Evelyne Fischer
Evelyne Fischer
Es war ein Aufschrei in Lila: Am 14. Juni gingen Frauen schweizweit auf die Strasse. In Luzern waren es – je nach Schätzungen – zwischen 3000 und 6000. Ein Auszug aus ihrem Forderungskatalog: Gleichstellung der Geschlechter, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Schluss mit Sexismus am Arbeitsplatz. Das sichtbare Zeichen der lautstarken Bewegung: die zur Faust geballte Hand im Venussymbol.
Bewusst leise, ohne Kampfrhetorik, gibt sich jene Aktion, die am Samstag, 7. September, rund um den Sempachersee vonstattengeht: Tausende Frauen jeglichen Alters sollen sich hier mittags versammeln, Hand in Hand, und sich sichtbar vernetzen. Unter anderem werfen sie einen Kieselstein – symbolisch für eine Perle – in den See.
Die Idee dieser Perlenkette erklärte die Geuenseerin Amanda Jud (60) am Frauenstreik in Luzern wie folgt: «Wenn wir es schaffen, dass sich 16'000 Frauen die Hand reichen, wird das Wellen schlagen, über die Schweiz hinaus.»
Perlenkette als Startschuss für weitere Projekte
Aufgegleist wird die Perlenkette vom neu gegründeten Verein «The Female Collective». An dessen Spitze steht Amanda Jud, Kinesiologin, ausgebildete Primarlehrerin und dreifache Mutter. Gemäss der Webseite will sich das Frauennetzwerk für eine «friedliche, nachhaltige Welt in Freiheit und Gleichheit» einsetzen. Mit der Perlenkette initiiert der Verein seine Projekttätigkeit. Das wichtigste Anliegen: Frauen sollen sich ihres eigenen Wertes bewusst sein und die Wertschätzung, beispielsweise für Betreuungs- und Pflegearbeit, auch einfordern. Amanda Jud sagt:
«Insbesondere Mütter und Familien sollen für ihre Leistung eine Lobby erhalten.»
Entstanden ist «The Female Collective» aus einem Kernteam von zehn Frauen, dem auch Patricia Flury (31) aus Sursee angehört. Die Gesangslehrerin und Musikerin, die keine eigenen Kinder hat, sagt: «Die Zeit ist reif, um zu zeigen, wer wir sind und was wir leisten.» 30 Frauen aus dem Raum Sursee – von der Polizistin über die Therapeutin bis hin zur Hebamme – trafen sich im März zu einem ersten Brainstorming. Bei einem Kick-off-Event im Juni waren es schon 100. Und bald also sollen es 16'000 sein? «So viele Frauen braucht es, um die 20 Kilometer rund um den See abzudecken», sagt Amanda Jud.
«Die Zahl ist zweitrangig. Wichtig ist jede einzelne, die hinsteht.»
Das Frauenstreik-Komitee Luzern begrüsst die Aktion: «Wir finden das Projekt eine schöne Idee und ambitioniert, was die Anzahl Frauen angeht», sagt Sprecherin Jana Avanzini. «Schön, hat der Streik vom 14. Juni zu weiteren Aktionen motiviert.» Das Komitee macht auf seinen Kanälen auf die Perlenkette aufmerksam, einzelne Mitglieder werden auch daran teilnehmen.
«Religiöser Kontext gehört zu unserer Kultur»
Wer bei der Perlenkette mitmacht, wird gebeten, in weisser Kleidung zu erscheinen – zwecks Verbundenheit mit den weltweiten Friedensbewegungen. Auch wird an jenem Samstag gemeinsam Susanna Maeders Lied «Lilith & Eva» gesungen: Während Eva bekanntlich Adams Rippe entstammt, gilt Lilith einer jüdischen Legende nach als Adams erste Frau, die wie er aus Lehm erschaffen wurde. Eva steht für die fürsorgliche Mutter im Patriarchat, Lilith hingegen verkörpert die selbstbewusste, gleichberechtigte Weiblichkeit. «Jede Frau soll wissen, dass auch Lilith Platz hat. Junge Männer sind heutzutage oft überlastet mit der alleinigen Verantwortung für die Familie», sagt Amanda Jud.
Lenkt ein solches Lied nicht von den eigentlichen Anliegen ab? Jud verneint. «Wir wollen nicht ins Esoterische abdriften», sagt sie.
«Der religiöse Kontext gehört zu unserer Kultur.»
Amanda Jud verweist auf das Matriarchat, das heute noch in einzelnen Völkern überlebt hat. «Die Bewegung muss von unten her wachsen. Es braucht Frauensolidarität. Wir können nicht länger erwarten, dass eine gesunde Veränderung von der Politik oder von den Männern kommt.» Und Patricia Flury ergänzt: «Wir sind überzeugt, dass wir gerade mit dieser entspannten, weiblichen Herangehensweise etwas bewirken können.»
Auch das Frauenstreik-Komitee ist überzeugt: Der Einsatz für die Gleichstellung ist auf allen Ebenen wichtig, auch im religiösen Kontext. «Die einen tun es laut, die anderen leise», sagt Jana Avanzini. Zum Auftritt in Weiss meint sie. «Diskussionen über das Erscheinungsbild sind weder relevant noch zielführend», sagt Avanzini. «Wer Frauen, die für Gleichstellung kämpfen, sich vernetzen und ein Zeichen setzen, nicht ernst nimmt, weil sie weiss tragen, der hat das Konzept von Gleichstellung nicht verstanden.»
Hinweis: Mehr zum Frauennetzwerk gibts unter www.thefemalecollective.org. Infos zur Gewerbeschau Dynamo Sempachersee finden Sie unter www.dynamosempachersee.ch.