Philipp Unterschütz
Philipp Unterschütz
«Es braucht Perspektiven. Es tut deshalb dringend Not, der Wirtschaft und Gesellschaft wieder eine verlässliche Aussicht auf Lockerungen und mehr Planungssicherheit zu geben, die auf nachvollziehbaren Entscheidungseckwerten gründen. Nur so lässt sich Vertrauen schaffen.»
So redet die Obwaldner Regierung dem Bundesrat in ihrer Stellungnahme zum Öffnungspaket II ins Gewissen. Am Freitag will der Bundesrat orientieren, wie es mit den Massnahmen weitergehen soll.
Aus den Stellungnahmen der Kantone Ob- und Nidwalden geht deutlich hervor, dass man zwar mit der Drei-Pfeiler-Strategie «Massnahmen, Testen und Impfung» einverstanden ist und das Öffnungspaket grundsätzlich in die richtige Richtung gehe. Die Indikatoren für weitere Öffnungsschritte sorgen aber für Kritik. So verlangt Obwalden vom Bundesrat, diese zu überarbeiten. «Die Anzahl der Neuansteckungen und die Positivrate sind als Grundlage für den Entscheid von Öffnungsschritten weniger stark zu gewichten. Vielmehr sollen auch die Schweregrade der einzelnen Krankheitsverläufe und insbesondere neu die Impfquote berücksichtigt werden.»
Öffnungsschritte sollten generell direkt an den Impffortschritt geknüpft werden, findet Obwalden.
Dieser Meinung ist man auch in Nidwalden, wo man den Bundesrat warnt, dass nicht höhere Fallzahlen als Begründung herangezogen werden sollen, wie es sie wohl aufgrund der neuen Teststrategie mit Massentests in Betrieben und Institutionen geben dürfte. Das müsse auch aufgrund der zunehmenden Impfquote nicht gleichbedeutend mit einer Verschlechterung der epidemiologischen Lage sein.
«Weitere Lockerungsschritte allein auf die Entwicklung der 14-Tage-Inzidenz, die Positivitätsrate sowie die Reproduktionszahl abzustützen, macht nur bedingt Sinn. Vielmehr sollte sich die Öffnungsstrategie auch an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen orientieren.»
Schliessung der Terrassen war falsch
Im Gastronomiebereich verlangt Nidwalden, dass nicht nur Terrassen, sondern auch die Innenbereiche geöffnet werden dürfen. «Dies ist aus Optik des Kantons unter Einhaltung von strengen Schutzkonzepten verantwortbar», schreibt der Kanton. Auch Obwalden will mindestens die Öffnung der Aussenbereiche per Anfang April und macht klar, dass man von der Schliessung der Terrassen in den Skigebieten nach wie vor nichts hält.
«Wir verweisen auf die positiven Erfahrungen, wonach geordnete Konsumationen aus epidemiologischer Sicht sinnvoller sind als unkontrollierte Menschenansammlungen bei Take-away-Angeboten.»
Und eine Maskentragpflicht während des Sitzens zwischen den Konsumationen wird als «nicht praktikabel» abgelehnt.
Auch bei den Läden wünscht sich Obwalden weitere Lockerungen, beispielsweise mit einer höheren Anzahl Personen pro Quadratmeter. Es sei widerlegt, dass ein Beibehalten der strengeren Kapazitätsbeschränkung für Läden ohne Lebensmittel tatsächlich verhindere, dass mehr Personen in die Innenstädte oder Shoppingcenter gelockt würden. «Die langen Schlangen von anstehenden Leuten werden dadurch nicht verkürzt, sondern es findet eine Verschiebung vom kontrollierten in den unkontrollierten Raum statt. Dadurch erhöht sich auch das Ansteckungsrisiko, zumal eine Mehrheit der Ansteckungen bereits heute im privaten Bereich stattfindet.»
Mehr Publikum bei Anlässen
Für Veranstaltungen verlangt Nidwalden einheitliche Regeln und dass nicht zwischen Anlässen mit und ohne Publikum unterschieden wird. Der Kanton schlägt vor, Veranstaltungen mit 50 Personen im Innenbereich und 150 Personen im Freien unter Einhaltung von Schutzkonzepten zuzulassen. Private Treffen oder Veranstaltungen in Innenräumen sollen neu wieder mit bis zu 15 Personen, spontane Treffen draussen mit maximal 30 Personen möglich sein. In den Bereichen Sport, Kultur und Bildung soll die maximale Anzahl an Personen bei Gruppenaktivitäten auf die gegebene Raumgrösse und die Art der Aktivität ausgerichtet werden, ohne konkrete Begrenzung der Personenzahl.
Obwalden will, dass für Lokalitäten mit zugewiesenen Sitzplätzen auf eine Beschränkung auf 15 Personen verzichtet wird, sofern die Schutzkonzepte dafür örtliche Begebenheiten berücksichtigen:
«Bei anderen Lokalitäten schlagen wir eine Beschränkung auf zwei Drittel der Kapazität vor.»
Diese Zwei-Drittel-Regel schlägt Obwalden auch für religiöse Feierlichkeiten vor. Auch Nidwalden verlangt Sonderregelungen für die bevorstehenden Feierlichkeiten wie Ostern, Erstkommunion oder Firmung.
Schwankungen bei Neuansteckungen sind auszuhalten
Nicht praxistauglich ist für Obwalden der Vorschlag des Bundesrats, den Präsenzunterricht auf Tertiärstufe und im Weiterbildungsbereich für maximal 15 Personen zuzulassen. «Eine Beschränkung der Personenzahl auf 15 ist unrealistisch und an den Hochschulen nicht umsetzbar», schreibt der Kanton Obwalden.
Und auch Nidwalden redet dem Bundesrat abschliessend ins Gewissen:
«Überhaupt werden mittel- und langfristige Perspektiven, auch vor allem für den Tourismusbereich und die Eventbranche, vermisst. Für die Planungssicherheit von betroffenen Sparten sollte mindestens ein Zeitplan mit Meilensteinen für die Lockerungsentscheide vorliegen.»
Und Obwalden weist drauf hin, dass mit der Gewährung von mehr Freiheiten auch der Anspruch an die Eigenverantwortung steige. «Dies bedeutet auch, dass Schwankungen bei den Neuansteckungen auch nach oben auszuhalten sind.» Man darf nun also sicherlich gespannt sein, ob der Bundesrat diesmal den kantonalen Forderungen mehr Gewicht gibt.