Romano Cuonz
Romano Cuonz
Anfang 2016 unterschrieb die im Aargau aufgewachsene und in Zürich lebende Kunsthistorikerin Patrizia Keller in Stans einen Vertrag als Kuratorin des Nidwaldner Museums. Ihre wichtigste Aufgabe: das Konzipieren und Umsetzen von Ausstellungen, in erster Linie zur zeitgenössischen Kunst, in Winkelriedhaus und Pavillon.
Sie erinnert sich noch gut, was sie damals zu sich selber gesagt hatte: «Du kommst da in einen neuen Kanton, in ein neues Haus und du begegnest auch einer für dich neuen Kulturgeschichte.» Vor diesem Hintergrund entwickelte sie ihr Ausstellungskonzept: «Die Umgebung versuchte ich immer in irgendeiner Weise miteinzubeziehen, nie zeigte ich Ausstellungen, die ebenso gut an andern Orten hätten stattfinden können.» Dabei war es ihr immer ein grosses Anliegen, die Themen landesweit, ja international zu vernetzen.
Die Handschrift Patrizia Kellers wird schon in ihrer ersten Ausstellung deutlich erkennbar: 2016 lud die Kunsthistorikerin den international bekannten Konzeptkünstler Christian Philipp Müller und Gewinner des Prix Meret Oppenheim nach Nidwalden ein. Zusammen mit ihm und dem Museumsteam sichtete sie die reiche Sammlung mit über 17'000 Objekten. «Müller warf mich mit seinen Ideen und Wünschen so richtig ins kalte Wasser», erinnert sich Patrizia Keller.
Sogar eine Schnapsbrennerei als Kunstobjekt
Der Aargauer suchte sich die grössten Sammlungsobjekte aus: eine alte Schnapsbrennerei, einen ehemaligen Leichenwagen und eine symbolträchtige Landesfahne. Diese Nidwaldner Monumente konfrontierte er mit eigenen Ideen. So verwob Müller – eigenwillig und lustig – Nidwaldens Geschichte mit der Gegenwart. Patrizia Keller schmunzelt noch heute: «In Deutschland sollte ich ihm einen Billigsarg bestellen, in dem er Winkelrieds Morgenstern präsentieren wollte.» Daraus aber wurde nichts. Der Sarg blieb an der Grenze stecken.
Grosses Echo löste man damals mit einer Performance aus. Für Fotosessions wurden zwei echte Dromedare organisiert. In einem Umzug ging's durchs Dorf zum Winkelried Denkmal. Keller freut sich:
«Ein Plakat, das als ‹Nidwaldner Kunstheft› in dieser Zeit entstand, hängt noch heute in vielen Häusern.»
In ihren fünf Stanser Jahren hat Keller fürs Nidwaldner Museum elf grössere und viele kleine Ausstellungen massgeschneidert. Damit hat sie dem Haus sein ganz eigenes Profil verliehen. Da war etwa im Rahmen eines Festivals die Hommage von sieben zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern an «Alte Meister» aus der Frey-Näpflin-Stiftung. Grosse Beachtung fanden auch Installationen samt Performance und Musik, die anlässlich der Ausstellungseröffnung in der Festung Fürigen stattfand. «Loudspeakers Convention» war der Titel, den die aus der Romandie stammenden Akteure Augustin Rebetez und Laurent Güdel setzten.
Immer wieder kamen auch Kunstschaffende mit Nidwaldner Wurzeln zum Zug: Auf grosses Interesse stiessen Leonard von Matts Fotografien von 1936 bis 1946. Oder auch Rudolf Blättlers Skulpturen. Im Sommer wird Jos Näpflin viele Besucher anlocken. Er hat zusammen mit Patrizia Keller nach seinem Werkjahr der Frex-Näpflin-Siftung eine zum Mitdenken anregende Ausstellung mit dem Titel «The Black Box Box» gestaltet. Unvergesslich bleibt das Jahr 2020 mit der grossen Hommage an die «widerstehliche» Annemarie von Matt: Acht zeitgenössische Kunstschaffende und Autorinnen näherten sich mit ihren Beiträgen der Stanserin.
Sie versteht sich als «Dialogpartnerin»
«Als Kuratorin konzipiere, organisiere und begleite ich mit dem Museumsteam Ausstellungen von A bis Z», so Keller. Vorerst wähle sie Künstlerinnen und Künstler, die sie interessierten oder die mit Nidwalden korrespondierten, aus. «Ich verstehe mich als ihre Dialogpartnerin», erklärt sie. Bis die Ausstellung stehe, käme es immer zu einer grossen Zahl von Gesprächen und Atelierbesuchen. «Ich unterstützte Kunstschaffende dabei, ihre Ideen zu verwirklichen und öffentlich zu zeigen.» Wenn das Budget wie so oft nicht reiche, müsse viel Zeit in die Beschaffung von Fördergeldern investiert werden.
Ihr Fazit: «Ich habe in Nidwalden fünf wichtige Jahre verbracht.» Doch ein lebendiges Museum brauche immer wieder auch neue Leute, die neue und andere Ideen brächten.