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Zug

Rasanter und süffiger Operettenzauber in der Gewürzmühle

Am Mittwoch feierte der Zuger Operettensommer sein 10-Jahr-Jubiläum. Das fulminante Best-of begeisterte.
Perücken, fantasievolle Kostüme und manchmal schrille Farbkombinationen zusammen mit Musik, Tanz und Gesang machen den Operettensommer aus. (Bild: Maria Schmid, Zug, 14. August 2019)

Haymo Empl

Seit 10 Jahren ist der Zuger Operettensommer fixer Bestandteil in der Kulturagenda. Das Erfolgsgeheimnis «In der Kürze liegt die Würze» kommt an; «Operetten im Taschenformat» bedeutet nämlich, die wesentlichen Elemente von bekannten Operetten zu extrahieren und entsprechend neu zu inszenieren. Hinter dieser Idee steckt die Quickchange Company. Der Name impliziert, worauf der Fokus gelegt wird: Opulente Kostüme müssen schnell gewechselt werden, Darsteller/Sänger in Windeseile in neue Rollen schlüpfen.

Kostüme sind wichtig, denn was wäre eine Operette ohne entsprechende Garderobe? Diese sorgte an der Premiere am Mittwochabend regelmässig für Lacher; bereits bei der ersten Nummer aus der helvetischen Produktion «Der schwarze Hecht» von 1939 beispielsweise, dann nämlich, wenn Onkel und Tanten mit wallendem Haar und spektakulär-dekadent kostümiert im einfachen, aber wirkungsvollen Dekor auf der Freiluftbühne bei der Gewürzmühle auftauchen.

Kurzweilig und mit Würze

Im Gegensatz zu anderen Jahren wird aktuell ein abendfüllendes Best-of gezeigt, es wird also auf die Kürze verzichtet, ohne aber die Würze zu nehmen. Dies gelingt einerseits durch die kluge Auswahl der Musikstücke innerhalb der einzelnen Operetten, andererseits durch die absolut umwerfende Ausstattung der Darsteller. Und auch die Besetzung trägt zur Kurzweiligkeit bei; diese agiert auf sehr hohem Niveau. Für die Regie und Ausstattung war auch dieses Jahr Björn B. Bugiel verantwortlich, er selbst ist seit Dekaden etablierter Schauspieler und wirkte schon in vielen nationalen und internationalen Produktionen für Theater, Film und Fernsehen mit.

Diese Erfahrung sowohl auf als auch hinter der Bühne zeigte sich an der Premiere eindrücklich; der gebürtige Leipziger verstand es, sowohl dem Ensemble als auch dem Publikum nur genau so viel zuzumuten, dass niemand überfordert war. Operetten zielen darauf ab, primär zu unterhalten. Genau das ist Björn B. Bugiel mit seinem Querschnitt durch sechs bekannte Operetten bestens gelungen. Selbst wenn einem als Zuschauer die Originalversion vielleicht nicht bekannt war, fand man sich in diesem Best-of… zurecht.

Der Erfolg am Mittwoch ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Björn B. Bugiel erinnert sich: «Ein besonderes Highlight für mich war seinerzeit das Jahr, in welchem wir ‹Die Fledermaus› als Neuproduktion erarbeitet hatten. Damit durften wir erstmals ausverkaufte Vorstellungen verbuchen.» Und er ergänzt im Gespräch: «Wenn man bedenkt, dass wir im ersten Jahr, 2009, Vorstellungen vor lediglich vier Besuchen gespielt haben, war dies seinerzeit ein besonders emotionaler Moment für mich.»

Mit viel Liebe zum Detail

Spannend auch der Einsatz von Hochdeutsch, Dialekten und Mundart; besonders beim schweizerdeutschen «Schwarzen Hecht» ein kleines, aber essenzielles Detail: Denn Björn B. Bugiel achtete ganz offensichtlich – bei allen Stücken – darauf, das Original nicht kreativ zu verstümmeln. Er selbst war in fünf von insgesamt sechs Stücken zu sehen, brillierte unter anderem als elitärer Phonetikprofessor Higgins in «My Fair Lady» zusammen mit der einfachen Blumenfrau Eliza (hervorragend von Ronja Borer gespielt) und sorgte als von sich sehr überzeugter Sigismund («Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist? Was kann der Sigismund dafür, dass man ihn liebt?») im «Weissen Rössl» für Lacher.

Denn spätestens wenn Björn B. Bugiel in beeindruckender Manier seine langen Beine wie ein französisches Revuegirl in die Höhe schwingt und man amüsiert feststellt, dass sogar seine Schuhe mit Pompons verziert sind, wird klar, wie viel Liebe im Detail steckt. Er selbst bestätigt diesen Eindruck: «Wenn man sieht, dass die Freude, die wir an den Produktionen haben, auch beim Publikum grossen Anklang findet, ist das das Schönste, was man sich vorstellen kann.»

Jede Szene gross inszeniert

Die Perücken der Darsteller, die fantasievollen Kostüme, die manchmal schrillen Farbkombinationen zusammen mit Musik, Tanz und Gesang machten es schwer, sich an der Premiere für eine Lieblingsoperette zu entscheiden. Entsprechend angeregt waren die Diskussionen in der Pause. Danach direkt ein weiterer Leckerbissen und vielleicht die Operette par excellence: «Die Fledermaus» von Johann Strauss. Nie waren Ehebruchpossen und russische Champagnerorgien unterhaltsamer als in diesem Klassiker von 1874. Ist bei «My Fair Lady» die Grenze zwischen Musical und Operette schwammig, ist «Die Fledermaus» klar der Hochzeit der Operettenära zuzuordnen.

Bugiel verstand es, jede Szene für sich gross zu inszenieren. «Die Herausforderung in diesem Jahr war, eine Gala zusammenzustellen mit sechs verschiedenen Produktionen. Da ich jedem Block einen Spannungsbogen geben wollte, stand ich vor der Aufgabe, unsere sonst schon kurzen Produktionen nochmals zu kürzen… und dennoch die Geschichte zu erzählen», erklärt Björn B. Bugiel in seiner Funktion als Regisseur.

Aktivierte Erinnerungsfetzen

«Frau Luna» dann zum Schluss, die Thematik «Mond» scheint auf den ersten Blick etwas aus der Zeit gefallen zu sein, im Subtext dieses Werks aus dem Jahr 1922 ist aber auch «Einsamkeit» enthalten, aktueller denn je und daher schwerer Stoff für eine Operette, bestens geeignet aber für den Operettensommer wegen Schlagern wie «Berliner Luft».

Nach dem grossen Schlussapplaus für eine grossartige Aufführung stellte mancher erstaunt fest, wie sich die durch den Operettensommer aktivierten Erinnerungsfetzen aus dem musikalischen Grundrauschen herauslösten… Und da und dort wurde «Oh mein Papa» oder «Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen» auf dem Heimweg gesummt.

10 Jahre Zuger Operettensommer – grosse Jubiläumsgala noch bis am 18. August in der Gewürzmühle Zug. Informationen und Tickets unter www.quickchange.info

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