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Luzern

Raubkunst? So schwierig ist die Spurensuche für die Museen

Die Luzerner Sammlung Rosengart will die Herkunft von rund zwei Dutzend Bildern untersuchen – obwohl sie nicht dazu verpflichtet ist. Wie wichtig die Beteiligung Privater an der Provenienzforschung ist, zeigen verschiedene Beispiele.
Rosengart-Stiftungsrat Karl Bühlmann will die Herkunft von rund zwei Dutzend Werken klären. (Bild: Pius Amrein (8. März 2022))

Christian Glaus

Das Museum Sammlung Rosengart begibt sich auf Spurensuche: Es will die Provenienz von rund zwei Dutzend Bildern erforschen, wie unsere Zeitung publik gemacht hat. Das Spezielle daran: Die Sammlung ist als privates Museum nicht dazu verpflichtet – im Gegensatz zu öffentlichen Museen, die für die Provenienzforschung Beiträge des Bundes erhalten.

Der Historiker und Journalist Thomas Buomberger lobt den Entscheid der Sammlung Rosengart. Dass Private von der Pflicht zur Provenienzforschung ausgenommen sind, führe zu Problemen, erklärte er gegenüber unserer Zeitung: «In vielen Fällen sind die öffentlichen Museen bei ihrer Provenienzforschung auf die Mithilfe privater Kunsthändler angewiesen. Oft stossen sie dann auf eine Mauer des Schweigens.»

Welche Erfahrungen machen die öffentlichen Museen? Das Kunstmuseum Luzern hat die Provenienz seiner Bilder zwischen 2016 und 2018 erforscht. Das Projekt gilt als vorläufig abgeschlossen, obwohl die Herkunft der Bilder nicht in allen Fällen lückenlos geklärt werden konnte. Die Arbeit soll laut Sammlungskonservatorin Alexandra Blättler wieder aufgenommen werden, «sobald die Ressourcen gegeben sind».

Beim Kunstmuseum hat man ebenfalls erlebt, dass die Spurensuche in eine Sackgasse führen kann. Der wohl prominenteste Fall von mutmasslichem Fluchtgut ist der «Holzfäller» von Ferdinand Hodler. Die Bernhard-Eglin-Stiftung hatte dieses Bild im Januar 1940 von der Familie Flersheim gekauft. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Familie «gerade noch in Amsterdam aufgehalten», erklärt Blättler. Im Mai des gleichen Jahres erfolgte der Einmarsch der Deutschen.

Wer drückte den Preis für den «Holzfäller»?

Als Händler fungierte Siegfried Rosengart. Gemäss Briefkorrespondenz habe die Bernhard-Eglin-Stiftung wegen Zweifeln an der malerischen Qualität nicht den vorgeschlagenen Preis von 11’000 bis 12’000 Franken bezahlen wollen, schildert Blättler. «Es war dann an Siegfried Rosengart, mit der Familie Flersheim einen tieferen Preis auszuhandeln.»

Die Stiftung kaufte den «Holzfäller» schliesslich für 8250 Franken inklusive des Honorars von 250 Franken für Rosengart. «Wie diese Korrespondenz zwischen Rosengart und Flersheims aussah, ist uns nicht bekannt», so Blättler.

Bei der Stiftung Rosengart betont man, Siegfried Rosengart habe damals das Gemälde im Kommissionsauftrag des Kunsthändlers Fritz Nathan der Bernhard-Eglin-Stiftung angeboten. Diese habe die Höhe des Preises gelenkt. Für Blättler ist die Provenienzforschung zum «Holzfäller» noch nicht abgeschlossen. Sie gehe davon aus, dass die Stiftung Rosengart über weitere Korrespondenzen verfügen könnte, welche die finale Preisverhandlung betreffen.

Im Online-Sammlungskatalog des Kunstmuseums ist zum «Holzfäller» vermerkt: «Mehr Licht ins Dunkel könnte die Einsicht in die Korrespondenz aus dem Archiv der Galerie Rosengart bringen […]. Doch dieses ist privat und der Provenienzforschung nicht zugänglich.» Das heisse nicht, dass der Zugang verweigert worden sei, klärt Blättler auf. «Aber es lässt sich sagen, dass von Seiten Rosengart bis zum Zeitpunkt des vorläufigen Abschlusses der Forschungen eigentlich keine Aussagen zum Verkaufsablauf gemacht wurden.» Dieses Problem zeige sich auch im Kontakt mit anderen privaten Institutionen. «Da stossen wir und andere Museen an eine Grenze.»

Wer hat den Clown-Kopf-Kauf eingefädelt?

Das Aargauer Kunsthaus besitzt nach eigenen Angaben sieben Bilder, in deren Handel die Galerie Rosengart involviert war. Diese sind Teil einer Schenkung der Sammlung Othmar Häuptli. Wie es auf Anfrage heisst, konnten die Angaben des Sammlers mittels Anfragen an die Stiftung Rosengart bis auf einen Fall bestätigt werden: «Tête de Clown» von Georges Rouault wurde gemäss Häuptli von der Galerie Rosengart erworben. Die Stiftung Rosengart habe diese Angaben nicht bestätigt. Bei dem Bild handelt es sich um eines von sieben Werken, deren Herkunft gemäss dem 2018 publizierten Schlussbericht nicht eindeutig geklärt oder lückenhaft sei und bei denen es Hinweise auf mögliche Zusammenhänge mit NS-Raubkunst gebe.

Die Provenienzforschung von öffentlichen Museen könnte also einfacher sein, wenn auch Private dazu verpflichtet werden. Die Luzerner Sammlung Rosengart könnte dank ihres Projekts mit positivem Beispiel vorangehen. Dessen ist sich auch die Stadt Luzern bewusst, welche die Sammlung jährlich mit 89'000 Franken aus der laufenden Rechnung unterstützt. Auf Anfrage erklärt Letizia Ineichen, Leiterin der Abteilung Kultur und Sport: «Die Stadt Luzern wird sich für einen verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit dem kulturellen Erbe einsetzen und hierbei auch das Thema Provenienzforschung vertieft betrachten.» Geprüft wird eine konkrete Deklaration in zukünftigen Leistungsvereinbarungen.

Auch dem Kanton Luzern, welcher die Sammlung Rosengart mit 200’000 Franken aus Lotteriegeldern unterstützt, sind die Herkunft von Kulturgütern und die Auseinandersetzung damit wichtig. Er wolle die Diskussionen über die Nachforschungen von Kunst- und Kulturgütern auch in privaten Museen zusammen mit anderen Kantonen und dem Bund führen, erklärt der kantonale Kulturbeauftragte Stefan Sägesser. «Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Bund eine Lösung finden müssen.»

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