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Luzern

Rückschlag im Archäologiestreit – trotzdem hält der Kanton Luzern an seiner Klage fest

Der emeritierte Professor der Kirchenarchäologie, Hans Rudolf Sennhauser, hält Dokumentationen zurück und kommt vor Gericht damit durch. Doch Luzern will nicht aufgeben.
Die Johanniterkommende in Hohenrain. Hier wurden in den 1970er-Jahren archäologische Ausgrabungen gemacht. Doch die Dokumentationen dazu liegen in Bad Zurzach. (Bild: Manuela Jans-Koch, 6. Dezember 2018)

Susanne Balli

Der Luzerner Kantonsarchäologe Jürg Manser hat lange auf dieses Urteil des Aargauer Obergerichts gewartet. Jetzt ist es gefallen, und es bereitet ihm keine Freude. Aber der Reihe nach:

Der Kanton St. Gallen befindet sich – ebenso wie der Kanton Luzern – in einem jahrelangen Streit mit dem emeritierten Professor für Kirchenarchäologie Hans Rudolf Sennhauser (88) (siehe Kasten unten). St. Gallen wollte sich vor Gericht Dokumentationen zu archäologischen Grabungen des als Weltkulturerbe eingestuften Klosterbezirks in der Kathedrale St. Gallen erstreiten. Die Grabungen wurden in den 1960er-Jahren unter der Leitung von Sennhauser durchgeführt.

Dokumentationen bleiben in Bad Zurzach

Nun ist der Kanton St. Gallen vor dem Aargauer Obergericht abgeblitzt; dieses hat das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zurzach gekippt. Das heisst, die archäologischen Dokumentationen zum Klosterbezirk St. Gallen bleiben im Besitz der in Bad Zurzach ansässigen «Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter», die Sennhauser präsidiert.

Das Aargauer Obergericht verneint, dass die Dokumentation der Ausgrabungen zwingend zu den Fundstücken gehört, die Sennhauser 2014 aufgrund der in diesem Punkt eindeutigen Bundesgesetzgebung an St. Gallen aushändigte. Zudem urteilt das Gericht, Forderungen aus einem allfälligen Vertragsverhältnis zwischen dem Kanton St. Gallen und Sennhauser seien mittlerweile verjährt. St. Gallen verzichtet darauf, den Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen.

Der Luzerner Kantonsarchäologe Jürg Manser hatte darauf gehofft, dass St. Gallen im Archäologiestreit obsiegt, und Sennhauser die Dokumentationen herausrücken muss. Denn der Kanton Luzern hat 2013 ebenfalls eine Klage eingereicht, um Sennhausers Stiftung zur Herausgabe der Grabungsdokumentation zur Johanniterkommende Hohenrain zu zwingen. Ein Urteil zu Gunsten von St. Gallen hätte den Kanton Luzern in seiner hängigen Klage gegen Sennhausers Stiftung bestärkt.

«Wissenschaftliche Arbeit in massivster Weise beeinträchtigt»

Aus inhaltlicher und archäologischer Sicht könne er das Urteil nicht nachvollziehen, sagt Manser. «Archäologische Fundstücke und die dazu gehörigen Grabungsdokumentationen in Form von Zeichnungen, Fotografien und Berichten bilden eine Einheit. Wenn diese aufgebrochen wird, ist die wissenschaftliche Arbeit in massivster Weise beeinträchtigt.» Doch wenn das Gesetz diese Einheit nicht vorsehe, dann sei das halt aus juristischer Sicht so. Manser findet es zudem «bedauerlich», dass der Kanton St. Gallen das Urteil nicht weiterzieht. «Ein höchstinstanzliches Urteil wäre dringend nötig gewesen, um diese Frage endlich zu klären.»

Trotz der Niederlage von St. Gallen rechnet sich Manser Chancen für die Klage des Kantons Luzern gegen Sennhausers Stiftung aus. Jeder Fall sei anders gelagert. «Wir kämpfen seit zehn Jahren für die Herausgabe der Dokumentationen und geben uns nicht geschlagen.» Dabei gehe es nicht um die Archäologen und die Archäologie an sich, sondern darum, dass «die Geschichte allen gehört. Es kann nicht sein, dass jemand anderer als die öffentliche Hand die Kontrolle darüber hat». Der Kanton Luzern habe die Ausgrabungen in den 70er-Jahren in Auftrag gegeben und mit Steuergeldern bezahlt, die Ergebnisse aber nie erhalten. Manser fügt an: «Besonders haarsträubend ist es, dass die Dokumentationen in Bad Zurzach aus archivarischer Sicht nicht sicher aufbewahrt sind.»

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