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Obwalden

Schulpsychologischer Dienst Obwalden hat immer weniger Zeit für auffällige Kinder

Es werden immer mehr, und sie sind immer jünger: Der Schulpsychologische Dienst muss zunehmend komplexere Fälle von verhaltensauffälligen Kindern bewältigen. Mehr Personal gibt es deswegen nicht.
Sandra Widmer arbeitet mit einer 9-jährigen Schülerin. (Bild: Philipp Unterschütz (Sarnen, 11. September 2018))

Philipp Unterschütz

Auch Kinder reagieren vermehrt auf die teils rasanten gesellschaftlichen Veränderungen. Über lange Zeit ist die Zahl der Kinder, die beim Schulpsychologischen Dienst des Kantons Obwalden angemeldet waren, stetig leicht gestiegen. In den vergangenen drei Jahren hat sie aber deutlich zugenommen. Laut Rechenschaftsbericht der Obwaldner Regierung wurden im Schuljahr 2016/17 insgesamt 312 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Im Bericht heisst es auch: «Die Komplexität der Fälle und die Anzahl jüngerer Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten haben zugenommen.» All diese Entwicklungen werden in anderen Kantonen ebenfalls festgestellt.

Wartezeiten sorgen teils für Unmut

Ins Auge sticht, dass im Rechenschaftsbericht auch erwähnt wird, die steigende Zahl von Fällen müsste mit gleichbleibenden Personalressourcen bearbeitet werden. Man versuche, weniger Zeit pro Fall zu investieren, ohne dass die Qualität leide, bestätigt Sandra Widmer, Leiterin der Schuldienste. Die Wartezeiten hätten vergangenes Jahr rund zwei Monate betragen, was manchmal für Unmut sorge, weil die Anmeldung beim Schulpsychologischen Dienst oft das letzte Mittel für Schule oder Eltern sei. «Aber wir haben einen gesetzlichen Auftrag, wir können nicht einfach weniger Fälle annehmen.» Dieser Auftrag umfasst die Abklärung und die Be­ratung für das weitere Vorgehen, jedoch keine Therapien.

Die Anmeldungen beim Schulpsychologischen Dienst erfolgen in rund 70 Prozent durch die Schulen, mit dem Einverständnis der Eltern. 30 Prozent stammen direkt von Eltern. Betroffen sind tendenziell jüngere Kinder im Kindergartenalter oder aus der ersten Klasse. «Sie zeigen Verhaltensauffälligkeiten, haben oft kein Regelverständnis oder können keine Anweisungen ­befolgen», berichtet Sandra Widmer. Die Volksschule müsse bei Kindern im Alter von 4 bis 9 Jahren eine extreme Bandbreite von unterschiedlich weit entwickelten Fähigkeiten unter einen Hut bringen. Die Gesellschaft wiederum erwarte von der Schule, dass sie die Kinder fit macht für die weitere Ausbildungszeit. «Der Druck auf die Schule und die Eltern ist deutlich grösser geworden. Dadurch wächst die Gefahr, von den Kindern zu viel zu verlangen», so Widmer.

Nur schon eine Reflexion ist bereits ein Erfolg

Der Schulpsychologische Dienst stehe im Dreieck von Schule-Eltern-Kind neutral in der Mitte. «Häufig geht es darum, die unterschiedlichen Erwartungen zu klären, einander genau zuzuhören und dann gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.» All dies erfordere Zeit und Geduld und sei nicht immer angenehm, dafür aber nachhaltig. Grundsätzlich gilt in Obwalden die Haltung «Integration vor Separation.» Das heisst, Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen werden – soweit möglich – integrativ geschult. Dies erfordert eine enge und gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus. Der Schulpsychologische Dienst ist bei jeder Sonderschulung involviert und beantragt die notwenige Unterstützung.

Nach Eingang der Anmeldung versuchen sich die Schulpsychologinnen ein möglichst umfassendes Bild der gegenwärtigen Lebenswelt des Kindes zu machen. Dies geschieht mit Hilfe von Gesprächen, Schulbesuchen und gegebenenfalls mit spielerischen Tests. «Schulpsychologie ist aber weit mehr, als mit den Kindern Tests durchzuführen», betont Sandra Widmer. Die Beratung der Eltern und Lehrpersonen sowie die Präventionsarbeit gehören ebenfalls zum gesetzlichen Auftrag. Die Ergebnisse einer Abklärung werden mit Eltern und Schule besprochen und, wenn nötig, werden Massnahmen empfohlen. «Wenn nur schon eine Reflexion aller Beteiligten stattfindet und sich das Bewusstsein für die Problematik des Kindes ändert, ist das bereits ein wichtiger Erfolg», sagt Sandra Widmer. «Wir müssen uns immer bewusst sein, dass Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht.»

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