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Luzern

Fall des Luzerner Kriminalgerichts: Im Wahn den eigenen Vater getötet

Ein 30-jähriger Bauernsohn aus einer Luzerner Landgemeinde hat seinen Vater mit 27 Messerstichen umgebracht. Anklage und Verteidigung beantragen beim Luzerner Kriminalgericht für den psychisch kranken Mann anstelle einer Strafe eine stationäre therapeutische Behandlung.
Der Fall wurde vor dem Kriminalgericht verhandelt. (Bild: Philipp Schmidli)

Roger Rüegger

Der Beschuldigte wirkt am Mittwoch wie der nette Junge von nebenan. Vor dem Luzerner Kriminalgericht erscheint der unauffällige Mann gepflegt im schwarzen Poloshirt, Jeans und schwarzen Sneakers. Bei der Befragung der Richter gibt der heute 33-jährige Schweizer aus Beromünster bereitwillig Auskunft; er wirkt nach aussen hin gelöst. Aber: «Ich bin angespannt und nervös, doch es geht mir den Umständen entsprechend gut», beantwortet er die Frage der Richterin nach seiner Befindlichkeit.

Die Umstände sind folgende: Der Mann hat im Juni 2015 seinen Vater auf brutale Weise mit mindestens 27 Messerstichen in der Wohnstube des elterlichen Bauernhauses getötet. Er hatte Wahnvorstellungen und bildete sich ein, der Vater übe gegenüber der Familie psychische Gewalt aus. In seiner Wahrnehmung zum Tatzeitpunkt war sein Vater ein Tyrann, der gegenüber der Familie massive Morddrohungen geäussert haben soll, heisst es in der Anklageschrift. Dabei ging es um zwei Familiengespräche, die 1994 und 1995 stattgefunden haben sollen. «Die sind mir plötzlich wieder hochgekommen. Es ratterte in meinem Kopf unaufhörlich. Ein Gedanke jagte den anderen. Ich war in einer anderen Welt und stand unter extremen Stress», schildert er dem Gericht die Momente vor der Tat.

Psychotische Störung durch Marihuana-Konsum

Der Beschuldigte konsumierte seit 2001 regelmässig Cannabis und er baute auch selber Marihuana an. Der Forensische Dienst der Luzerner Psychiatrie diagnoszierte eine durch Cannabis induzierte «psychotische Störung». Die Gutachter gehen von einer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit und damit einer aufgehobenen Schuldfähigkeit aus. Die konkordatliche Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern kommt hingegen zum Schluss, dass eine paranoide Schizophrenie vorliegt. Im Vorfeld der Tat war ein sozialer Rückzug erkennbar, welcher für diese Diagnose spreche.

Der Staatsanwalt wie auch der Verteidiger stellten dem Gericht den Antrag, infolge Schuldunfähigkeit keine Strafe auszusprechen, sondern eine stationäre therapeutische Behandlung anzuordnen. Ohne Behandlung besteht beim Beschuldigten laut Staatsanwalt ein «hohes Rückfallrisiko für Gewalt- und andere schwere Delikte». Der Beschuldigte befindet sich seit zwei Jahren in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden. Zuvor verbrachte er ein Jahr in der Justizvollzugsanstalt Grosshof in Kriens.

Gutmütigen Vater als Tyrann wahrgenommen

Zurück zum Tathergang. Den Vater habe er plötzlich als Tyrann empfunden, sagte der Beschuldigte. Dabei sei dieser ein gutmütiger Mensch gewesen, fleissig und ehrlich. Auch ausserhalb der Familie galt er als liebenswürdig. Auf die Frage, wann er den Entschluss zur Tat gefasst habe, meinte der Beschuldigte: «Als ich die Wohnung der Eltern betrat und Vater wegen seines Verhaltens bei den Gesprächen zur Rede stellen wollte.» Er habe ihm gesagt: «Ech weiss jetzt gloub, wer ech be – de Beatus.» Der Vater habe gesagt: «Was hesch ou Buebli?» Dann habe es «Klick» gemacht und er sei mit dem Messer auf den Vater losgegangen, so der Beschuldigte. In diesem Moment habe er ihn töten wollen.

Der Vater habe ihm einmal gesagt, wenn er die Familie retten wolle, müsse er – wie der heilige Beatus – den bösen Drachen töten. Nach der Tat alarmierte der Automechaniker die Polizei mit dem Hinweis, sie sollen auch einen Leichenwagen mitbringen. Der Mann sagte bei der Verhandlung am Mittwochmorgen zum Schluss: «Ich kann mir nicht erklären, was passiert ist. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht rückgängig machen.» Das Urteil wird den Parteien schriftlich zugestellt.

Eine stationäre therapeutische Massnahme wird für längstens fünf Jahre angeordnet. Sie kann von einem Gericht verlängert werden. Theoretisch kann sie unbegrenzt dauern. Man spricht auch von der kleinen Verwahrung.

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