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Zug

Seitenblick: Drosophila-Déjà-vu

Unsere Autorin schwärmt vom neuen Studium und den daraus resultierenden Lektionen fürs Leben.
Vanessa Varisco. (Bild: Werner Schelbert)

Vanessa Varisco

Seit zwei Wochen studiere ich Biologie, nachdem ich meinen Germanistik- und Politikwissenschaftsabschluss endlich eingetütet habe. Im ersten Biologieexperiment sollten wir Fruchtfliegen kreuzen, um die Vererbung von Merkmalen über Generationen zu beobachten. Ein Klassiker unter den Genetikexperimenten. So habe ich dasselbe Experiment vor sieben Jahren an der Kanti gemacht. Liebe Grüsse an meinen Biolehrer, Herrn Cerletti!

Das Experiment vor sieben Jahren ging gründlich in die Hose. Ich arbeitete mit meinem Schulschwarm zusammen und war vor lauter überschäumender Gefühle ungewöhnlich aufgekratzt. Weshalb ich die armen Drosophilae melanogaster, so der Name der Tierchen, die gern um eine Schale Obst kreisen, für die Auszählung mit zu viel Äther betäubte und sie nie mehr erwachten. Das ist nicht lustig! Die Liebelei zu meinem Schwarm endete ähnlich ungeschickt - war aber weitaus weniger tödlich.

Zurück in die Gegenwart. Als ich in diesem Labor stand, kam ich nicht umhin mich zu fragen, ob ich in sieben Jahren wieder an einem Tisch stehen und Fruchtfliegen kreuzen, betäuben sowie auszählen werde. Nun: Ich hoffe es. Denn das hiesse, dass ich immer wieder den Mut finden würde, scheinbar unkonventionelle, aber mich erfüllende Wege zu beschreiten.

Ich würde in diesen Tagen keine Fruchtfliegen kreuzen, hätte ich mich nicht für ein zweites Studiumentschieden. Und den Satz «Du könntest dich doch jetzt einfach entspannen und dem Berufsleben widmen» habe ich oft gehört. Aber, liebe Leserinnen und Leser, ich habe so unverschämt viel Spass beim Biostudium. Sie können sich kaum vorstellen, welch breites Grinsen mir nach jeder Vorlesung auf den Lippen hängt.

All der Aufwand, die Rechenunsicherheiten, die Momente, in denen ich mit gerunzelter Stirn vor einer Reaktionsgleichung sitze, sind es wert. Denn ich bin fasziniert. Wieder verliebt könnte man sagen. Das Fruchtfliegen-Déjà-vu war jener Moment, in dem mir das bewusst wurde und ich dankbar war. Für die letzten sieben Jahre, meine Entscheidungen, den Mut und die Freude am Leben. Deshalb hoffe ich auf weitere Drosophilae-Kreuzungen und wünsche Ihnen Ihre eigenen Fruchtfliegenmomente. Zum Innehalten und Geniessen.

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