Vereinzelt klimpert eine Tasse auf einer Untertasse, es ist zu hören, wie eine Seite umgeblättert wird oder wie jemand die Sitzposition wechselt. Sonst: Ruhe. Keine Musik, kein Flüstern. Nur ein paar Strassen- oder Lüftungsgeräusche dringen in den Raum. Rund ein Dutzend Teilnehmende sitzen während einer Stunde in ihre Bücher und E-Reader vertieft da und lesen. Bei dieser Veranstaltung im «BUK», einer Buchhandlung mit Café an der Luzerner Bruchstrasse, handelt es sich um eine sogenannte Silent Reading Party. Im Gegensatz zu einem Buchclub lesen die Teilnehmenden nicht alle dasselbe Buch, um anschliessend darüber zu diskutieren, sondern was gerade auf der persönlichen Leseliste steht. Was macht den Reiz einer solchen Leserunde aus?
Weniger Ablenkung, bessere Konzentration
Die Freundinnen Seraina (32) aus Kriens und Ilona (26) aus Luzern nahmen zum ersten Mal an einem solchen Event teil und sind auch erstmals in dieser Buchhandlung. «Es war schön, in meiner Ruhe zu sein, mit anderen zu schweigen und zu lesen», sagt Seraina. Sie habe früher viel gelesen, das sei aber etwas eingebrochen, erzählt sie. Der Event habe sie nun wieder dazu animiert. Ilona hat sich in ein Buch für einen Buchclub vertieft: «Es fiel mir zuvor schwer, dranzubleiben. 20 Minuten im Zug mit Musik auf dem Ohr sind nicht dasselbe.»
Monika (58) aus Luzern ist im Team der «Bücherhalle» – dem Buchtausch-Projekt des Neubads – und hat schon eine ähnliche Veranstaltung der «Bücherhalle» im Gleisgarten besucht. «Ich lese so konzentrierter», sagt auch sie. «Zuhause finde ich immer etwas, das ich noch schnell erledigen muss.»
«BUK»-Inhaberin und Geschäftsführerin Luana Betschen will die Leserunde künftig einmal pro Monat anbieten, wenn das Interesse daran bestehen bleibt. «Ich finde es persönlich mega cool», sagt sie zu ihrer Motivation. Und betont ausdrücklich: «Es gibt durchaus Leute, die lesen.» Es sei aber «sonst ein eher einsames Hobby». Die Lesetreffs böten «eine schöne Möglichkeit, lesende Menschen zusammenzubringen und den Austausch untereinander anzustossen – ältere und jüngere, egal ob sie Fachbücher lesen oder Liebesromane.» Denn nach der Leserunde bleibt noch Zeit für Gespräche. Wenn Neukunden durch diesen Anlass ihre Buchhandlung entdecken würden, sei das ein schöner Nebeneffekt.
Über 60 Leute pro «Rave» in Zürich
In anderen Städten ist das Konzept bereits seit Längerem bekannt. So organisiert beispielsweise der Verein Silent Reading Rave aus Zürich entsprechende Partys. Der Verein möchte «die Freude am Lesen zelebrieren und Literatur fördern». Der erste Rave fand bereits 2019 statt. «Das Projekt entstand, weil ich das Bedürfnis hatte, mehr zu lesen», schreibt Initiant Fabian Weingartner auf Anfrage. «Inspiriert von den Silent Reading Partys in den USA habe ich das Konzept in die Schweiz geholt, mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Raves gratis sind.» Gestartet ist er mit sechs Lesenden im Park, heute sind es in Zürich pro Veranstaltung jeweils über 60 Leute. «Sie schätzen, dass wir einen Ort schaffen, wo Stille einkehrt.» Manche fänden es auch toll, immer wieder an anderen Orten zu lesen, etwa auf dem Bauernhof oder in einer Hotelloby.
Auch Betschen hatte die allererste solche Veranstaltung im «BUK» in Zusammenarbeit mit dem Verein veranstaltet. In der rund 90 Quadratmeter grossen Buchhandlung mit Café sammelten sich damals rund 30 Lesende.
Verlage und Festivals springen auf
Verlage haben diese Form von Events ebenfalls auf dem Radar. «Silent Reading Partys sind gerade ein Trend, vor allem bei jüngeren Lesenden in ihren Zwanzigern und Dreissigern», schreibt Mona Lang von «kiwi space» auf Anfrage. «kiwi space» ist ein sogenannter Imprint des Kölner Verlags Kiepenheuer & Witsch. Ein Imprint ist eine Marke, mit welcher ein Verlag auftritt, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Im Programm von «kiwi space» finden sich etwa Romance, Romantasy, Feminist Horror und Sachbücher. Der Imprint hat im «BUK» in Luzern (am 13. November) eine Silent Reading Party veranstaltet und dabei auch seine neuen Bücher vorgestellt. Die Veranstaltung war ausgebucht.
Auch beim etablierten internationalen Literaturfestival Buch Basel, das vom 14. bis 16. November stattfindet, gibt es dieses Jahr einen Silent Reading Rave in Kooperation mit dem Verein aus Zürich. Während zwei Stunden am Sonntag könne «fernab des Festivaltumultes» in einer Turnhalle gemeinsam still gelesen werden, heisst es im Programm.
Treff «gemeinsam lesen»: 20. November um 19 Uhr, Buchhandlung BUK, buk-luzern.ch






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