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Zug

Plädoyer fürs «Chamer Manhattan»

Seit 50 Jahren ist ein gebürtiger Österreicher im Alpenblick zu Hause. Dank guten Preisen und viel Grünfläche seien die Wohnblöcke noch heute das perfekte Zuhause. Abrisspläne empören den 80-Jährigen. Das sei reine Profitmacherei.
Die Überbauung Alpenblick in Cham. Die Zukunft der Häuser wird wohl vor Gericht entschieden. (Bild: Stefan Kaiser (Cham, 7. August 2018))

Christopher Gilb

Am 18. Dezember 2018 hat ein Bewohner der Überbauung Alpenblick genug. Er nimmt das Telefon und ruft bei unserer Zeitung an. Der Alpenblick werde unnötig schlecht dargestellt, empört sich der 80-Jährige. Am Tag zuvor ist ein Artikel über die Überbauung in Cham erschienen. Inhalt war, dass sich Gemeinde und Eigentümer gegen den Unterschutzstellungsentscheid vor dem Verwaltungsgericht wehren wollen (Box). Auch die Argumente von Adrian Risi von der Risi Immobilien AG fanden Gehör in den Berichten. Der Eigentümer von Haus 8 sieht die Gefahr, dass die Hochhäuser durch den Regierungsratsentscheid zu unbewohnbaren Ruinen verfallen oder verlottern würden. «Wäre die Überbauung 100 Jahre alt, dann wäre das vielleicht ein Argument, aber sie ist 50 Jahre alt und hat immer noch ein vorbildliches Konzept. Wir haben es hier tipptopp», sagt hingegen der Bewohner, der lieber anonym bleiben möchte.

Der gebürtige Burgenländer kam in den 60er-Jahren in den Kanton Zug. «Ein Freund hatte in einer Schreinerei einen Job bekommen und rief mich an, weil sie noch jemanden suchten.» Hier habe es alles, was man sich wünsche, habe sein Freund zu ihm gesagt: Berge, Seen, Skipisten. Er, dem damals zu Hause etwas die Decke auf den Kopf gefallen sei, habe nicht lange überlegen müssen und zugesagt.

Ein Kindergarten und genug Umschwung

In der Schreinerei arbeitete er dann nur einige Jahre, dafür stand er danach 40 Jahre beim Laborkomplettanbieter Renggli in Rotkreuz im Dienst. «In der Schweiz lernte ich auch meine Frau kennen.» Doch als das erste Kind sich angekündigt habe, sei deren kleine Dienstmädchenwohnung zu eng für die Familie geworden. «Schon damals war es schwierig, im Kanton Zug mit einem normalen Verdienst eine bezahlbare Wohnung zu finden», erinnert er sich. Ein Bekannter habe ihn dann auf die Wohnungen in den neu gebauten Hochhäusern im Alpenblick in Cham aufmerksam gemacht. «Ich rechnete ein Wochenende lang alles durch, überlegte mir, ob das mit Hilfe von Weihnachtsgeld und allfälligen Lohnerhöhungen klappen würde. Dann bewarben wir uns», so der 80-Jährige.

Damals sei der Alpenblick ja etwas belächelt worden. Das Chamer Manhattan habe man es genannt. «Auch die Chamer selbst schauten auf die Leute aus dem Alpenblick etwas von oben herunter. Meine Familie und ich fühlten uns aber von Anfang an wohl hier.» Im Herbst 1968 sei die Familie dann ins Haus Nummer 9 eingezogen, zwei Jahre danach dann in den Alpenblick 12. «Dort konnte ich noch den Job als Hauswart übernehmen, weshalb die Miete der Viereinhalbzimmerwohnung günstiger war.»

In der Wohnung im Erdgeschoss mit Sicht auf den See leben seine Frau und er noch heute. Zwei Kinder haben sie hier grossgezogen. Bis vor fünf Jahren – weit über das Pensionsalter hinaus – hat er den Hausmeisterjob ausgeübt. «Vor 15 Jahren sprach mich mal jemand von ausserhalb auf den Alpenblick an. Vorbildlich sei der: eine Schule, ein Kindergarten, so viel Grünfläche und das stimmt. Hier leben viele Leute, aber man hat auch genug Platz, um sich nicht in den Weg zu kommen», erzählt er stolz. «Schauen Sie sich doch mal einige der modernen Überbauungen im Kanton Zug an. Da wohnt man so nahe zusammen, dass man sieht, wie sich der Nachbar den Rücken schrubbt. Oder man glaubt, hinter einer chinesischen Mauer oder in einer Kaserne zu wohnen.»

Vor einigen Jahren sei es dann los gegangen, das Gerede vom Neubau des Nachbarhauses 8, der dann auch irgendwann abgesteckt worden sei. «Dass irgendwann mal etwas neu gebaut und dann beispielsweise auch grösser wird, ist logisch, aber nicht schon jetzt», stellt der Rentner klar.

«Die Lösung heisst sanieren»

Hier gehe es seiner Meinung nach nicht um die Wohnqualität, sondern darum, mehr mit den Wohnungen zu verdienen. «Deshalb muss nicht gleich der ganze Alpenblick schlechtgeredet werden.» Hier gebe es einige Leute, die schon seit Jahrzehnten zufrieden in den Häusern leben würden. Im Haus, in dem er lebt – es gehört den Gebrüdern Gysi aus Baar –, sei in den letzten Jahren einiges saniert worden. «Natürlich geht es immer noch etwas besser, aber wir haben vor zehn Jahren beispielsweise eine neue Küche bekommen und erst vor wenigen Jahren Dreifachfenster. Auch die Heizung wurde erneuert», so der 80-Jährige.

Das habe dann zwar jeweils zu einer moderaten Mieterhöhung geführt, es habe aber auch schon zehn Jahre gänzlich ohne Mieterhöhung gegeben. Das Konzept der Überbauung jedenfalls, findet er, sei weiterhin vorbildlich. «Ich hoffe deshalb, dass es so bleibt, wie es ist und weder das Nachbarhaus noch andere in absehbarer Zeit abgerissen werden.»

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