisieren möchte.» Die Bewohner stellen zwei Forderungen: Bis mindestens 2030 soll das Haus samt Umgebung für ein Wohn- und niederschwelliges Nachbarschaftsprojekt nutzbar bleiben. Und: Es soll «lösungsorientierte, konstruktive» Gespräche über bauliche Massnahmen und die weitere Nutzung geben.

Die Notwendigkeit einer Sanierung sei unbestritten. Dass das Haus akut einsturzgefährdet sei, könne man hingegen nicht nachvollziehen. Die Stadt stütze sich auf einen Ingenieursbericht, wonach «eine Verkettung von ungünstigen Ereignissen wie zusätzlichem starkem Schneefall oder stürmischen Winden» kombiniert mit grossen Menschenmassen die Stabilität beeinträchtigen könne. Vor Weihnachten hätten ihnen aber Fachpersonen versichert, die Holzbaute – insbesondere das Tragwerk – sei eine stabile Konstruktion. Daher lade man weiterhin Gäste ein. Allerdings steht in einem vom Kollektiv verschickten Bericht der Gebäudeversicherung, die Fluchtwege seien «nicht gewährleistet», die Personensicherheit sei «in keiner Art und Weise» gegeben.

Baudirektion wartet die Schlüsselübergabe ab

Bislang hat die Stadt weder auf die Forderungen reagiert, noch Massnahmen ergriffen. «Wir gehen am Donnerstag gemäss vereinbartem Termin zur Schlüsselübergabe und suchen gleichzeitig das Gespräch», sagt Baudirektorin Manuela Jost (GLP). «Die Liegenschaft darf bis am Nachmittag offiziell bewohnt werden. Danach ist Schluss. Die allfällige Überweisung einer Miete wird zurückerstattet.» Welche Konsequenzen folgen, sollten die Bewohner nicht ausziehen, entscheide der Stadtrat.

«Dass das Kollektiv Warnungen bezüglich der prekären baulichen Situation nicht Ernst nimmt, macht mir Sorgen.»

Manuela Jost, Baudirektorin der Stadt Luzern (GLP)
 

«Klar ist: Bis im Frühling ein Sanierungsgutachten vorliegt, sind eine weitere Wohnnutzung und Veranstaltungen mit grossem Aufmarsch nicht zu verantworten. Dass das Kollektiv Warnungen bezüglich der prekären baulichen Situation nicht Ernst nimmt, macht mir Sorgen.» Sie erwarte nun ebenfalls eine konstruktive Haltung, sagt Jost. «Die Nachfrage nach einem Quartiertreffpunkt ist offenbar gegeben. Ich habe bereits vor Weihnachten Gesprächsbereitschaft signalisiert, um eine Lösung zu finden. Jedoch aktuell nicht in der Soldatenstube.» Geplant ist, dass die Stadtgärtnerei und das Strasseninspektorat das Haus als Materialraum zwischennutzt. «Nach einer Notstabilisierung wird dies tolerierbar sein.»

Die drohende Besetzung des Eichwäldli sorgt für ein Déjà-vu: Erst im Frühling hatten Linksautonome eine städtische Liegenschaft unterhalb der Museggmauer in Beschlag genommen und in der Folge eine Zwischennutzung im alten Stellwerk am Freigleis erwirkt. Der Stadtrat verzichtete damals auf eine Anzeige und musste sich vorwerfen lassen, er habe sich erpressbar gemacht und zu lange zugewartet.

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