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Obwalden

Erde zu Erde: Die Omlins schaffen in Sarnen letzte Ruhestätten

Die Grabmacher Balz und Elisabeth Omlin-Mitterer schauen es als Ehre an, Verstorbenen ein würdiges Grab zu bereiten
Elisabeth und Balz Omlin öffnen auf dem Friedhof die Erde für ein neues Urnengrab. (Bild: Romano Cuonz, Sarnen, 15. Juli 2019)

Romano Cuonz

«Im Gegensatz zu Luft, Wasser oder Feuer können wir Erde weder einatmen noch trinken oder zum Zubereiten von Essen benutzen», sagt ein nachdenklicher Sarner Gärtner Balz Omlin. Und doch sei sie für ihn und seine Frau, die gelernte Floristin Elisabeth Omlin, die Grundlage für ihre ganze Tätigkeit. Nun ja: die beiden arbeiten im Auftrag der Einwohnergemeinde Sarnen seit vielen Jahren als Totengräber und Friedhofsgärtner. Elisabeth Omlin präzisiert: «Die Berufsbezeichnung Totengräber gibt es heute nicht mehr. Neu nennt man uns Grabmacher.»

Oft würden Leute sie fragen, wie man denn eine solch schwierige Arbeit überhaupt verrichten könne. Darauf haben Balz und Elisabeth Omlin stets die gleiche Antwort parat: «Seid doch froh, dass jemand die Leute begräbt, wenn dies niemand mehr machen würde, wo kämen wir da hin?» Mehr noch: Die beiden schauen es als eigentliche Ehre an, Verstorbenen im «Element Erde» ein würdiges Grab zu bereiten und ihnen so einen letzten Dienst zu erweisen. Eine Ehrerbietung eben.

«Chlänkgloggä» ruft zur Arbeit

«Wenn wir jeweils vom Kirchturm das eintönige Läuten der ‹Chlänkgloggä› vernehmen, wissen wir, dass ab sofort unsere Arbeit als Grabmacher Priorität hat», erklärt Balz Omlin. Meist bekämen sie vom Pfarramt Bericht, wann die Beisetzung stattfinde. «Schon am Vortag öffne ich das Grab, ob für einen Sarg oder für eine Urne», sagt Balz Omlin. Der Beerdigungsgottesdienst fange heutzutage in der Leichenhalle an. Dann werde der Sarg – oder immer öfter die Urne – im Trauerzug zum Grab oder in die Kirche getragen. Von der Leichenhalle bis zum Grab begleite er den Sarg noch als Träger. Dann bleibe er im Hintergrund. Ist eine traditionelle Erdbestattung angesagt, verrichten Grabmacher ihre Arbeit stets so, dass die Trauernden davon gar nichts merken. Wenn diese aus der Kirche auf den Friedhof kommen, liegen auf dem Grab Bretter. Darauf sind Kränze und Blumen arrangiert. Und immer steht auch ein Gefäss mit Weihwasser bereit.

Das Element Erde spielt auch während der Zeremonie eine wichtige Rolle. Mit einer kleinen Schaufel wirft der Priester dreimal Erde aufs Grab und spricht dazu die Worte: «Aus der Erde sind wir gekommen, zur Erde sollen wir wieder werden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.» Vielerorts benutzen selbst die Trauergäste die Gelegenheit, mit einer Schaufel Erde oder auch Blütenblätter und Blumen ins Grab zu werfen. Grabmacher Balz Omlin versichert: «Erst wenn die Leute so ein weiteres Mal Abschied genommen haben, decken wir den Sarg zu. Mit jener Erde, die wir beim Ausheben des Grabes sorgsam aufbewahrt haben.»

Letzte Wünsche werden erfüllt

Die Arbeit des Grablegers habe sich verändert. «Früher habe ich immer nur mit der Grabschaufel gearbeitet», sagt Balz Omlin, «heute mache ich den grösseren Grabaushub mit einem kleinen Bagger.»

«Was unsere Arbeit als Grabmacher betrifft, haben die Leute eher selten Wünsche», hält Elisabeth Omlin fest. Dann erinnert sie sich: «Da war einmal eine Frau, deren Gatte schon im Gemeinschaftsgrab beerdigt war. Weil sie zu Lebzeiten viel gestritten und sich getrennt hatten, wollte sie ihm in diesem Grab auf gar keinen Fall wieder begegnen!» Elisabeth Omlin schmunzelt: «Schliesslich hat sie ihren Frieden doch im Gemeinschaftsgrab gefunden.»

In früheren Zeiten waren Gräber noch wahre Standessymbole. Der Volkskundler Karl Imfeld berichtet, wie bis Mitte des 19. Jahrhunderts Grabplätze nach Rang und Namen eingeteilt waren. Je entfernter ein Grab von der Kirche war, desto weniger einheimisch war der Tote. Es gab Felder für alte Landsleute, für Beisassen und Hintersassen. Prominente Familien sicherten sich an der Kirchenwand oder im Mausoleum sogar Plattengräber. Ob sie nicht zur Erde zurückkehren wollten? Weniger gut ging es den Armengenössigen, den sogenannten «Spittääler»: Sie erhielten weder ein Grabmal noch Blumen. Zutiefst entwürdigend war es für Obwaldner Protestanten: Sie mussten ihre Toten bis 1918 in der ungeweihten Erde an der sogenannten «Selbstmörderecke» begraben.

Schöne Arbeit als Friedhofsgärtner

Am meisten Freude bereitet dem Gartenbauer Balz Omlin und der Floristin Elisabeth Omlin die Arbeit als Friedhofsgärtner. Für diese sind sie teils von der Gemeinde, teils von Angehörigen angestellt. «Da äussern die Leute schon öfter letzte Wünsche», sagt Elisabeth Omlin. Weil ein Mann blaue Blumen über alles geliebt habe, habe sie extra solche gezogen. Etwas schwieriger sei es, so Balz Omlin, wenn Bergfreunde auf ihrem Grab Alpenblumen haben wollten. «Da müssen wir die Erde schon mit ein bisschen Kies und Kalk aufbessern», sagt er. Fragt man die Grabmacher und Friedhofsgärtner nach ihrer Lieblingsblume auf dem Friedhof, sind sie sich einig: «Die dankbare, pflegeleichte und eben auch sehr schöne Begonie!» Den leicht abschätzigen Beinamen Totenblume verdiene sie nicht.

In unserer Sommerserie stehen die vier Elemente Feuer, Erde Wasser und Luft im Zentrum.

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