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Obwalden

Sechs Männer in einer tschechischen Beiz

250 Holzschnitte hat die Kernserin Doris Windlin eben gedruckt. Ihre diesjährige 13er-Kunsttreff-Jahresgabe spielt in Žlutice, Tschechien.
Die Künstlerin Doris Windlin präsentiert Druckstock und Holzschnitt zur Jahresgabe 2020 des 13er-Kunsttreffs. (Bild: Romano Cuonz (Kerns, 30. November 2020))

Romano Cuonz

Es ist ein starkes Bild, das die in Kerns aufgewachsene und in Tschechien lebende Künstlerin Doris Windlin als Jahresgabe 2020 für den 13er-Kunsttreff geschaffen hat. Ein Bild, das einen als Betrachter sogleich mitten in ein scheinbar alltägliches und eben gerade deshalb doch ganz besonderes Geschehen mit einbezieht. Auf dem Holzschnitt abgebildet sind sechs Männer. Fünf von ihnen sitzen an Wirtshaustischen. Ein sechster, offensichtlich der Wirt, steht hinter der Theke und zapft Bier. Eigentlich nichts Besonderes. Doch jede dieser Gestalten ist einmalig. Erzählt ihre eigene Geschichte. Die Männer reden, sinnieren oder politisieren – wer weiss es so genau? –, und ein alter Ofen im Hintergrund lässt ahnen, dass sie sich in dieser warmen, von Rauch verqualmten Beiz wohlfühlen. «Ich begann 1996, Szenen aus der Beiz in Podevousy in Tschechien festzuhalten», schreibt Doris Windlin dazu. Und weiter: «Damals sprach oder verstand ich kaum ein Wort Tschechisch. Ich sass viele Abende mittendrin in der kleinen, verrauchten Beiz, trank Bier wie alle und beobachtete die Leute: Wie sie reden, sich bewegen, artikulieren, ohne sie zu verstehen.» So seien erste «Beizenbilder» entstanden. Aus dieser besonderen Integrationsstrategie erwuchs im Verlauf der Jahre ein eigentlicher Arbeitszyklus mit fortwährend neuen Herausforderungen. Mittlerweile redet sie Tschechisch fast so gut wie ihre Muttersprache, die Obwaldner Mundart. Doris Windlin setzte den Beizenzyklus in Intervallen fort. «2014 stellte ich mir die Aufgabe, direkt in der Beiz Porträts von über 20 Besuchern zu malen», erzählt sie. Ihre «Modelle» durften Bier trinken, sich bewegen oder reden, nur in der Beiz bleiben mussten sie, bis das Bild fertig war. In den Beizen sind im Verlauf der Jahre ebenso Malereien wie Holzschnitte entstanden.

Eine Künstlerin, die sich treu bleibt

«Ich war überrascht und sehr erfreut, als mich der Vorstand des 13er-Kunsttreffs für die Gestaltung einer Jahresgabe anfragte», sagt Doris Windlin. Dies umso mehr, als sie sich in der zeitgenössischen Kunstszene eher wie eine Randfigur vorkomme. «Der Zeitgeist war mir stets egal, und ich habe als Malerin von allem Anfang an mein Ding durchgezogen», hält sie fest. Natürlich sei es schon eine spezielle Herausforderung gewesen, 250 Bilder für die Abonnenten des Kunsttreffs zu schaffen. Sehr willkommen kam Doris Windlin der Ratschlag des mit ihr befreundeten Buochser Druckers Hanspeter Rohner. «Er animierte mich dazu, einen Druckstock für einen Holzschnitt herzustellen», erzählt Windlin. In der auf solche Drucke spezialisierten Rohner-Druck AG in Buochs wurden denn in nur einem Tag die 250 Abzüge hergestellt. Doris Windlin lobt die grosse Professionalität, mit der die Arbeit ausgeführt wurde. Ohne jegliche Fehlschläge! Die Jahresgabe macht viel Freude. Und sie hat auch noch eine willkommene Nebenwirkung: Sie wird dazu beitragen, dass man sich an die begabte Kernser Künstlerin, die seit Jahrzehnten in Tschechien lebt, auch in ihrer Heimat wieder vermehrt erinnert.

Doris Windlin ging kurz nach ihrer Ausbildung am Kunstseminar Luzern nach Tschechien, um die Heimat ihres Lehrers und Vorbilds Radoslav Kutra kennenzulernen. Und auch, um mit ihrem damaligen Lebenspartner zusammen zu sein. Als sie das wunderschöne Land mit all seinen Farben kennenlernte, begann sie es auch zu lieben. Und bald wusste sie, dass sie es wohl nicht so schnell wieder verlassen würde. Vor allem die ländliche Idylle hatte es ihr angetan. «Man verdient dort zwar weniger, doch verspüre ich in diesem Land eine grössere künstlerische Freiheit, als ich sie in der Schweiz hätte», sagt sie. Dieses Jahr konnte Doris Windlin in der tschechischen Kleinstadt Žlutice sogar ein Haus samt Atelier kaufen. Jedoch: Obwohl sie in Tschechien lebt, ist sie Schweizerin geblieben. Jedes Jahr kommt sie für mindestens sechs Wochen nach Obwalden zurück, wo sie in der Malgruppe Experimente 2 (Schule des Sehens) angehende Künstlerinnen und Künstler in die Geheimnisse der Malerei einführt. Sie gehört auch zu jenen 13 Frauen und 5 Männern, die an der «NOW 20» in der Turbine Giswil von einer fünfköpfigen Fachjury für eine Nachfolgeausstellung im nächsten Jahr im Nidwaldner Museum ausgewählt worden sind.

Hinweis: Weitere Auskünfte zur Mitgliedschaft und Jahresgabe des Kunsttreffs unter www.kunsttreff13.ch.

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