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Uri

Nie mehr auf den Gitschen!

Kolumnist Ralph Aschwanden über seine Erfahrungen mit bergigen Wanderwegen.
Ralph Aschwanden (Bild: PD)

Ralph Aschwanden

Als Edmund Hillary, der gemeinsam mit Sherpa Tenzing Norgay als erster Mensch den Mount Everest bestieg, gefragt wurde, warum er auf Berge steige, soll er der Überlieferung nach geantwortet haben: «Weil sie da sind.» Wenn man sich vorstellt, welche Strapazen die beiden durchlitten haben, um den höchsten Berg der Welt zu besteigen, scheint mir das ein wenig zu einfach. Zumindest muss sie ein gewisser Drang nach Rekorden oder nach dem Bezwingen der Berge angetrieben haben. Oder ganz einfach der Wunsch, seine eigenen Grenzen (und nebenbei auch diejenigen der gesamten Menschheit) auszutesten.

Nun, wenn ich «Berge» besteige, so geht es mir tatsächlich um ein schönes Erlebnis, die Aussicht oder einfach darum, etwas draussen zu unternehmen. Deshalb halte ich mich normalerweise an weiss-rot-weisse Wanderwege (sie wissen schon, bis Schwierigkeit T3, für diejenigen unter ihnen, welche die SAC-Skala kennen). Nur in seltenen Fällen wage ich mich auch auf weiss-blau-weisse Wege (maximal bis T5 für mich, das T6 überlasse ich anderen). Kurz gesagt, muss vor mir schon jemand einen Weg angelegt oder gekennzeichnet haben, damit ich mich als Hobby-Wanderer bis zum Gipfel hoch wage. Und am liebsten habe ich dort genügend Platz, um die Beine zu strecken, nehme ein gemütliches Mittagessen aus dem Rucksack zu mir und trage natürlich auch meinen Namen – immer mit einem gewissen Stolz – ins Gipfelbuch ein.

Statt im Gipfelbuch des Mount Everest oder des Finsteraarhorns (sofern es eines dort oben gibt) steht mein Name deshalb lediglich im Gipfelbuch des Rophaien, des Rossstocks, des Kaiserstocks oder des Pizzo Centrale. Und auch auf dem Gitschen war ich tatsächlich schon. Für mich war das allerdings deutlich zu «weiss-dunkelblau-weiss». Deshalb gilt für mich: einmal und nie wieder. Ich konzentriere mich dann lieber – auch als Fan der Fussballteams der Schweiz und England – mehrheitlich auf weiss-rot-weisse Markierungen.

Das Wandern an sich wurde mir von meiner Familie in die Wiege gelegt respektive in Form von Wanderschuhen als Kind an die Füsse geschnürt. Schön Chulm–Spilausee; Kinzigpass; Surenenpass; Hinter Jochli–Klewenalp (mit Abstecher auf den Risetenstock): Das waren die familiären Klassiker, die jedes Jahr zu Fuss zurückgelegt wurden. In guten Jahren sogar mehrfach.

Später kamen dann die ersten Gipfel und Hütten dazu. Spätestens im Geologieunterricht am Kollegi oder dann im Militär konnte ich diese familiäre «Grundausbildung» vollauf auskosten. Und so mag es nicht erstaunen, dass ich als Vater mittlerweile auch mit meiner Familie auf meist weiss-rot-weissen Wanderwegen unterwegs bin und mich dabei ertappe, wie ich die selber als Kind bewanderten Strecken nun meinem eigenen Nachwuchs zeige.

Zu den wichtigsten Wanderzielen dieses Jahr zählt, dass ich gemeinsam mit meinem Sohn (der etwas älter ist als seine Geschwister), einige Gipfel besteige, die wir von unserer Wohnung aus sehen: beispielsweise der Oberbauenstock oder den Bälmeten. Da aber für die Jahreszeit höher oben immer noch viel Schnee liegt, haben wir uns für den Rophaien als erste Tour entschieden (von Riemenstalden aus). Und was soll ich sagen: Wir haben einen traumhaften Tag erwischt. Lediglich der Muskelkater an den folgenden Tagen sowie die Tatsache, dass einzelne Passagen doch noch sehr glitschig waren (gut zu sehen an meinen Wanderhosen), sind als Negativpunkte zu erwähnen.

Und dann war da noch was. Mein Sohn erblickte auf dem Rophaien jenseits des Reusstals den Gitschen und verkündete: «Da will ich auch bald rauf.» Das war just der Moment, als ich zu meinem Vortrag über weiss-rot-weisse und weiss-blau-weisse Markierungen und mein Verhältnis zu den beiden ansetzen musste. Eines ist meinem Sohn jetzt klar: Wenn er auf den Gitschen will, muss er ohne seinen Vater da hoch – und am liebsten erst dann, wenn er bereits erwachsen ist. Denn für mich gilt: Nie mehr auf den Gitschen!

Ralph Aschwanden, Vorsteher des Amts für Kultur und Sport Uri

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