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Curaviva Obwalden

«Spätzli und Ragout püriert geht gar nicht»

Markus Biedermann, diplomierter Küchenchef, Gerontologe und früherer Heimleiter, referierte über Qualität und Begeisterung rund um Verpflegung im Alter. So humorvoll und inspirierend, dass das Publikum im «Huwel» in Kerns ihm nachsah, dass er die Zeit überzog.

«In der Schweiz hat kaum einer die Care-Gastronomie so geprägt wie unser Gast», begrüsste Markus Thalmann, Leiter der Betagtensiedlung Huwel, den mehrfachen Buchautor Markus Biedermann. Dieser weiss, wie Essen das Zusammenleben fördert, den Tagesablauf strukturiert, Gesprächsstoff liefert und Erinnerungen weckt. «Kochen ist eine der heikelsten Aufgaben.» Ob in Partnerschaft oder Familie, für Verwandte oder Heimbewohner, man müsse sich immer aufs Publikum einlassen.

Markus Biedermann referierte im «Huwel» in Kerns. 
Bild: Bild: zvg

Er arbeitete mit vielen praktischen Beispielen. Wer Kau- oder Schluckstörungen habe, brauche zerkleinerte Nahrung. «Aber Spätzli und Ragout püriert, geht gar nicht.» Pürieren ja, aber den Lebensmitteln wieder Form geben. Mit einem Frühstücks- oder Salat-Buffet könne man kreativ Gedankentraining, Aktivierung oder gegenseitige Rücksichtnahme verbinden. «Bewohnerinnen und Bewohner sollten nicht etwas essen müssen, nur weil sie keine Wahl haben.» Wie jene Mutter, die zum Entsetzen ihrer Tochter mehrfach pro Woche Griessbrei genoss. Die Erklärung: Ihr Mann hatte ihr früher das Kochen solch süsser Speisen untersagt.

Essen weckt Erinnerungen

Essen soll Selbstverantwortung fördern. Er habe schon mal mit 250 Leuten den Menüplan erstellt. Auch demente Personen seien sehr affin auf Details. Ein besonderes Aroma hole frühere Situationen zurück, eine Berner Platte wecke Emotionen und Freude. Und mit Erinnerungen ans Essen von damals seien Geschichten und Lebensumstände verbunden – wie ans Kaninchenragout, welches seine Mutter warum auch immer nach persischer Art gekocht habe.

Wer in eine Betagten-Institution eintrete, habe viel Vergangenheit hinter und viel weniger Zukunft vor sich. Mit erfüllten Wünschen könne man ihnen Freude bereiten. Saisonale Lebensmittel zeigten ihnen die Jahreszeit an. «Sie sollen sich am Muttertag über frische Erdbeeren freuen, nicht an Weihnachten.» Eine farbige Garnitur motiviere eher, gesund zu essen, als wenn 30-jährige Angestellte 90-Jährigen sagten, ohne Abwechslung auf dem Teller würden sie nicht alt.

Mit Kochen am Bett, regenerierten Aufwärm-Gerichten zu «Unzeiten» in der Nacht oder dem Herstellen von frischen Säften auf der Abteilung verführe man auch demente Personen immer aufs Neue. «Wir wollen für deren kurze Zeit handeln und das Beste geben.» Der Abend endete mit einem Apéro und viel Gesprächsstoff. (zvg)

Der nächste Anlass der Veranstaltungsreihe des Heimverbandes Curaviva Obwalden findet am Dienstag, 7. November 2023, statt. Felsenheim, Sachseln, Lebensart im Alter. Mehr Informationen unter www.curaviva-ow.ch/events.

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