Christian Glaus
Die Beschaffung der pannenanfälligen Luzerner Steuersoftware sei rechtmässig erfolgt. Dies habe auch eine nochmalige interne Überprüfung gezeigt, erklärte Finanzdirektor Reto Wyss (CVP) am Dienstag im Kantonsrat bei der Beantwortung Dringlicher Anfragen von Simone Brunner (SP, Luzern) und Stephan Betschen (FDP, Buchrain). Dass der Auftrag nie öffentlich ausgeschrieben wurde, begründete das Finanzdepartement in der schriftlichen Antwort mit einer Ausnahmeregelung im Beschaffungsrecht. Es handle sich um eine Weiterentwicklung des bestehenden Programms für natürliche Personen. In diesem Fall könne ein Auftrag direkt vergeben werden, weil einzig dadurch «die Austauschbarkeit mit schon vorhandenem Material oder von Dienstleistungen gewährleistet» sei. Seit 15 Jahren arbeitet der Kanton mit der Entwicklerfirma Information Factory zusammen. «Mit der Fortführung der Zusammenarbeit können die früheren Investitionen in die Software geschützt werden.»
So weit, so nachvollziehbar – auch für Uniprofessor Nicolas Diebold, Ordinarius für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Luzern. Allerdings: Die Information Factory ist nie über eine öffentliche Ausschreibung zu ihrem Auftrag gekommen. «Die Ausnahmeregelung greift nicht, wenn das Gemeinwesen ein neues Softwaresystem erstmalig einkauft oder ein bestehendes System komplett ersetzt und mehrere Anbieter in Frage kommen», schränkt Diebold ein.
Ist die Steuersoftware eine Neu- oder Weiterentwicklung?
Die Frage ist also: Ist die Steuersoftware eine Neu- oder eine Weiterentwicklung? Dabei scheint es Interpretationsspielraum zu geben. In der Vorstossantwort schreibt das Finanzdepartement: «Bei der Erneuerung des Programms wurden nur die bestehenden Eingabemasken (Formulareingabe) durch eine zeitgemässe Dialogeingabe ersetzt.» Das Programm basiere «weiterhin auf dem bestehenden funktionalen Kern». Anders klang im Februar die Aussage von Paul Furrer, Geschäftsbereichsleiter der Dienststelle Steuern. Er sagte gegenüber unserer Zeitung: «Das Programm ist technisch auf einem völlig neuen Niveau. Davon merkt der Nutzer aber nichts. Für ihn sieht nur die Oberfläche neu aus.»
Auch ein weiterer Punkt wirft Fragen auf: Musste die bestehende Software überhaupt von der gleichen Firma weiterentwickelt werden? Denn während der Kanton Luzern und die Information Factory auf eine Steuererklärung hinarbeiten, welche komplett online ausgefüllt werden kann, gibt es eine solche Lösung bereits seit 2019 für Luzern. Diese hat die Baarer Firma Ringler Informatik aufgebaut. Die Plattform www.etax.ch kann von natürlichen Personen einmal gratis genutzt werden. Es scheint also Alternativen zu geben.
Wann die Lösung des Kantons online – also beispielsweise auch mit dem Smartphone – genutzt werden kann, ist derweil noch offen. Bekannt ist, dass das digitale Einwohnerportal, welches Voraussetzung dafür ist, ab 2022 verfügbar sein soll. Zu den Kosten für die Weiterentwicklung der Steuersoftware macht das Finanzdepartement keine Angaben. Es schreibt in der Antwort auf die Anfragen lediglich, die neue Software sei «webfähig und somit für die zukünftige Online-Steuererklärung gerüstet».
Kosten: Finanzdepartement bleibt vage
Keine Neuigkeiten gab es am Dienstag betreffend Kosten für die Pannensoftware. Diese wurde gemäss Finanzdepartement zu einem Fixpreis von 215'000 Franken beschafft. Hinzu kommen jährlich 38'000 Franken für den Help-Desk und einmalig 29'000 Franken für die Integration des neuen E-Wertschriftenverzeichnisses der Schweizer Banken. Ansonsten bleibt das Finanzdepartement vage. So erklärt es die grosse Differenz zur Kostenschätzung der E-Government-Strategie nicht. In diesem Dokument von 2017 wurde die Summe von 2,3 Millionen Franken für die Internetsteuererklärung genannt. Werden künftig also noch hohe Kosten anfallen?
Kantonsrätin Simone Brunner und Kantonsrat Stephan Betschen zeigten sich mit der Antwort des Finanzdepartements teilweise zufrieden. Ob die Beschaffung korrekt abgelaufen sei, lasse sich nur schwer beurteilen, sagte Brunner. Zudem bleibe das Finanzdepartement eine Kostenaufstellung schuldig:
«Es wird nicht mit offenen Karten gespielt.»
Urban Frye (Grüne, Luzern) forderte eine zentrale Beschaffungsstelle, weil die Nähe zwischen Verwaltungseinheiten und Lieferanten bei freihändigen Vergaben problematisch sein könne. Stephan Betschen sprach in Zusammenhang mit der Software von einer «Bananenlösung». «Das Produkt reift erst beim Kunden.» Positiv werteten die Kantonsrätinnen und Kantonsräte, dass der Kanton künftige IT-Projekte besser an den Nutzern ausrichten und testen will. Das sei mit Blick auf anstehende Grossprojekte wichtig.
Finanzdirektor Reto Wyss gestand in drei Punkten Fehler ein: Den Kundinnen und Kunden sei ein zu grosser Umstellungsschritt zugemutet worden, das Testing und die Freigabe der neuen Software seien «nicht gut» gewesen und «die Kommunikation war ungeschickt». Immerhin gelinge es, den Rückstand beim Help-Desk langsam abzubauen.