notifications
Luzern

Sie war 20 Jahre lang Sozialvorsteherin und Kulturbeauftragte: Ende Monat tritt Annelies Schmid als Gemeinderätin von Egolzwil zurück

Annelies Schmid war stets bestrebt, ein offenes Ohr für andere Leute zu haben und wollte Freude im Dorf bereiten. Nun geht die Amtszeit der 59-Jährigen dem Ende zu.
Annelies Schmid versucht sich im Bewegungspark Playfit. Sie ist sich sicher: Nach ihrer Amtszeit wird sie selbst des Öfteren hier anzutreffen sein. (Bild: Pius Amrein (Egolzwil, 20. August 2020))
Annelies Schmid tritt Ende als Gemeinderätin ab. 20 Jahre lang war sie Sozialvorsteherin und Kulturbeauftragte. (Bild: Pius Amrein (Egolzwil, 20. August 2020))

Livia Fischer

Livia Fischer

Livia Fischer

Die letzten Wochen waren für Annelies Schmid besonders stressig. «Ich hatte viel um die Ohren, musste diverse Aufgaben abschliessen und Vorbereitungen für die Nachfolger meiner Ämter treffen, damit sie einen möglichst guten Start haben», sagt die Sozialvorsteherin und Kulturbeauftragte der Gemeinde Egolzwil wenige Tage vor ihrem Rücktritt. Zeit für ein Gespräch hat sie sich trotzdem genommen.

Gleich zu Beginn stellt sie klar, dass sie sich nicht gerne in den Vordergrund dränge – seit jeher hat sie ein grosses Herz für andere Menschen, und vor allem auch für Benachteiligte. Als Ort für das Foto für unsere Zeitung wählte sie daher den Playfit Bewegungspark, ein Platz mit Fitnessgeräten in Egolzwil, der für alle frei zugänglich ist, aus – eines ihrer letzten Projekte als Gemeinderätin.

Zurück im Sitzungszimmer in der Gemeindeverwaltung ist Schmid über einen Artikel gebeugt. Vor ihr liegt ein Ausschnitt aus unserer Zeitung, am 7.2.2000 haben wir erstmals über die heute 59-Jährige berichtet. «Die CVP Egolzwil hat für die Gemeinderatswahlen an Stelle des zurücktretenden Jakob Lütolf-Kronenberg aus zwei Bewerbern Annelies Schmid-Schärli als neue Sozialvorsteherin nominiert», steht da.

Mit einem Lächeln im Gesicht sagt Schmid: «Daran kann ich mich noch gut erinnern. Die Zeit ist unglaublich schnell verflogen, das realisiere ich erst jetzt so richtig.»

Die Wahl in den Gemeinderat vor 20 Jahren war für sie gleich doppelt speziell. Nicht nur war sie in Egolzwil die erste Frau im Amt, sondern auch eine Auswärtige. Zumindest ursprünglich – 1988 war sie mit ihrem Mann nach Egolzwil gezogen, unter anderem angezogen von der «weitaus schönsten Kirche, die es gibt». Aufgewachsen ist das ehemalige Mitglied des Kirchenchors und die Präsidentin der Spitex Wauwil-Egolzwil in Hergiswil am Napf.

Viel Durchhaltewillen ist das A und O

Die Herkunft ist für ihren Beruf entscheidend – «ganz einfach» in einer Grossfamilie auf einem Bauernhof aufgewachsen, war ein guter Zusammenhalt stets zentral. «Das hat mich in meinem Handeln sehr geprägt», sagt die Mutter zweier Töchter. Bevor sie Sozialvorsteherin wurde, arbeitete sie als Schadeninspektorin bei einer Lebensversicherung. Eine gute Vorbereitung auf den folgenden Beruf, denn: «Schon da hatte ich viel mit Menschen zu tun, die nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens standen.»

Das Leid jener Menschen habe sich in den letzten Jahren verstärkt, die Anzahl der komplexen Sozialhilfefälle zugenommen.

«Es gibt immer mehr Leute, die kein stabiles Umfeld haben und den Bezug zur Realität verlieren. Oftmals wird ihnen dann auch das Teilhaben in der Gesellschaft verwehrt, das finde ich besonders traurig.»

Schmids Ziel war immer, den Hilfesuchenden mit Rat und Tat beizustehen. Etwas, das viel Durchhaltewillen abverlangt. Schliesslich brauche es viel Zeit, um Vertrauen aufzubauen.

Lügen, die ein ganzes Buch füllen würden

«Wenn ich dann jemandem helfen konnte, wieder auf die richtige Bahn zu kommen, war das eines der schönsten Gefühle überhaupt», sagt Schmid. Und eine Klientin ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben. «Nachdem ich sie durch eine sehr schwierige Zeit begleitet hatte, schickte sie mir als Dank einen Blumenstrauss. Der war ganz wunderbar und ich habe mich sehr darüber gefreut.» Rund drei Monate später hat sich der Besitzer des Blumenladens jedoch bei Schmid gemeldet; die Blumen seien nie bezahlt worden. «Ich habe dann mit meiner Klientin Kontakt aufgenommen, mich bedankt und ihr aber gesagt, dass ein fester Händedruck fürs nächste Mal auch reiche», sagt sie und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Den Blumenstrauss hat sie letztlich selbst berappt.

Obwohl Schmid im Beruf so manchem «Schlingel» begegnet ist – «einige waren Meister im Lügen; über all die Ausreden, die ich gehört habe, könnte ich ein Buch schreiben» – hat sie ihren Job immer mit viel Freude und voller Herzblut gemacht. Trotzdem freut sie sich auf das Ende ihrer Amtszeit. «Nach 20 Jahren ist das ein natürlicher Rücktritt. Ich wusste schon zu Beginn dieser Legislatur, dass danach Schluss sein wird.»

Zeit für die Familie und Hobbys

Pläne für den Ruhestand hat die Naturliebhaberin schon genügend: Campen, mehrtägige Velotouren machen und sich für Freiwilligenarbeit engagieren. Und das Wichtigste: «Meine Familie und Verwandten haben mir jahrelang den Rücken gestärkt und überall ausgeholfen, wenn ich stark in meine Arbeit eingebunden war. Jetzt möchte ich ihnen etwas zurückgeben und ihnen Zeit schenken.»

Ein bisschen Wehmut schwingt dennoch mit. «Am meisten werde ich etwa das Organisieren von Kulturanlässen wie dem Neujahrsapéro, die Teilnahme an Jubilarenfeiern oder die Lagerbesuche der Jubla vermissen. Da konnte man immer so viel Freude vermitteln», sagt Schmid. Doch der Gedanke, dass sie «ja immer noch im Dorf ist» und «die Vernetzung bestehen bleibt», ist tröstlich.

Kommentare (0)