Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Vanessa Varisco
Ursprünglich bloss Versandmittel, heute unter Umständen wertvolles Sammlerstück: Briefmarken. Wie wertvoll sie sein können, das zeigte sich kürzlich an der Corinphila-Auktion im Januar, bei welcher der legendäre Greifensee-Brief für 650'000 Franken (inklusive Kaufprovision) von einem anonymen Bieter ersteigert wurde.
Der Baarer Philatelist Stefan Sägesser weiss, dass Käufe in solch astronomischer Höhe wichtig für die öffentliche Wahrnehmung der Sammler sind. Er erklärt: «So wird den Menschen der Wert der Briefmarken bewusst.»
Stefan Sägesser ist Präsident des Zuger Philatelistenvereins sowie Experte, was das Sammeln der wertvollen Briefe angeht. Mit seinen über 30 Jahren Erfahrung berät er Private, Banken und Versicherungen bezüglich Briefmarken, Münzen und antiken Dokumenten. Erfreulich findet er: Die Philatelie hat im Kanton Zug im letzten Jahr wieder mehr Menschen begeistert. «Herr und Frau Schweizer hatten pandemiebedingt mehr Zeit, sich Neuem und Altem zu widmen. Der eine oder andere hat den Keller entrümpelt und stiess dabei auf eine Sammlung, mit welcher er sich dann an mich wandte», erzählt der 55-Jährige.
Mitgliederzuwachs dank Corona
Im Verlaufe des Jahres konnte der Zuger Philatelistenverein so vier neue Mitglieder aufnehmen. Überhaupt: Wer glaubt, die Philatelie im Kanton Zug sei vom Aussterben bedroht, der irrt. Seit seinem Antritt als Präsident 2012 konnte Stefan Sägesser über 35 neue Mitglieder dazuwerben, sodass der Verein mittlerweile gut 80 Philatelisten zählt. Schweizweit, so räumt der Präsident ein, sei es aber wie in vielen anderen Vereinen so, dass man um Mitglieder ringe.
Ein Zulauf im Coronajahr also, neue Interessenten sind natürlich noch immer willkommen. Überdies ist es längst nicht mehr so, dass ein Empfehlungsschreiben von zwei Göttis benötigt wird für den Einzug in die Philatelie. Was brauchen künftige Philatelisten heutzutage? «Die Leidenschaft am Sammeln, am Forschen und an Neuem», zählt Sägesser auf. Eine bestehende Sammlung der Tante oder des Grossvaters erleichtere sicherlich vieles, ist aber nicht zwingend. Ausserdem: Im Zuger Verein werden Interessenten Schritt für Schritt an die hohe Kunst des Sammelns hingeführt. So bietet er Kurse an, die spezifisch den Anfang ins Sammeln aufzeigen. Auch Stefan Sägesser bietet solche an.
Denn Philatelie bedeutet mehr als Briefmarken in ein Album zu stecken, weiss der Experte. Zu wissen, wie eine Sammlung aufgebaut wird, bedarf einiges an Erfahrung – und ist man Ausstellungssammler wie Sägesser, gestaltet man seine Auslese nach eigenem Gusto. Ganz grundsätzlich aber ist eine Sammlung von den eigenen Interessen und Vorlieben abhängig. «In den letzten Jahren sind auch viele Frauen zu uns gestossen. Und häufig sammeln sie gerne Motive», schildert der Baarer. Er selber orientiert seine Sammlung an der Zuger Postgeschichte. Er kommentiert:
«Ich befasse mich mit Geschichtlichem, weil es mich interessiert, wie ein Brief oder ein Paket früher durch den Kanton Zug bewegt wurde.»
So sei, bevor der erste Zug 1864 in Zug angekommen sei, viel mit Postkutschen und per Schifffahrt befördert worden. Briefmarken sind damit ein Zeitzeugnis. Der erste Brief, der Stefan Sägesser besitzt, stammt aus dem Jahr 1714.
Oft sucht ein Sammler jahrelang nach einem Stück
Philatelie entschleunigt, ähnlich wie es die Pandemie tut. Denn: Schnell, schnell eine Sammlung zusammenstiefeln ist unrealistisch, Sägesser beispielsweise findet pro Jahr ein bis zwei neue Stücke für seine Sammlung. Oftmals ist ein Liebhaber auch jahrelang auf der Suche nach einer Ergänzung zur bestehenden Auslese. Sind zwei oder mehr Philatelisten schliesslich auf der Suche nach dem gleichen Exemplar und wird ein solches bei einer Auktion angeboten, schnellt der Preis in die Höhe. So wie beim Greifensee-Brief.
Der Wert der Briefmarken ist denn auch der Grund, weshalb ein 40-Jähriger als junger Sammler gilt, handelt es sich bei der Philatelie doch um eine kostspielige Leidenschaft. Gemäss Sägesser sind die neuen Mitglieder vom letzten Jahr tendenziell eher jüngere Sammler.
Obgleich die Zuger Philatelisten, was die Mitgliederzahlen und das öffentliche Interesse betrifft, zu den Coronagewinnern gehören, so hat sich durch die Pandemie auch einiges verändert. Mehr Online-Seminare, Onlineauktionen und häufiger E-Mail-Kontakt zählt der Vereinspräsident einige der Veränderungen auf. Ausserdem bietet er jetzt auch Einzelkurse an, wo früher alles in Gruppen durchgeführt wurde. «Das Vereinsleben als solches ist durch die Auswirkungen des Virus natürlich schwieriger geworden», beschreibt der Sammler die Situation.
SMS-Briefmarken kann man ebenfalls sammeln
Auch der Handel habe sich immer mehr in den digitalen Bereich verlagert. Schon seit 2019 betreibt Stefan Sägesser als Kenner eine Website, seit Anfang dieses Jahres ist er ebenfalls auf Facebook aktiv. Auch hier wird das Interesse an der Philatelie deutlich: Schon über 2000-mal wurde die Seite laut dem Ersteller aufgerufen. Die scheinbar so analoge Leidenschaft hinterlässt also auch im digitalen Bereich Spuren. Nicht nur was die Kurse und Aufmerksamkeit betrifft. Stefan Sägesser verweist auf die digitalen Briefmarken:
«Eine SMS-Briefmarke, wie sie die Post anbietet, lässt sich genauso sammeln. Aber ich denke mit einem Katalog lässt es sich einfacher sammeln. Er bietet einen Massstab, den viele Menschen brauchen und wollen.»
Weitere Informationen über den Philatelistenverein gibt es unter www.philatelistenvereinzug.ch. Die Sammlung von Stefan Sägesser ist zu sehen unter www.briefmarken-zug.ch.