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Zug

Oktoberfeste: Original oder Abklatsch?

Ist nur das Münchner Fest das Wahre? Oder sind Nachahmer-Feste doch besser als ihr Ruf?
Andreas Faessler
Harry Ziegler (Bild: Stefan Kaiser)

Andreas Faessler und Harry Ziegler

Andreas Faessler und Harry Ziegler

Klar, es gibt nur das eine Oktoberfest – auf der Wiesn in «Minga». Seit über 220 Jahren ist es eine ortsgebundene Tradition, und alles andere ausserhalb ist nichts als Abklatsch. Ich meinerseits liebe solche Tradition, vor allem die alpenländische und davon ganz besonders die bayerische. Und wenn ich mich in München in die schunkelnde Bierseligkeit stürze, dann nur in Vollmontur.

Leider ist das originale Oktoberfest zu einem regelrechten Moloch geworden. Es ist überfüllt, unglaublich laut, verkommen zu einer Touristenattraktion und hat mit der altbayerischen Tradition immer weniger mehr gemein. Der Reiz des Originals ist soweit flöten gegangen, dass ich mir die Fahrt nach München eigens dafür sparen und genauso gut mit einem der zahlreichen Abklatsche vorliebnehmen kann.

Wie neulich die «Limmattaler Wiesn-Gaudi» in Schlieren. Überredet von Freunden, liess ich mich darauf ein – freilich ohne jegliche Erwartungen. Und wissen Sie was? Es war verdammt lustig, ohne dass man es sich erst hätte stimmig trinken müssen! In seiner Grösse lediglich ein Bruchteil der Bräurosl zwar, war doch von Anfang bis zum letzten Takt Hochstimmung. Wenn mir so eine Pseudo-Wiesn so viel Spass bereiten kann wie das nicht mehr so originale Original, dann hat’s seinen Zweck vollends erfüllt.

Nur selten reicht ein Nachahmerprodukt ans Original heran. Das gilt auch für die nun landauf, landab stattfindenden «Oktoberfeste». Auch diese kommen nicht im Mindesten ans Original in München heran. Auch wenn das originale Oktoberfest mittlerweile, wie Kollege Faessler richtig schreibt, zu einem recht üblen Touristenanlass degradiert wurde – spürbar bleibt in ruhigeren Momenten die bajuwarische Tradition dennoch.

Die Abklatsche, an denen in Fernost produzierte, billige Dirndl (und man diesen das auch ansieht) und Fake-Krachlederne spazieren getragen werden – ein Graus. Dann doch lieber gar nichts als das. Aber, über Geschmack lässt sich ja immer trefflich streiten. Sie merken: Ich brenne für das spontane Fest, halte nicht viel von solchen Abklatsch-Anlässen, von Anlässen, die man sich erträglich trinken muss. Und an denen man sich gezwungenermassen kleidungsmässig nach dem Original richten muss, um den Anschein von «Gaudi» zu wahren und in Stimmung zu kommen.

Hier, wie überall sollte das Prinzip Toleranz hochgehalten werden: Wer’s braucht, dem sei das gegönnt. Und solange man mich damit in Ruhe lässt, ist alles gut. In meinem Fall kommt hinzu, dass ich in kurzen Lederhosen und Hut mit Gamsbart eher halloweenmässig daherkomme.

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