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Zug

«Schläger von Baar» vor dem Zuger Obergericht

Gut anderthalb Jahre ist es her, dass vor der Postfiliale in Baar am helllichten Tag ein heute 36-Jähriger eine Frau und deren Schwiegertochter verprügelte. Wie die Berufungsverhandlung am Donnerstag zeigte, lebt er noch immer in seiner eigenen Welt.

Auch einfache Fragen kann der 36-Jährige nicht einfach beantworten. Wie es ihm in der Sicherheitshaft ergehe, wollte der Oberrichter an der Berufungsverhandlung am Donnerstag wissen. Eigentlich fühle er sich ganz wohl, nur den Putzjob habe er nicht erhalten, weshalb nun im Rapport stehe, dass er keine Arbeit wolle. Und ja, dann habe es diesen einen Vorfall gegeben, da sei bei einem Familienbesuch übermässig kontrolliert worden, das habe ihn stutzig gemacht. Auch dass der Mitgefangene ins Spital gekommen sei, dieser habe ihn zuvor bedroht. Angefangen habe eigentlich alles mit diesem herzigen Hündchen, das er selbst gezeichnet und an die Wand gehängt habe, deswegen habe der Andere wohl angefangen, den Respekt zu verlieren. Und die Sache mit dem Direktor, das sei wegen seines Tinnitus. Und so weiter – bis der Richter wieder eingreifen muss.

Schon an der Strafgerichtsverhandlung letzten Juli war es so gewesen. Da war gegen den 36-Jährigen entsprechend der Empfehlung des Gutachters die sogenannte kleine Verwahrung ausgesprochen worden. Er muss solange in eine geschlossene Einrichtung, bis seine paranoide Schizophrenie, wegen der er als schuldunfähig eingestuft worden war, geheilt ist.

Vor anderthalb Jahren, im August 2017, hatte er am helllichten Tag vor der Postfiliale in Baar eine junge Frau und deren Stieftochter angegriffen. Nach seiner Interpretation war er von den beiden und der Clique über Jahre verfolgt worden, überall sah er Zeichen dafür. Die Frau ging zu Boden, er trat auf sie ein. Nur Passanten konnten ihn stoppen. Der Fall sorgte schweizweit für Bestürzung. Eines hat der Verteidiger nun jedenfalls vor dem Obergericht aufgegeben, nämlich den Versuch nachzuweisen, dass sein Mandant in einem Art Notwehrexzess gehandelt habe. Vielmehr liess er ein eigenes Gutachten erstellen.

Hinweise auf Aspergersyndrom

Die Privatgutachterin kommt anscheinend zum Schluss, dass eine paranoide Schizophrenie nicht auszuschliessen ist, jedoch viele Verhaltensweisen des Angeklagten vielmehr auf ein Aspergersyndrom hinweisen würden. Etwa seine Intelligenz, aber gleichzeitig die mangelnde Fähigkeit den Kontext intuitiv zu erkennen. Das Ziel der Verteidigung ist das gleiche. Dem 36-Jährigen soll die Verwahrung erspart bleiben, stattdessen soll es nur eine Behandlung im ambulanten Stil geben. Denn alles andere wäre, wie wenn jemand das linke Bein verletzt habe und der Arzt stattdessen das Rechte verarzten würde – so eines der vielen Bilder, die der Verteidiger bemühte. Er verlangt eine neue Begutachtung.

Das Gericht indes hatte den Gerichtsgutachter bereits Stellung zum Privatgutachten nehmen lassen. Er sieht keinen Grund, seine Diagnose zu revidieren. Dem stimmte der Staatsanwalt zu. Es sei lediglich ein neuer Aspekt aufgezeigt, die Schizophrenie aber nicht in Frage gestellt worden. Auch seien im Privatgutachten nicht die wichtigen Fragen der Sicherheit und der Rückfallgefahr geklärt worden. Denn diese sei beim Angeklagten hoch, entsprechend müsse die Öffentlichkeit geschützt werden. Ausserdem bedeute eine stationäre Behandlung nicht, dass nicht auch Verschiedenes behandelt werden könne. Nun muss das Gericht entscheiden. Das Urteil wird schriftlich eröffnet.

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