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Luzern

Polit-Urgestein Ruedi Lustenberger tritt ab: «Freunde gibt es eher auf der Jagd, als im Bundeshaus»

Ruedi Lustenbergers politische Karriere geht nach knapp 30 Jahren zu Ende – mit einem speziellen Höhepunkt.
(Bild: Pius Amrein (20. August 2020))
Ruedi Lustenberger als Nationalratspräsident.
(Bild: Nadia Schärli (Bern, 19. November 2014))
Ruedi Lustenberger und Romoos – eine Liebesgeschichte.  (Bild: Dominik Wunderli (19. November 2013))
Lustenberger (rechts) wurde von vielen Kollegen in Bern geschätzt. Hier mit ihm auf dem Bild ist der damalige Ständeratspräsident Hannes German (SVP). (Bild: Alessandro Della Valle (September 2014))
Ruedi Lustenberger tritt von der Politik-Bühne ab. (Bild: Pius Amrein (20. August 2020))

Ernesto Piazza

Ernesto Piazza

Ernesto Piazza

Ernesto Piazza

Ernesto Piazza

Die Gewitterfront hat sich verzogen. Im Bramboden drückt die Sonne durch die Wolken und macht den Blick frei auf die umliegenden Hügelzüge. Ruedi Lustenberger strahlt.

Ein kurzer Gruss hier, ein kleiner Schwatz dort. Man kennt ihn, und er kennt sie. «Ein Politiker muss Menschen mögen», sagt er.

In den kommenden Tagen endet für das «animal politique» eine knapp 30-jährige, mit unzähligen Begegnungen bereicherte, politische Karriere. Begonnen hatte diese im April 1991 eher zufällig. «Damals», erinnert sich Lustenberger, «suchten die Romooser einen Kandidaten für den Grossrat.» Er kandidierte, wurde gewählt und politisierte fortan acht Jahre in der kantonalen Legislative.

Comeback in der Lokalpolitik

Dann führte ihn sein Weg nach Bern, in den Nationalrat. Dort erlebte er 2013 mit der Wahl zum höchsten Schweizer politisch seinen absoluten Höhepunkt.

Er habe sich darauf aber nie etwas eingebildet, sagt er. Und nicht nur, wer ihn besser kennt, nimmt ihm das ab. Dem Nationalrat gehörte er während 16 Jahre an. 2015 zog sich der mit Marie-Theres verheiratete Vater von fünf erwachsenen Kindern und fünf Grosskindern aus der aktiven Politik zurück.

Wobei nicht ganz: Als die Romooser Ortsparteien nach dem Rücktritt von Daniel Lustenberger im März 2019 keinen neuen Gemeindeammann fanden, entschied er sich für 18 Monate nochmals ins Politgeschehen zurückzukehren. «Das war für mich eine lokalpolitische Herzensangelegenheit.»

Der 70-Jährige nahm das Amt an, «mit dem Segen» seiner Frau. «Sonst hätte ich es nicht gemacht.» Sie hielt ihm bei seiner politischen Karriere immer den Rücken frei. Im Rampenlicht zu stehen, war nie ihr Ding. Sie war da für die Familie, für die Unternehmung. «Leute, die uns kennen, wissen es. Die Wertschätzung dieser Menschen gegenüber Marie-Theres ist mindestens so gross, wie jene mir gegenüber.» Lustenberger lächelt, hält kurz inne nach dieser schönen Hommage an seine Frau.

Politik sei hektischer geworden

Während seiner politischen Karriere hat er sich «mit sehr vielen Kollegen von links bis rechts» gut verstanden.

«Freunde hingegen gibt es eher auf der Jagd, in der Jagdhütte und nicht zwangsläufig im Bundeshaus.»

Wobei wohl viele dieser Kollegen an ihm seine Bodenständigkeit, seine Verlässlichkeit, auch die Fairness schätzten. Als die Bundesversammlung im Herbst 2006 «extra muros» in Flims tagte, unterlag Lustenberger fraktionsintern bei der Wahl zum zweiten Vizepräsidenten der Tessinerin Chiara Simoneschi knapp. Zwei Jahre später wurde sie zur Nationalratspräsidentin gewählt. Weil er die Niederlage offenbar «sportlich wie ein Schwinger», akzeptierte, «belohnten sie mich später wohl für dieses Verhalten».

In der Politik habe sich in den letzten Jahren manches verändert, konstatiert einer, der dort über Jahrzehnte zu Hause war. Mit den sozialen Medien sei sie viel hektischer geworden. «Darunter leiden der inhaltliche Tiefgang und die staatspolitische Substanz. Die Politik ist beliebig geworden», sagt Ruedi Lustenberger, der sich auch als «praktizierender Grüner» bezeichnet. Nach wie vor besitzt der Naturverbundene ein ÖV-Generalabo. Sein mittlerweile zehnjähriger Subaru hat erst rund 100000 Kilometer auf dem Tacho.

Und wie sieht das Polit-Urgestein die aktuelle CVP? «Ich unterstütze Geri Pfister in seinem Bestreben, die Partei zu reformieren.» Es brauche so eine neue Mittepartei. Zudem habe die CVP ihren historischen Auftrag aus der Gründerzeit der neuen Eidgenossenschaft im Jahre 1848 längst erfüllt. An der politischen Schweiz faszinieren ihn vor allem die funktionierende direkte Demokratie, der Föderalismus und die intakte Gewaltenteilung.

Gemeinde soll nicht übermütig werden

Jetzt übergibt Lustenberger sein Gemeindeammannamt in neue Hände. Diverse Infrastrukturprojekte seien aufgegleist. Diese beeinflussen den Finanzhaushalt der Gemeinde über Jahrzehnte. Der «gute Rechnungsabschluss 2019» dürfe aber nicht zum Übermut verleiten, mahnt er. «Zudem gehört Romoos nicht zu den Gewinnern der AFR 19». Spezielle Genugtuung bereitet ihm, in den letzten Monaten gemeinsam mit den Ortsparteien für die Gemeindepolitik, in den beiden Kirchgemeinden sowie bei der Korporation «gute Leute gefunden zu haben, welche verantwortungsbewusst ihre Aufgaben wahrnehmen». Dazu gehöre erfreulicherweise auch viel Frauenpower. Ob Romoos dereinst mit Doppleschwand fusioniert, lässt er offen. «Sag niemals nie.» Auf jeden Fall pflegten die Behörden ein freundschaftliches Einvernehmen.

In einer reich befrachteten politischen Karriere gehörten Rückschläge mit dazu und merkt an: «Überall, wo die Sonne scheint, gibt es auch Schatten. Die Sonne überwiegt in meinem Fazit jedoch bei weitem.» Mittlerweile scheint die Sonne ebenfalls kräftig im Romooser Ortsteil Bramboden. Und immer, wenn er hier ist, macht der Heimatverbundene eine kurze, besinnliche Einkehr in die Kirche und auf dem Friedhof. Dort liegt auch der Thalmann Franz, bekannt unter dem Namen «de Reinek», begraben. Von ihm gebe es eine Menge amüsanter, kleiner Geschichten. Ihm hat er schon eine Kolumne gewidmet. «Man muss die Menschen gernhaben, über ihren Tod hinaus.» Ruedi Lustenberger sagt es und schmunzelt dabei. Der Mann ist mit sich und der Politik im Reinen.

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