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Obwalden

Wegen Corona kommen viele zu Bruder Klaus

Die Familie Oberli wanderte in vier Tagen vom Emmental zu Bruder Klaus in den Ranft. Und sie sind nicht die einzigen: Kleingruppen ersetzen in diesem Sommer die Pilgercars.
Die Familie Oberli ist in vier Tagen von Schangnau zu Bruder Klaus gewandert. Von links: Veronika, Hannes, Marie Rose, Vater Hans und Karl Heiner. (Bild: Romano Cuonz
(Flüeli-Ranft, 6. August 2020))
Müde aber zufrieden am Ziel: Die Familie Oberli (Veronika, Hannes, Karl, Marie Rose und Hans) am Ziel.  (Bild: Romano Cuonz (Flüeli-Ranft, 6. August 2020))
Christa Fuchs (links) zeigt Doris Hellmüller und Franz Enderli vom Förderverein Niklaus von Flüe Einträge im Ranft-Gästebuch. (Bild: Romano Cuonz (Flüeli-Ranft, 6. August 2020))

Romano Cuonz

Ein bisschen müde, aber zufrieden stehen die Oberlis vor dem Wegweiser hinunter zur Ranftkapelle. Sie sind am Ziel angekommen. Neben der Bäuerin Veronika sind da ihr Mann Hans, der 16-jährige Sohn Hannes, die Achtklässlerin Marie Rose und der Fünftklässler Karl Heiner. «Weil wir Bruder Klaus für seinen Beistand in der Coronazeit danken wollten, haben wir miteinander den viertägigen Pilgermarsch angetreten», verrät die Emmentaler Bäuerin Veronika Oberli.

Was die reformierte Bauernfamilie – teils bei strömendem Regen, teils in brütender Hitze – geleistet hat, ist schon erstaunlich. Am ersten Tag gingen sie von ihrem Hof und Pflegeheim im bernischen Schangnau über den Kemmeriboden zum Entlebucher Bergrestaurant Salwideli. Die zweite Nacht verbrachten die besonderen Pilger bereits in Obwalden: auf der Mörlialp. Schliesslich übernachteten sie auch noch im Zollhaus Giswil, bevor sie die letzten Kilometer nach Sachseln und ins Flüeli unter die Füsse nahmen.

Glaube und Sport als Antrieb

In Schangnau, auf ihrem stattlichen Bauerngut «Hohgantblick» (1050 Meter über Meer), beherbergen die Oberlis in einem Pflegeheim bis zu zwanzig Bewohnerinnen und Bewohner. «In der Coronazeit machten wir uns grosse Sorgen um unsere Gäste, und es ist schon eine Gnade, dass unsere Pflegefamilie von der Krankheit bisher verschont geblieben ist», stellt Veronika Oberli fest. Und ihr Mann Hans Oberli fügt bei: «Wir werden nun im Ranft ein Votivtäfelchen anbringen und Bruder Klaus dafür danken, dass er die Unabhängigkeit der christlichen Schweiz so lange beschützt hat und weiter beschützt.»

Sohn Hannes aber – er macht eine Lehre als Landwirt – gesteht: «Mir war die sportliche Herausforderung weit wichtiger als religiöse Fragen, wie sie sich meine Eltern stellen.» Vor etwas hatten die Jugendlichen mindestens während ihrer Wanderung über alle Berge absolut keine Angst: vor dem Coronavirus.

Viele Pilger aus der Romandie

Alt Regierungsrat Franz Enderli ist Präsident des Fördervereins Niklaus von Flüe und Dorothee Wyss und freut sich über die Nachhaltigkeit des Gedenkjahres. «Gerade jetzt sind überdurchschnittlich viele Leute motiviert, ihre Ferien in der Schweiz mit einer Reise zu Bruder Klaus zu verbinden», sagt er. Schon zur Lockdown-Zeit sei das so gewesen. Zwar blieben Cars mit grossen Gruppen, wie sie in andern Jahren üblich waren, fast ganz aus. Dafür zähle man jetzt überdurchschnittlich viele Familien und Einzelpilger. Die Geschäftsführerin Doris Hellmüller bestätigt diese Feststellung. Sie sagt:

«Dieses Jahr treffe ich oft Menschen, die wenig reden und erzählen, dafür umso grösseres Interesse zeigen.»

Die steigende Zahl von Pilgern lässt sich auch anhand der Kerzen, die in Kirche und Kapellen angezündet werden, abschätzen. «Besonders erfreulich ist, dass unsere Gäste jetzt aus der ganzen Schweiz kommen», hält Hellmüller fest.

Auffällig seien vor allem die vielen Autokennzeichen aus der Westschweiz: etwa aus Freiburg, Neuenburg, Genf, dem Jura oder Wallis. Die gleiche Feststellung macht auch Myriam Baumgartner als Gastgeberin im Jugendstil-Hotel Pax Montana. «Wir beherbergen diesen Sommer viele Familien aus allen Teilen der Schweiz, welche auf grossen Wanderungen auch den Kanton Obwalden erkunden», sagt sie.

Zufluchtsort zu Krisenzeiten

«Zu Kriegs- und Krisenzeiten, immer wenn viele Menschen betroffen waren, galt Flüeli-Ranft als Zufluchtsort», erklärt Theologe Franz Enderli. «Hier holt man Kraft, oder man besinnt sich auf Wesentliches.» Die einen würden die Aura schätzen, die diesen speziellen Ort umgebe, andere einfach über die Schlucht und die gewaltige Natur staunen.

Diesen Sommer aber kamen und kommen viele Leute wegen Corona zu Bruder Klaus. Offensichtlich wird dies, wenn Christa Fuchs von der Chemin-Neuf-Gemeinschaft das von ihr im Ranft gehütete Gästebuch aufschlägt und beginnt, vorzulesen. Da steht etwa in schönster Schrift: «Zum 87. Geburtstag von Bethli besuchen wir den Ort der Stille und fragen: Was ist Gottes Wille mit der globalen Pandemie?» Betroffen macht der Eintrag einer Pflegerin: «Danke Niklaus von der Flüe für alle Bewohner, die du vor der schweren Covid-19-Erkrankung verschont hast und für alle, die gesund geworden sind. Ich habe in dieser unendlich schweren Zeit viel zu dir gebetet. Das Gebet gab mir Kraft, durchzuhalten.»

Die Ausstrahlung des Mystikers im Ranft geht aber weit über alle Landes-, Sprach- und Konfessionsgrenzen hinweg. Dies erkennt man, wenn man im Gästebuch kurz nacheinander Einträge in spanischer oder einer slawischen Sprache vorfindet. Ja sogar arabische Schriftzeichen entdeckt man da. Franz Enderli gibt sich überzeugt: «Auch wenn wir längst nicht alles lesen können, sind wir gewiss, dass die Leute im Ranft Hoffnung schöpfen und Kraft tanken.» Dieses Vertrauen sei über Jahrhunderte – trotz mehrerer Kriege – nie erschüttert worden, und da werde es wohl auch die Coronakrise überdauern.

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