notifications
Obwalden

Buddhismus im Garten

Redaktorin Franziska Herger schreibt in ihrem «Blitzlicht», was sie durch das Gärtnern alles gelernt hat.
Franziska Herger Porträt

Franziska Herger

Am Donnerstag öffneten sich an meinem Kamelienstrauch die ersten Blüten. Ich machte diese Entdeckung durch das Küchenfenster, worauf ich mich zügig und in Socken in den Garten begab, um die zwei weissen Blumen anzustarren. Eventuell habe ich ein Foto für Instagram gemacht. Eventuell auch mehr als eines, aus verschiedenen Winkeln.

Das hört sich nun so an, als würde ich jede freie Minute kopfüber in einem Blumenbeet verbringen. Aber ich mag Gärtnern eher so, wie Prinz Charles das Gärtnern mag. Biologisch und zu hundert Prozent, ohne mir die Hände dreckig zu machen. Dass ein Garten nie fertig ist, stresst mich irgendwie. Das ist mir viel zu sehr wie Wäsche, nur mit mehr Regenwürmern.

Als aber der Hauptgärtner kürzlich an einem sonnigen Samstag anderweitig beschäftigt war, erbarmte ich mich und schnitt ein Dickicht vertrockneter Frauenmäntel zurück, um den Tulpen mehr Platz zu geben. Und was soll ich sagen: Es war ein religiöses Erlebnis. Nicht das endlose Geschneide und Gerupfe. Wie sich herausstellt, ist Gärtnern weniger wie Wäsche als wie Joggen. Nach den ersten zwanzig Minuten «Wie unnötig, warum tue ich mir das an?» schaltet das Gehirn ab. Danach geht’s eigentlich.

Nein, die Erleuchtung kam wenige Tage später, als die fein säuberlich freigelegten, sich eben öffnen wollenden Tulpen unter einem halben Meter nassen Schnees zerdrückt wurden. Vergesst Buddhismus, wer alles über Demut, Vergänglichkeit und Gelassenheit lernen will, soll gärtnern! Und natürlich über Zähigkeit. Die Tulpen nämlich stehen inzwischen schon wieder auf Halbmast. Immerhin.

Kommentare (0)