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Obwalden

Kernserin blickt in ihrer Maturaarbeit  hinter die Älplerchilbi

«Ich bin stark mit den Traditionen meines Heimatortes verwurzelt» sagt Larissa Kretz. Deshalb hat sie in ihrer Maturaarbeit die Älplerchilbi-Feste in Giswil und Kerns unter die Lupe genommen.
Larissa Kretz präsentiert die Maturaarbeit in der Obwaldner Tracht. (Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 12. Dezember 2018))

Romano Cuonz

«Ich helfe meinem Onkel im Sommer beim Heuen im Steilhang des Stanserhorns, was mir trotz grosser Anstrengung viel Freude bereitet», hält die 17-jährige Kernser Maturandin Larissa Kretz gleich zu Beginn ihrer Maturarbeit fest. Land- und Alpwirtschaft und eben auch das damit verbundene Brauchtum würden sie sehr interessieren. Mit dieser Motivation vergleicht sie, unter dem Titel «Älplerchilbi in Obwalden», in einer Untersuchung die beiden herbstlichen Anlässe von Kerns und Giswil. Dies mittels der «Oral History Technik»: anders gesagt mit einer wissenschaftlichen Methode, die sich vorab auf die Befragung lebender Zeuginnen und Zeugen abstützt. «Schon als kleines Mädchen durfte ich in Begleitung meiner Familie aktiv an der Älplerchilbi in Kerns teilnehmen», erzählt Larissa Kretz, die ihre Maturaarbeit in schönster Obwaldner Tracht präsentiert. Später habe sie dann mitgeholfen, die Kirche für den Anlass zu schmücken. Als sie nun dieses Jahr gar noch ihren Cousin in Giswil als «Älplerjungfer» habe begleiten dürfen, seien ihr plötzlich alle Türen zu Gesprächspartnern offen gestanden. Doch dies allein genügte nicht. «Für meine Arbeit waren gute Kenntnisse über den Ursprung des Brauchs wichtig», sagt die Gymnasiastin. Diese habe sie zahlreichen Büchern entnommen.

Was viele längst vergessen haben

Im Theorieteil ihrer Arbeit wirft Larissa Kretz einen Blick hinter das Erntedankfest am Ende der Alpzeit. So erfährt man vieles, was man nie gewusst oder längst vergessen hat. Etwa, dass die erste Obwaldner Älplerchilbi schon 1624 stattfand: im Weiler Stalden. Auch war der oft ausgelassene bäuerliche Anlass nicht zu allen Zeiten unumstritten. Vor allem die Kirche habe einiges dagegen gehabt, berichtet die Maturandin. 1645 verbot die Obrigkeit den Umzug und später wurde das Festessen der Älpler sogar bestraft.

1901 bestimmte die Obwaldner Regierung, dass nur Älplergesellschaften mit eigenen Statuten die «Chilbi» durchführen durften. Das kirchliche Gedächtnis für verstorbene Mitglieder aber blieb Sache der Älplerbruderschaft. Larissa Kretz stellt in ihrer Arbeit viele Betrachtungen an: Etwa zu Sankt Wendelin, dem Schutzpatron von Hirten und Vieh. Oder zur Kirche, die an diesem Tag mit bäuerlichen Produkten geschmückt wird. Erstaunlich ist die Feststellung, dass erst ab 1926, vor allem junge Leute die Tracht zu tragen beginnen. Auch die Rollen des Ehrenpredigers, der als Lohn einen Alpkäse erhält, oder jene der Fahnenschwinger werden hinterfragt.

Ausgiebig befasst sich Larissa Kretz mit den möglichst urchigen Wilden als eigentlicher Hauptattraktion an diesem Anlass. Dabei zitiert sie als eine von vielen Quellen den früheren Kernser Pfarrer Karl Imfeld: «Äs gid nyyd Scheeners as ä rächt wiäschtä Wildma.» Vor allem die Wilden dürften denen, die am bäuerlichen Fest teilnehmen, bekannt sein. Doch wer weiss schon, dass für die Älplerchilbi ein ganzes Heer von Beamten gewählt wird. In Giswil gibt es gar zwei «regelrechte» Hauptmänner, die am Chilbitag für das Morgenessen zu sorgen haben. Kaum aus dem Staunen heraus kommt man, wenn man in der Arbeit nachliest, welch grosse Zahl von Aufgaben, Pflichten und Bräuchen Gewählte zu erfüllen und zu beachten haben. Ja, bei diesem alten Brauch gilt wahrlich das Sprichwort «Würde bringt Bürde».

Die Älplerchilbi ist sehr beständig

Nach sorgfältig ausgewerteten Gesprächen mit acht Beteiligten erlaubt sich Larissa Kretz einen Vergleich zwischen den Anlässen in Kerns und Giswil anzustellen. «Hier wie dort beginnt die Älplerchilbi mit der Wahl der Beamten, die Kriterien dafür sind jedoch in den beiden Dörfern sehr verschieden», stellt sie fest. In Giswil würden nur Älpler gewählt, die den Sommer auf der Alp verbracht hätten, in Kerns aber seien alle wählbar, die einen Bezug zur Landwirtschaft haben. Interessant: In Giswil frühstücken die Gross- und Kleinteiler getrennt, derweil in Kerns alle gemeinsam tafeln. Die Festgottesdienste sind ähnlich gestaltet. Im Dorf ist in Giswil die Musikgesellschaft dabei. In Kerns spielt die Neunermusik am Festzug auf. In Giswil darf die Bevölkerung im Restaurant mit den Älplern essen, in Kerns sind die Gewählten unter sich. Gleich ist, dass die Bevölkerung das Fest mit den Gewählten geniesst, wobei die Sprüche der Wilden beider Orts ein Höhepunkt sind und bleiben. Ganz allgemein bilanziert die Maturandin: «Die Älplerchilbi hat schon eine lange Tradition, und so ist sie, bis auf wenige Anpassungen an die heutige Zeit, sehr beständig.»

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