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Obwalden

Segnung auf der Baustelle: «Die heilige Barbara wacht über uns»

Es war ein feierlicher Moment. Die Figur der heiligen Barbara wurde am Freitag auf der Baustelle des A8-Tunnels Kaiserstuhl gesegnet. Ein Diakon hielt die Zeremonie extra für die Mineure ab. Denn sie setzten sich hier täglich einem Risiko aus.
Diakon Elmar Rotzer segnet die Mineure. Das soll ihnen Schutz geben. (Bilder: Anian Heierli
(Giswil, 26. März 2021))
Ein Moment der Stille: Die Mineure bitten die heilige Barbara um Schutz.
Mountainbike-Profi Alessandra Keller ist Tunnelpatin. Sie verteilt Schokolade an die Mineure. 

Anian Heierli

Anian Heierli

Anian Heierli

Sie wurde von ihrem Vater Dioscuros enthauptet, weil sie sich weigerte, ihren christlichen Glauben aufzugeben. Die Überlieferung der heiligen Barbara ist so grausam wie prägend. Wohl auch deshalb ist sie noch immer eine der populärsten christlichen Heiligen. Als Schutzpatronin der Bergleute wurde die Märtyrerin bereits im Mittelalter verehrt und daran hat sich bis heute nichts geändert.

So fand am Freitag bei der Baustelle des A8-Tunnels Kaiserstuhl – der eine sichere Verbindung zwischen Giswil und Lungern werden soll – die obligate Barbara Segnung statt. Die eindrücklichen Szenen spielen sich zuerst am Nordportal auf Höhe OWI-Land ab und anschliessend ein weiteres Mal beim Südportal am Lungernsee: Feierlich stellt sich Diakon Elmar Rotzer hinter eine kleine Statue der heiligen Barbara.

Er ist umgeben von steilen Felswänden und massiven Baumaschinen. «Sie soll euch begleiten», so der Geistliche. «Und, sie soll euch Schutz geben.» Gebannt hören ihm gut zehn Männer zu. Die meisten sind Mineure der Frutiger Gruppe, die hier täglich «chrampfen».

Für die Arbeiter ist die Barbara das «Wichtigste»

Auf der Baustelle ziehen mehrere Nationen an einem Strang. Unter anderem Italiener, Österreicher, Portugiesen und Schweizer. Der Grossteil ist weit weg von zu Hause. Sie alle nehmen den Diakon ernst. Schnell wird klar: Die Segnung ist wichtig für die Tunnelbauer. Für sie ist das kein Spass. Im Gegenteil. «Die Barbara ist für uns das Wichtigste überhaupt», sagt Robin Lora. «Sie wacht über uns.» Er ist Polier beim Nordportal und stammt aus dem Mölltal im österreichischen Kärnten. Er sagt:

«Wenn eine Firma die Barbara-Segnung nicht macht, laufen ihr die Mineure davon. Dann kommt keiner mehr auf die Baustelle.»

Doch weshalb ist der Brauch so wichtig für ihn und seine Kollegen? «Tunnelbau ist noch immer einer der gefährlichsten Berufe, die es gibt», sagt Lora. «Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man am Feierabend raus geht.» Wassereinbrüche und Niederbrüche sind im Tunnelbau zwar nicht mehr eine so grosse Gefahr wie früher. Dafür gibt es aber immer wieder Arbeitsunfälle. Denn die Männer erledigen ihre Aufgaben oft auf engstem Raum neben grossen Maschinen. Insofern nützt die heilige Barbara, die nun am Tunnelportal in einer beleuchteten Nische steht, sicher etwas. Jeder Arbeiter sieht die Figur, wenn er den Stollen betritt. Dadurch wird er daran erinnert, dass sein Beruf Risiken birgt.

MTB-Profi Alessandra Keller ist Tunnelpatin

Zur Segnung gehört auch die Ernennung der Tunnelpatin. In Obwalden ist das sogar eine Berühmtheit. Fortan übernimmt Mountainbike-Profi Alessandra Keller diese ehrenvolle Aufgabe. Die U23-Weltmeisterin von 2018 und aktive Elite Weltcup-Fahrerin im Crosscountry sagt am Rande der Zeremonie: «Ich bin stolz, dass ich die Tunnelpatin sein darf. Das ist eine grosse Wertschätzung gegenüber den Leuten, die sich hier einem Risiko aussetzen.» Die Sportlerin betont: «Ich habe auch Respekt vor der harten körperlichen Arbeit.» Sie wird nun öfters die Baustelle besuchen. Spätestens am 4. Dezember, dem Gedenktag der heiligen Barbara. Dann feiern die Arbeiter erneut und lassen den Vortrieb für einen Tag ruhen.

Auch Projektleiter Daniel Fanger vom Hoch- und Tiefbauamt Obwalden ist vor Ort. «Das ist eine schöne Tradition, die trotz Zeitdruck praktiziert wird.» Denn gerade am Nordportal gestaltet sich das Vorankommen als schwierig. Das Gestein ist härter als erwartet. Es besteht hauptsächlich aus Kalksandstein. Und weil sieben Meter über dem Stollen quer eine Druckleitung des EWO durch den Berg läuft, muss der Fels auf einem Abschnitt von 50 Metern herausgespitzt werden. «Sprengen würde zu grosse Erschütterungen auslösen», sagt Fanger. Trotz des harten Gesteins ist der Projektleiter zuversichtlich, dass man den Erkundungsstollen aber wie geplant bis Ende August 2022 abschliessen wird (wir berichteten).

Später dient der Erkundungsstollen als Notausgang, wenn es im Tunnel zu einem Unfall kommt. Der anschliessende Untertagbau für den Haupttunnel ist erst auf 2024 geplant. Darin sollen dann auch die Erkenntnisse, die heute gesammelt werden, einfliessen. Die Eröffnung des Haupttunnels erfolgt voraussichtlich 2029. Das Grossprojekt kostet insgesamt 268 Millionen Franken. Der Bund übernimmt den Löwenanteil von 97 Prozent. Die restlichen 3 Prozent werden vom Kanton Obwalden finanziert. Der Kanton Obwalden ist auch für den Bau verantwortlich, übergibt den abgeschlossenen Tunnel zum Betrieb aber später dem Bundesamt für Strassen (Astra).

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