notifications
Luzern

Stadt Luzern will Eltern über Drogen- und Mischkonsum unter Jugendlichen aufklären

Vier Jugendliche sind in den vergangenen zwei Jahren an einem Drogencocktail gestorben. Nun will die Stadt Luzern Eltern und Lehrpersonen mit einem Referat sensibilisieren.
Unter Jugendlichen werden vermehrt rezeptpflichtige Medikamente, psychoaktive Substanzen wie MDMA und codeinhaltige Hustenmittel genommen. (Bild: Luzerner Polizei)
Christina Reusser leitet den Bereich Kinder-, Jugend- und Familienberatung der Stadt Luzern. (Bild: PD)
Dr. med. Toni Berthel, Suchtmediziner und Psychiater in Zürich, ist der ehemalige Präsident der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen. (Bild: PD)

Sophie Küsterling

Sophie Küsterling

Sophie Küsterling

Innert zwei Jahren sind in Luzern vier Jugendliche nach der Einnahme eines Drogen- und Medikamentencocktails gestorben. Grund genug, um die Frage zu stellen: Hat Luzern ein Drogenproblem? Nein, sagt Christina Reusser, Bereichsleiterin Kinder-, Jugend- und Familienberatung der Stadt Luzern.

«Wir reden noch von Einzelfällen. Trotzdem: Jeder Todesfall ist einer zu viel.»

Auch Toni Berthel, Psychiater und Suchtmediziner in Zürich glaubt nicht, dass Luzern ein Problem hat: «Psychoaktive Substanzen werden in der ganzen Schweiz und Welt konsumiert, Jugendliche haben schon immer gewisse Mittel ausprobiert.» Der Konsum hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber gewandelt, heute werden Substanzen wie Hustenmittel, die das Opioid Codein beinhalten, MDMA, Cannabis, das Morphinderivat Oxycodon und Xanax genommen. Es ist eine neue Form des Konsums entstanden: der Mischkonsum.

Der Mischkonsum ist die Gefahr

«Der Monokonsum von psychoaktiven Substanzen ist zwar nicht so gesund, aber nicht gefährlich. Niemand stirbt an einer Überdosierung von Cannabis», erklärt Berthel. Anders sieht es beim Mischkonsum aus. Wird beispielsweise Xanax, ein Benzodiazepin, in Kombination mit einem codeinhaltigen Hustenmittel genommen, kann es sehr plötzlich zu einer Überdosierung kommen. Da die Stoffe auf das Atemzentrum wirken, kommt es zu Atemnot oder Atemstillstand. Die Zahl von Personen, die zur Kombinationskonsumgruppe gehörten, sei aber relativ tief, so Berthel.

Ein Einwegrezept wie Eltern erkennen können, ob ihre Kinder im Kontakt mit Drogen sind, gibt es nicht. Wird eine Verhaltensänderung wie Rückzug, Leistungsabfall oder eine Veränderung im Freundeskreis beobachtet, raten Reusser und Berthel, das Gespräch mit den Jugendlichen zu suchen. Grund dafür müssen nicht unbedingt Drogen sein, auch depressive Verstimmungen, Leistungsdruck, körperliche Veränderungen oder die Suche nach der eigenen Identität können Jugendlichen zu schaffen machen.

Wichtig sei, dass Eltern bei einem Verdacht nicht zu Drogenschnüfflern würden, betont der Suchtmediziner Berthel. «Das Verhältnis soll gut und das Vertrauen da bleiben. Das Zimmer durchsuchen ist da nicht gerade vertrauensfördernd.» Werden dennoch Drogen gefunden, muss dies angesprochen werden. Reusser sagt:

«Dass man etwas sagt, ist richtig und wichtig. Aber herauszufinden wie man konfrontiert, ist genauso wichtig.»

Hierfür können sich Eltern an verschiedene Beratungsstellen wie die Kinder-, Jugend und Familienberatung der Stadt Luzern wenden. «Die Rückmeldungen zeigen, dass die Beratung hilft. Wir tangieren in solchen Gesprächen viele Probleme und helfen der Familiensituation im Allgemeinen. Die Jugendlichen konsumieren in der Regel ja nicht, weil alles so super ist, sondern als Entlastung», erklärt Reusser.

Zudem betonen Christina Reusser und Toni Berthel, dass nicht jeder Konsum gleich eine Sucht ist. «Viele Jugendliche haben keine Sucht, sondern ein akutes Problem. Sie nehmen deshalb kurzzeitig Substanzen und zu viel davon. Wir reden hier von einem problematischen Konsum, der in einer Sucht enden kann», erklärt Berthel. Eine Sucht ist ein Prozess. Anzeichen, dass eine am Entstehen ist, sind die Entwicklung einer Toleranz, dass trotz dadurch entstehender sozialer, körperlicher und seelischer Probleme weiter konsumiert wird oder Entzugserscheinungen.

Stadt Luzern veranstaltet Referat zur Sensibilisierung

Vor allem unter Eltern und Lehrpersonen herrscht viel Verunsicherung zum Thema Drogen. «Mit jedem Zeitungsartikel, jedem Todesfall erhalten wir mehr Anfragen von besorgten Lehrpersonen und Eltern», sagt Christina Reusser. Deswegen organisiert die Stadt Luzern am Donnerstag, 27. August, ein Referat zum Drogenkonsum unter Jugendlichen, das Eltern, Lehrpersonen und Interessierte aufklären und ihre Fragen beantworten soll. «Ich erhoffe mir, dass die Besucherinnen und Besucher beruhigter heimgehen und wissen, wohin sie sich wenden können», sagt Reusser.

Nebst Oliver Bilke-Hentsch, dem Leiter Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste der Luzerner Psychiatrie und dem Verein Kirchliche Gassenarbeit referiert auch Toni Berthel. Den Mehrwert einer solchen Veranstaltung sieht er in der Kompetenzen-Erweiterung der Eltern sowie der Jugendlichen. «Der Konsum von Drogen ist eine kulturelle Gegebenheit. Die Frage ist, wie die Gesellschaft damit umgeht. Der erste Schritt ist das Hinschauen und Wahrnehmen. Zudem müssen Jugendliche und Eltern so viel Verantwortung übernehmen wie möglich, und da zeigt sich, dass nur gut informierte Menschen bessere Entscheidungen treffen können.»

Hinweis: Die Veranstaltung «Im (Alb)Traum des Rausches. Jugendliche und die Versuchung der Drogen» ist eine öffentliche Veranstaltung und findet am Donnerstag, 27. August, um 19.30 Uhr, im Neubad Luzern statt. Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Voranmeldung möglich. Die Platzzahl ist beschränkt, die Hygiene- und Verhaltensregeln des BAG gelten.

Kommentare (0)