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Obwalden

Grosse Geschäfte sind am Anschlag – kleine Läden springen in Obwalden ein

Senioren, die nicht mehr einkaufen, müssen jetzt einige Hürden bewältigen. Unser Autor erzählt aus eigener Erfahrung.
Sandra Aufdermauer liefert Ruth Cuonz Lebensmittel ins Haus. (Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 24. März 2020))

Romano Cuonz

«Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg kommen», lautet ein altes Sprichwort. Diese Binsenweisheit nehmen sich in den schwierigen Zeiten des Coronavirus zahlreiche einheimische, oft auch ganz kleine Geschäfte zu Herzen. Viele von ihnen haben für Kunden, die nun nicht mehr in den Laden kommen dürfen, praktisch über Nacht einen Hauslieferdienst eingeführt.

Wie wichtig dies ist, kann ich an unserem eigenen Beispiel zeigen. Meine Frau und ich sind über 65. Wegen Vorerkrankungen gelten wir beide als Risikopatienten. Gemäss Weisungen des Bundes sollten wir auf gar keinen Fall mehr selber in Einkaufszentren gehen. Unsere Kinder aber leben fern von Obwalden. Viele Nachbarn in unserem Quartier sind selber Senioren. Die wenigen aber, die nicht zur Risikogruppe gehören, haben jetzt am Arbeitsplatz und mit der Betreuung und Schulung ihrer Kinder so viel zu tun, dass wir sie zusätzlich nicht mehr als nötig belasten möchten.

Grossverteiler-Lieferungen sind ausgebucht

Weil wir zu Beginn der Krise auf Hamsterkäufe verzichtet hatten, gerieten wir nun schnell einmal in Versorgungsengpässe. Selbst an Grundnahrungsmitteln fehlte es uns da und dort. Was tun? Die erste Reaktion war, die Hauslieferdienste der Grossverteiler, bei denen wir oft einkauften, in Anspruch zu nehmen. Doch jetzt kam das böse Erwachen! Möchte man bei LeShop der Migros einen Warenkorb füllen, steht auf der Website nun schon seit über einer Woche stets das gleiche: «Fast alle Lieferfenster sind momentan ausgebucht. Wir können nicht garantieren, dass für Ihre Region noch Lieferzeiten zur Verfügung stehen.» Bei Coop at Home tönt es ähnlich: «Für diese Lieferadresse konnte aktuell kein Liefertermin ermittelt werden.» Wir versuchten es wieder und wieder. Und plötzlich stand da: «Sie sind in einer Minute dran.» Meine Frau eilte zum Laptop. Doch nach einer Minute hiess es: «Zurzeit sind in Ihrer Region keine Lieferfenster... et cetera».

Weil wir noch einen zeitlich befristeten Warengutschein besitzen, wandten wir uns nun telefonisch an Coop. Der lakonische Ratschlag der netten Dame lautete: «Wenn Sie nicht wollen, dass der Gutschein verfällt, sollten Sie es mit dem Bestellen am besten einmal nach Mitternacht versuchen!» Das aber liessen wir – als Risikogruppe – denn doch lieber bleiben.

«Das haben wir uns gut überlegt, aber dafür fehlt uns die Kapazität.»

Weil wir aber ohne Brot nicht auskommen, versuchten wir es als Nächstes bei einer der grössten Bäckereien im Sarneraatal. Marco Berwert, der mehrere Filialen betreibt, sagt: «Wir bemühen uns darum, den Versorgungsauftrag weiterhin sicherzustellen.» Man habe Massnahmen ergriffen, um die Mitarbeiter zu schützen. Teams gebildet, um den Sicherheitsabstand einhalten zu können. Zum Hauslieferdienst aber meinte Berwert: «Das haben wir uns gut überlegt, aber dafür fehlt uns die Kapazität.» Selbstverständlich mache man jederzeit Ausnahmen, wenn man sehe, dass Kunden der Risikogruppe in einer Notlage seien.

Über Nacht steht das Fleisch vor der Tür

Auf unsern Anruf sogleich reagiert hat dann der kleine Hofladen der Bauernfamilie Aufdermauer im Kernser Burgholz. Sepp Aufdermauer meint: «Aufgrund der aktuellen Situation haben wir uns entschieden, im Raum Kerns, Sarnen und Sachseln Hauslieferdienst anzubieten.» Immer auf Lager seien Brot, verschiedene Kuchen, Eier, Käse und Konfitüre. Keine 24 Stunden nach unserer telefonischen Bestellung brachte Sandra Aufdermauer das Gewünschte vors Küchenfenster. Das Geld legt man in einem Kuvert hin. Sepp Aufdermauer dazu: «Jetzt, wo viele in Schwierigkeiten stecken, nehmen wir die Mehrarbeit auf uns, solange wir sie bewältigen können.»

«Vielleicht schätzen die Leute dies und werden auch nach der Krise wieder auf uns Detaillisten zurückgreifen.»

Bei Fleisch- und Wurstwaren springt die einzige verbleibende traditionelle Metzgerei im Sarneraatal, Stutzer & Flüeler Kerns, in die Bresche. Geschäftsführer Ueli Banz dazu: «Zu unseren Stammkunden zählen viele ältere, sesshafte Leute, die jetzt ihr Haus nicht mehr verlassen können.» Diese lasse man nicht im Stich. Seit die Lieferungen an Restaurants wegfielen, konzentriere man alle freien Kapazitäten auf den Hauslieferdienst. Auch in diesem Fall klappte es hervorragend: Praktisch über Nacht fuhr ein Chauffeur vor, und stellte uns die telefonisch bestellte Ware vor die Haustür: vakuumiert und «virenfrei» verpackt! Bezahlen können wir per Rechnung oder via Twint. «Vielleicht schätzen die Leute dies und werden auch nach der Krise wieder auf uns Detaillisten zurückgreifen», hofft Ueli Banz.

Noch ein kleiner, fast amüsanter Vorfall: Als ich Trampel mich auch noch auf meine Lesebrille setzte, rief ich verzweifelt beim Sarner Optiker Ott an. Und siehe da: Dort war Jens Singer für Notfälle auf Pikett. Es verging keine Viertelstunde, bis die vor der Haustür platzierte Brille zur Reparatur abgeholt wurde.

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