Rahel Hug
Rahel Hug
Corona stellt die Welt auf den Kopf. Das gilt für alle möglichen Lebensbereiche – auch für die Partnersuche. Wie lerne ich jemanden kennen, wenn Bars, Clubs und Restaurants geschlossen sind und keine Veranstaltungen stattfinden? Nick Ganz, Geschäftsführer der Speedflirting GmbH, führt seit über zehn Jahren Speed-Dating-Anlässe im Kanton Zug durch. Bereits im letzten März, als der erste Lockdown ausgerufen wurde, hat seine Eventagentur sofort mit den Vorbereitungen begonnen, um Online-Speed-Dating anzubieten. Nach mehreren Testläufen fanden im April die ersten virtuellen Treffen statt, wie Ganz auf Anfrage erklärt.
Wie ist die Nachfrage? Und wie funktioniert Speed-Dating im Internet? Er habe täglich Anmeldungen, erzählt Nick Ganz. Insgesamt sei die Nachfrage aber schon etwas kleiner als bei den realen Begegnungen, «weil es einige Singles gibt, die keine Lust auf Online-Dating haben». Seit November findet das Online-Speed-Dating wöchentlich statt, mit jeweils sieben Frauen und sieben Männern.
Kurze Treffen am «virtuellen Tisch»
Dabei melden sich alle Teilnehmenden bequem von zu Hause für eine Zoom-Videokonferenz an. Zu Beginn werden sie vom Moderator begrüsst und instruiert. Anschliessend lernen alle Teilnehmenden andere Singles kennen – eine Begegnung dauert jeweils sieben Minuten. Nach jeder Runde wechseln die Männer an den nächsten «virtuellen Tisch». Nach dem Speed-Dating treffen sich alle mit einem Drink an der virtuellen Bar. Die Erfahrung von Ganz:
«Der Überraschungseffekt ist online grösser, weil man sich vorher gar nicht sieht, auch nicht aus einiger Entfernung.»
Für Alleinstehende, die gerne jemanden kennen lernen möchten, ist die Coronazeit nicht einfach. Nick Ganz empfiehlt deshalb, Online-Speed-Dating auszuprobieren. Es brauche Zeit und Geduld, die Rückmeldungen seien aber sehr positiv. «Jetzt ist es eine gute Zeit, um jemanden kennen zu lernen», ist der Geschäftsführer überzeugt. «Denn viele, die in den vergangenen zwölf Monaten Single waren, haben die Nachteile des Alleinseins erlebt.»
Nicht alle Leute haben das Bedürfnis nach sozialen Kontakten
David Siegenthaler beschäftigt sich beruflich mit Themen wie dem Alleinsein und Einsamkeit. Er ist Sexual- und Paarberater in Zug. Etwa 20 bis 25 Prozent seiner Klientinnen und Klienten sind Singles. «Ihre Anliegen sind sehr vielfältig», sagt er im Gespräch. Es geht um die Zufriedenheit mit sich selbst und dem eigenen Körper, den Mut, auf jemanden zuzugehen, ums Flirten, um Erektionsprobleme oder darum, vom Konsum von Pornos wegzukommen – um nur einige Themenbereiche zu nennen.
Ist die Coronazeit für Singles besonders herausfordernd? Das sei sehr individuell, antwortet der Experte. Es gebe Leute, die hätten gar kein grosses Bedürfnis nach sozialen Kontakten oder nach einer Partnerschaft.
«Für sie kann es schön sein, mehr Zeit für sich selbst zu haben und ihre Freiheit so voll ausleben zu können.»
Andere Menschen wiederum hielten sich gerne in grossen Gruppen auf. «Ihnen empfehle ich, aktiv zu werden und ihr Netzwerk zu nutzen.» Es sei ja trotzdem möglich, Leute zu treffen, wenn auch in reduzierter Form.
Sich selbst besser kennen lernen
Schwierig werde es dann, wenn man ungewollt allein sei und dann auch noch mit Existenzängsten zu kämpfen habe, erklärt Siegenthaler. Leuten in einer solchen Situation empfiehlt der Berater, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Welches sind meine Interessen und welche könnten es noch werden? Welche Freunde und Familienangehörige sind mir wichtig und möchte ich treffen? Wo kann ich mir Hilfe holen?
«Man darf auch mal Mitleid mit sich selbst haben und sich schlecht fühlen.»
Es gelte, die Situation zu akzeptieren, dann aber Wege zu suchen, um aus ihr herauszukommen. Dies, indem man sich ein Zeitlimit setze und danach wieder in die Aktivität starte – sei es nur mit dem Anruf bei einem Freund oder dem Aufräumen der Küche. «Bestenfalls lernt man sich durch diesen Prozess selbst besser kennen, findet neue Interessen und kann die Freiheit, nur auf seine eigenen Bedürfnisse achten zu müssen, geniessen.» Oder aber es ergibt sich die Möglichkeit, neue Leute kennen zu lernen und sich vielleicht zu verlieben.
Wandern, Sporttreiben, Kochen, Gamen
Die Suche nach einem Partner oder einer Partnerin habe sich durch Corona verändert, das sei klar. «Doch es ist immer noch möglich, potenzielle Partnerinnen und Partner kennen zu lernen.» Siegenthaler nennt etwa Möglichkeiten bei der Arbeit oder beim Treffen von Freunden, die ihrerseits andere Freunde mitnehmen. Und natürlich online. Er kennt keine Zahlen, habe aber den Eindruck, dass Online-Dating zugenommen habe. «Die Hemmschwelle ist tiefer.» Hingegen sei dann das erste «Live-Date» mit einer Internetbekanntschaft persönlicher, wenn man sich nicht in einer Bar oder zum Essen treffe, sondern vielleicht bei jemandem zu Hause oder zu einem bewussten Spaziergang.
Doch nicht allen ist wohl dabei, gleich zu einer fast unbekannten Person nach Hause zu gehen. Siegenthaler erklärt:
«Hier ist es wichtig, genau auf seine Gefühle zu hören, und wenn der oder die andere die Wünsche nicht respektiert, vorsichtig zu sein und klare Grenzen zu setzen.»
Singles, die jemanden zu einem Date treffen möchten, rät der Berater zu Kreativität: «Man kann das Date den gemeinsamen Interessen anpassen.» Beispielsweise mit einer Wanderung in den Bergen, gemeinsamem Sport oder Geocaching, einer Verabredung zum Kochen, oder um ein Game zu spielen.
Für David Siegenthaler steht abschliessend fest, dass die Coronazeit auch Chancen mit sich bringt. Auch für Leute, die unfreiwillig allein sind: «Wenn Menschen in einer Krise stecken, helfen sie sich häufiger. Das schweisst zusammen. Schwierige Situationen machen uns stärker, doch zuerst müssen wir lernen, sie zu akzeptieren.»
Wer sich für ein Online-Speed-Dating anmelden möchte, kann dies unter www.speeddating.ch tun.