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Obwalden

Wenn ein Obwaldner alt Regierungsrat zum Samichlaus wird

Manch ein früherer Regierungsrat hält nach dem Rücktritt Ausschau nach lukrativen Verwaltungsratsposten. Ganz anders Franz Enderli: Er ist dieser Tage mit goldenem Stab und langem Bart als gütiger «Samiglais» unterwegs.
Die kleinen Schüler im Melchtal freuen sich über den gütigen Samiglais, der so gut erzählen kann (Bilder: Romano Cuonz (Melchtal 6. Dezember 2018))
Der Samiglais mit seinem grossen Buch.
Hier wird er von Sigristin:Monika Bucher eingekleidet.

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Draussen ist es nass und dunkel. Im Kernser Sigristenhaus brennt schon ein Licht. Gut, dass noch keine Kinder unterwegs sind. Würden sie jetzt durchs Fenster in den Raum äugen, kämen sie aus dem Staunen kaum heraus. Da hängen an Garderoben viele lange weisse Bärte und Perücken. Auch prächtige rote Gewänder, Infuln und golden glänzende Stäbe gibt es in grosser Zahl. Und mitten im Raum sitzt ein recht stattlicher Mann. Der wird von Sigristin Monika Bucher ganz offensichtlich in einen «Samiglais» verwandelt. Doch halt – irgendwie kommt einem dieser «Samiglais» – Bart hin oder her – bekannt vor. Nochmals genauer hingucken! In der Tat, es ist der langjährige Obwaldner Bildungsdirektor und zweifache alt Landammann Franz Enderli. Wie kommt der erfahrene Politiker zu einem so ungewohnt neuen Job?

Keiner erzählt so schön wie er

«Bevor ich zum Regierungsrat gewählt wurde, arbeitete ich in der Pfarrei Kerns, und da war ich selbstverständlich auch Jahr für Jahr als St. Nikolaus unterwegs», berichtet Enderli. Und versichert: «Ich schätze diese Figur, die am Anfang des Advents auftritt und in der vorweihnachtlichen Zeit Kindern viel Freude bereitet.» In den zehn Jahren als Regierungsrat habe er diese Rolle nicht mehr spielen können. Enderli schmunzelt: «Kantonsrätinnen und Kantonsräte hätten sich allenfalls vor ‹Samiglais› und ‹Schmutzli› gefürchtet!» Nur ein halbes Jahr nach seinem Abschied aus der Regierung hätten ihn dann Lehrpersonen aus dem Melchtal gefragt, ob er nicht doch ... Da habe er voller Überzeugung «Ja» gesagt, erzählt Enderli, und bestaunt seinen schönen Bart, der nun perfekt sitzt.

Am liebsten erzähle er kleinen Schülern die echte St. Nikolaus-Legende. «Kinder sollen wissen, wer er einst gewesen ist und warum er sie bis heute, immer am 6. Dezember, beschenkt.» Und erzählen kann der frühere Politiker wie kein zweiter. Vom geschäftigen Santa Claus oder einem moralisierend polternden Nikolaus allerdings hält Enderli gar nichts. «Fürs Loben muss doppelt und dreimal so viel Zeit sein wie fürs Tadeln», sagt er.

Bald geht’s auf zu den Kindern in der Schule Melchtal. Begleitet wird der «Samiglais» von einem ganz und gar nicht furchterregenden «Schmutzli»: Darunter steckt Ueli Schäli, der Vater von Enderlis Nachfolger Christian Schäli. Was die zwei in den nächsten Stunden erleben, ist wunderschön. Kaum haben sie im Kreis der Kinder Platz genommen, steht auch schon eines auf und gratuliert dem erstaunten Nikolaus herzlich zum Namenstag. Aus voller Kehle singen die Kleinen, und sie rezitieren auch hübsche Gedichte. Die Grossen haben gar einen echten «St.Nikolaus-Blues» komponiert.

Schliesslich werden die beiden Besucher aus dem tiefen Wald – oder sind sie doch vom Himmel gekommen? – gar mit Bratkäse und vielen schönen Zeichnungen beschenkt. Ein pfiffig kecker Knirps aber ermahnt die beiden: «Die Zeichnungen müsst ihr dann miteinander teilen. Ganz friedlich bitte!» Dass bei so viel Freundlichkeit die paar wenigen negativen Notizen im roten Buch – übers Streiten oder zu wenig Ordnung etwa – fast endgültig verblassen und die Rute einfach am Boden liegen bleibt, versteht sich mithin von selbst. Ja, der frühere Politiker Franz Enderli ist überzeugt, dass die braven Melchtaler Kinder seinen Besuch und vor allem auch das Säcklein mit Nüssli und Süssigkeiten mehr als nur verdient haben.

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