notifications
Region

Vor zehn Jahren bewegte Fukushima auch Nid- und Obwalden

Die Reaktorkatastrophe in Japan im März 2011 führte in Nid- und Obwalden zu Mahnwachen und unkonventionellen Aktionen.
Auf Einladung der Grünen Nidwalden nahmen beim Winkelrieddenkmal in Stans gut 70 Personen an einer Mahnwache zu den Ereignissen in Japan teil. ( Bild: Nidwaldner Zeitung (21. März 2011))

Matthias Piazza

Mit aufgesetzten Masken fallen die Juso-Mitglieder bei Ankunft eines Zuges im Bahnhof Sarnen wie tot um. Zwei als Atomexperten verkleidete Aktivisten verteilen den erstaunten Passanten Flyer. Mit der Aktion am 19. März 2011 fordern die Jungsozialisten den nationalen Ausstieg aus der Atomenergie. Hintergrund ist die Dreifachkatastrophe, die am 11. März desselben Jahres über Japan hereinbricht.

Ein Erdbeben der Stärke 9 und ein Tsunami, der bis zu 15 Meter hoch ist, fordern über 20'000 Menschenleben. Eine weitere Folge des Erdbebens: ein Atomunfall. Beim Atomkraftwerk in Fukushima tritt nach mehreren Explosionen Radioaktivität aus, mehr als 50'000 Menschen müssen aus der Umgebung evakuiert werden. Die Ereignisse halten die Welt in Atem – so auch unsere Region.

«Wir brauchen die Atomenergie nicht. Es bräuchte gerade einmal auf elf Prozent aller Schweizer Dächer eine Solarzelle, damit wir die 40 Prozent Atomenergie kompensieren können», schrieb die Jungpartei damals dazu. Sie begrüsse den jüngsten Beschluss des Kantonsrates, den Bau von Solarzellen zu erleichtern. «Es darf nun aber nicht Schluss sein. Jetzt sollte man erst recht den Schritt zum kompletten Austritt aus der Atomenergie im Kanton vollziehen.»

Zeitgleich mit Obwalden fand auch in Stans ein sogenannter Smartmob statt, organisiert von den Nidwaldner Jungsozialisten. «Die Ereignisse in Japan beweisen, dass auch ein modernes AKW der Natur nicht standhalten kann», schrieben die Jungpolitiker. Die bürgerlichen Politiker sprächen über die hohen Stromkosten alternativer Energien, dem müsse man jedoch die Kosten für die Säuberung eines radioaktiv verseuchten Gebietes gegenüberstellen.

Kerzen für die Opfer beim Winkelrieddenkmal

Auch die Grünen brachten sich in Stellung. Gut 70 Personen nahmen einige Tage später an ihrer Mahnwache teil. Sie entzündeten beim Brunnen vor dem Stanser Winkelrieddenkmal Kerzen für die Opfer von Japan. Es sei nicht der Zeitpunkt, um viel zu sagen, meinte der damalige Landrat Conrad Wagner (Grüne, Stans). Und gab darin seiner Hoffnung Ausdruck, dass man nun nicht nur so lange die Atomenergie hinterfrage, wie der Fokus der Medien noch auf den Geschehnissen in Japan liege.

Die Grünen waren schon damals der Meinung, die Sicherheit der Atomkraftwerke sei «eine hohle Phrase». Die Nidwaldner Regierung habe vor einem halben Jahr «das Volk in die Irre geführt». Bei der kantonalen Abstimmung über die Atomausstiegsinitiative habe sie versprochen, Atomkraftwerke seien sicher und wirtschaftlich nötig. «Nach den Ereignissen in Japan muss nun auch der Nidwaldner Regierungsrat einsehen, dass dies nicht stimmt», sagte damals Norbert Furrer, zu jener Zeit Präsident der Grünen Nidwalden. Das unermessliche Leid und die Ungewissheit über die Folgen der Atomkatastrophe würden einem vor Augen führen, wie hoch das Risiko sei.

Nidwaldner Bekenntnisse zum Atomstrom

Im September 2010 lehnten die Nidwaldner mit 64 Prozent die SP-Initiative «Für einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie» ab. Die Sozialdemokraten hatten mit ihrer Volksinitiative verlangt, dass sich das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) bis spätestens 2039 vom Atomstrom loslöst und ab dann nur noch alternativen Strom, etwa aus Wasserkraftwerken oder Windparkanlagen, anbietet.

Ebenso deutlich verwarfen die Nidwaldner sechs Jahre später die nationale Atomausstiegsinitiative. Diese war im Nachgang zu Fukushima von den Grünen und weiteren Organisationen eingereicht worden. Sie verlangte ein Verbot für den Neubau von Kernkraftwerken und wollte die Laufzeit aller bestehenden Kernkraftwerke auf maximal 45 Jahre beschränken.

Auch die Obwaldner wollten davon nichts wissen und verwarfen die Initiative ebenfalls mit 65 Prozent Nein-Stimmen. Damit war der Nein-Anteil der beiden Kantone noch gut zehn Prozent über dem nationalen Schnitt. Ein anderes Bild zeigte sich im Mai 2017 zur angenommenen Abstimmung über die Energiestrategie 2050. Nidwalden reihte sich in die 22 Befürworterkantone ein. Die Obwaldner legten ein Nein in die Urne wie auch die Schwyzer, Glarner und Aargauer.

Nidwalden gehe immer noch «stiefmütterlich» in Richtung Ökologie

Seit Fukushima sei sehr viel in die richtige Richtung gegangen, sagt auf Anfrage Alexander Huser, aktueller Präsident der Grünen Nidwalden. «Das ökologische Bewusstsein ist gestiegen, davon zeugen auch die Klimastreiks.» Und auch die Energiestrategie 2050 mit dem längerfristigen Ausstieg aus der Atomenergie sei ein wichtiger Schritt. «Doch der Kanton Nidwalden selber könnte noch viel mehr machen. Wir sind immer noch stiefmütterlich unterwegs in Richtung mehr Ökologie, wie auch das Energiegesetz zeigt, das zurzeit im Landrat beraten wird. Da macht man keine Riesenschritte», bedauert er.

Kommentare (0)