Rahel Hug
Was haben Jesus und die Fitness-App, die uns in der Coronazeit sportlich unterstützen soll, gemeinsam? Einiges – mit dem grossen Unterschied, dass Jesus der viel bessere Trainer ist. Weil er, wie Christian Kelter sagt, eben nicht nur einfache Lösungen propagiert, sondern uns motiviert, immer weiterzusuchen und nach einem guten Leben zu streben.
In seinen Sonntagspredigten versucht der Hünenberger Gemeindeleiter und Diakon jeweils die Brücke vom Evangelium zum Alltag zu schlagen. Und das kommt an, nicht nur bei den Kirchgängerinnen und -gängern in seiner Gemeinde. Am Osterwochenende 2020, mitten im ersten Lockdown, hat Kelter begonnen, seine Predigten auch als Podcast zur Verfügung zu stellen.
Jede Woche veröffentlicht er seitdem die «Glaubenszeit», ein sieben- bis neunminütiger Beitrag, der auf Spotify, iTunes und auf der Website der Pfarreiverfügbar ist. Der erste Podcast erreichte rund 300 Aufrufe, inzwischen sind es über 2500. Es scheint als hätte der 52-Jährige mit seinem Entscheid, «on air» zu gehen, einen Nerv getroffen.
Der Radiomann weiss, worauf es ankommt
Bei der Lancierung erhielt Christian Kelter tatkräftige Unterstützung von André Sidler. Sidler (52), ebenfalls Hünenberger und Geschäftsführer des erfolgreichen Zentralschweizer Musikradios James FM, war bereits vor Jahren mit der Idee eines Podcasts auf Kelter zugegangen und weiss als Radiomann, worauf es ankommt. «Ich finde Christians Predigten toll, weil sie stets einen Bezug zur Realität schaffen», erzählt André Sidler.
«Er trifft den Nagel auf den Kopf, ich höre ihm gerne zu.»
Im vergangenen Frühling war der Zeitpunkt gekommen, das neue Angebot auszuprobieren. Mit seiner Firma Bespoke Media Group GmbH übernahm Sidler die Konzeption, das Layout und die Produktion des neuen Formats. «Technisch ist die Umsetzung eines Podcasts dieser Art nicht sehr aufwendig», weiss Sidler.
Die Ideen gehen nicht aus
Auch für Christian Kelter hält sich der Aufwand in Grenzen. Die Beiträge für die «Glaubenszeit» nimmt er in einem kleinen Sprechzimmer im Pfarramt auf. Dazu braucht er lediglich seinen Laptop, Kopfhörer und ein Mikrofon. Und natürlich gute Ideen. Diese gehen ihm noch lange nicht aus, wie er sagt. «Jeweils am Montag beginne ich, mich mit der Predigt auseinanderzusetzen.» Im Laufe der Woche springen ihn die Themen dann regelrecht an. «Der Alltag und die Bibel geben so viel her», sagt der Gemeindeleiter.
In seinen Beiträgen will Kelter zum Nachdenken anregen und auch kritische Fragen aufgreifen – dies mit teils provokativen Titeln. Zum Beispiel, wenn er dem Thema nachgeht, ob man Gott ein «Arsch» nennen darf, wie es in einem neuen Kinofilm aus Deutschland getan wird. In einer anderen Folge, dem Beitrag «Jesus Calling», führt er ein Telefongespräch mit Jesus zur aktuellen Weltlage.
Glaube soll unkompliziert sein
Der Name «Glaubenszeit» bringt es auf den Punkt, was er mit dem Podcast ermöglichen will: Wer zuhört, kann dies dann tun, wann er oder sie will. Die Messe am Sonntagmorgen sei für viele nicht gerade die «Prime Time», sagt Kelter und schmunzelt. Er sei der Überzeugung, dass sich die Kirche den Menschen anpassen müsse und nicht umgekehrt. «Mir ist es wichtig, etwas unkompliziertes zu machen, denn Glaube soll unkompliziert sein», erklärt Kelter weiter und nennt den Begriff «Easy Listening». Tatsächlich sind seine Podcasts leicht verständlich und kurzweilig. «Gleichwohl ist es mir wichtig, theologisch fundierte Arbeit zu machen», betont er.
Die Predigt, die Christian Kelter jeweils für die «Glaubenszeit» einspricht, unterscheidet sich zum Teil von jener, die er am Sonntag in der Messe liest. «Es ist ein anderes Publikum.» Am Anfang fiel es ihm nicht leicht, sich seine Hörerinnen und Hörer vorzustellen.
«Nun, da ich viele positive Rückmeldungen erhalte, kann ich mir besser vor Augen führen, an wen sich der Podcast richtet und was für Leute mir zuhören.»
Beim Sprechen stellt sich der Gemeindeleiter jeweils konkrete, aber unterschiedliche Personen vor. Mit dem Podcast spreche er auch jüngere Leute und Menschen bis nach Deutschland an. Kürzlich habe ihn ein 18-Jähriger auf seine Beiträge angesprochen, freut sich Kelter.
Themenreihe oder Talks sind denkbar
Werbung für sein neues Angebot musste der Leiter der katholischen Pfarrei gar nicht gross machen. «Die Mundpropaganda hat wohl viel zur Verbreitung beigetragen», sagt er. Dass er sogar Menschen in Deutschland erreicht, ist wohl auf seine Herkunft zurückzuführen – Kelter stammt aus dem Rheinland. Die Rückmeldungen motivieren ihn, mit dem Podcast weiterzumachen.
Und es gibt weiterführende Ideen, zum Beispiel eine Themenreihe oder Gespräche mit Persönlichkeiten, möglicherweise auch per Video. «Momentan hindert uns Corona daran, Talks aufzuzeichnen», so Kelter. Die Kirche wird multimedialer, und das ist gemäss dem Diakon gut so. Dass in Zukunft wieder mehr Leute in den Gottesdienst kommen werden, glaube er nicht. Er stelle aber fest, dass das Interesse besteht, religiöse Texte zu hören.