Romano Cuonz
Romano Cuonz
«Seit der Aufhebung der Poststelle Sachseln ist auf keinem einzigen Brief oder Päckchen mehr ein Stempel mit ‹6072 Sachseln› zu sehen», bedauerte Christopher Dove, Präsident des Obwaldner Philatelistenvereins. Aber es sollte – wie er nur zu gut wusste – gar noch schlimmer kommen: Die Post hat nämlich beschlossen, dass jeder nicht mehr gebrauchte Stempel vernichtet werden muss. «Dies», so Dove, «weil Briefmarken früher oftmals mit zurückdatierten Stempeln wertvoller gemacht worden sind – zweifellos ein arger Missbrauch!»
Jedoch: Ein Vereinsmitglied aus Sachseln wollte dieses «Fait accompli» auf gar keinen Fall hinnehmen: David Baggenstos. Vor allem den einmaligen Sonderstempel mit dem Aufdruck «6072 SACHSELN – Mittelpunkt der Schweiz» sollte vor der Zerstörung bewahrt werden. «Nachdem wir Obwaldner Philatelisten mit all unseren Bitten bei den ‹Gewaltigen› der PTT auf Granit gebissen hatten, bat ich vorerst Nationalrat Karl Vogler um Hilfe», erzählt David Baggenstos. Doch auch dieser erhielt, nach einem offiziellen Vorstoss in Bern, abschlägigen Bericht.
David Baggenstos war verzweifelt. Und in seiner Verzweiflung sprach er eines Tages in der Sarner «Metzgern» den erstbesten Regierungsrat an, der ihm begegnete: Es war der Obwaldner Volkswirtschaftsdirektor Daniel Wyler. Und mit ihm kam das Rettungskommando für den alten Stempel zu Stande.
Wer nicht locker lässt, gewinnt
Daniel Wyler versprach dem Philatelisten, dass er alles in seiner Macht stehende tun würde. Und der Engelberger schaffte tatsächlich, was vor ihm noch keiner je geschafft hatte. Er brachte die Post Schweiz AG zur Einsicht, dass sie von ihren eisernen Prinzipien wenigstens ein einziges Mal abweichen müsste. Die Argumente, die überzeugt haben, verriet er anlässlich der Übergabe der Stempel-Rarität im Historischen Museum Obwalden den Anwesenden: Sachseln ist – oder war eben – eine besondere Poststelle. Laut Postchronik existierte im Bruder-Klausen-Dorf bereits 1849 eine Ablage der Eidgenössischen Post. Auf den 1. Januar 1866 wurde diese rechnungspflichtig und durfte schon bald darauf ein eigenes Büro führen. «Mit der Aufhebung der Poststelle Sachseln aber ging diese über 170- jährige Geschichte zu Ende», machte Wyler gegenüber der Post geltend. Deshalb sei unabdingbar, wenigstens den Stempel zu erhalten. Wyler wörtlich: «Einmal mehr kann sich Obwalden glücklich schätzen, zu den ersten – und im Fall des Mittelpunkts der Schweiz auf Älggialp gar einzigen – der Schweiz zu gehören!» Eine solche Einzigartigkeit dürfe man einfach nicht vernichten, sagte Wyler:
«Ich habe den Hinweis erhalten, dass dieser Poststempel nicht nur für Obwalden eine Rarität darstellt, für deren Erhalt man sich einsetzen sollte, sondern schweizweit.»
Und seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Die Post hat inzwischen den Sachsler Stempel ins Obwaldner Rathaus zurückgeschickt. Und von dort brachte Daniel Wyler ihn gestern zu Klara Spichtig, der getreuen Hüterin solcher Kostbarkeiten im Historischen Museum Obwalden. Klara Spichtig meinte erfreut: «Dieser kostbare Stempel ist bei uns in allerbester Gesellschaft, bewahren wir doch in diesem Raum auch die berühmte alte Sarner ‹Postbrente› auf.»
Über 25000 Sondercouverts
Wir erinnern uns: 1975 benötigte die PTT infolge Portoerhöhung eine zusätzliche 10er-Pro-Juventute-Marke. Durch mehrmaliges persönliches Bemühen beim Direktor der Wertzeichenabteilung in Bern gelang es dem Philatelistenverein Obwalden als erstem Verein der Schweiz überhaupt, eine Briefmarke zum «Tag der Briefmarke» zu erhalten. Als Vorlage diente die Postbrente aus dem Heimatmuseum Sarnen. Damit wurde die «Postbrente von Sarnen» zum grossen Renner, konnten doch über 25000 Sondercouverts abgesetzt werden.