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Nidwalden

Späterer Schuleintritt in Nidwalden: Drohen auch unerwünschte Folgen?

In der Vernehmlassung wird der spätere Schuleintritt in Nidwalden begrüsst. Fachleute befürchten aber, dass es nicht nur Gewinner gibt.
Eine Spielgruppe in Stans beschäftigt sich mit dem Thema Karies. (Symbolbild: Neue LZ)

Marion Wannemacher

Künftig sollen die jüngsten Schulkinder in Nidwalden beim Schuleintritt knapp sechseinhalb Jahre sein. Diesen Vorschlag hat der Nidwaldner Regierungsrat Anfang des Jahres in die Vernehmlassung geschickt. Drei Viertel der 26 Stellungnahmen begrüssten die Verschiebung des Stichtags für die Einschulung von Ende Juni auf Ende Februar (wir berichteten). Im Herbst wird das Parlament über die Teilrevision des Volksschulgesetzes beraten.

Auch der Lehrerinnen- und Lehrerverband Nidwalden (LVN) hatte sich für das Hochsetzen des Einschulungsalters ausgesprochen. Die Präsidentin Lea Lowth sieht jedoch auch negative Seiten. «Es gibt durchaus Risikogruppen, die sogenannten Problemfälle, bei denen sich eine Chancenungerechtigkeit ergeben würde», differenziert sie. «Das betrifft Kinder von bildungsfernen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund, die noch nicht lange in der Schweiz sind.» An und für sich sei die Stellungnahme zur Vernehmlassung beim Verband «eine klare Sache» gewesen.

«Ich hoffe nicht, dass die genannte Personengruppe einen grossen Anteil ausmacht», betont Lea Lowth. Sie sieht allerdings auch folgenden Aspekt: «Die Kindergärten platzen aus allen Nähten, es gibt Kinder, die noch massiv Ablösungsprobleme haben.» Ein Vorteil einer Verschiebung des Schuleintrittsalters könnte sein, dass die Lehrpersonen mit reiferen Kindern einfacher arbeiten könnten. «In Zusammenhang mit qualifizierten Fachpersonen, wie Schulischen Heilpädagogen und Lehrpersonen für Deutsch als Zweitsprache könnte man dann wieder intensiver und gezielter jene Kinder fördern, die ein Defizit mitbringen», so Lowth. Die Hoffnung auf kleinere Klassen oder bessere Anstellungsbedingungen hat sie noch nicht ganz begraben. «Wir schauen erst mal, was das Rückstufen einbringt» sagt die Präsidentin des LVN.

Früherkennung spielt bedeutende Rolle

Cécile Wyrsch leitet die heilpädagogische Schule in Stans, die unter anderem für integrative Sonderschulung für Schüler mit geistiger und Mehrfachbehinderung zuständig ist. Sie stellt Fachpersonen zur Verfügung, wenn Kinder Therapien in den Bereichen Logopädie oder Psychomotorik brauchen. Der Kanton erbringt diese Dienstleistung flächendeckend. Auch Cécile Wyrsch geht davon aus, dass eine Verschiebung des Einschulungsalters Kinder aus bildungsfernen Familien und Familien mit Migrationshintergrund betrifft. Sie verweist auf das Projekt Sprach- und Qualitätsförderung, das in einigen Spielgruppen für gezielte Unterstützung entsprechender Kinder bedeute.

Nach Ansicht von Wyrsch könnten von einer Entwicklungsverzögerung zudem alle Kinder aus unterschiedlichen Gründen betroffen sein, hält sie vor. «Häufig wachsen Kinder ohne Geschwister auf, sodass man als Eltern keine Vergleichsmöglichkeiten hat und nicht genau weiss, wo das Kind in seiner Entwicklung steht.»

Auch Cécile Wyrsch misst der Früherkennung durch den Kinderarzt eine bedeutende Rolle bei. Sie rät Eltern, diese Abklärungen in jedem Fall zum Wohl ihres Kindes wahrzunehmen. Punkto Heraufsetzung des Schulalters sieht sie den Vorteil, dass Jugendliche für die spätere Ausbildung reifer seien.

Grüne fordern gesetzliche Grundlage

Heinz Häberli, Leiter der Kompetenzgruppe Bildung der Grünen, zeigt sich enttäuscht vom Tenor der Vernehmlassung. «Das Ziel der Herabsetzung des Schuleintrittsalters war und ist die Erhöhung der Chancengerechtigkeit», hält er fest. «Es funktioniert nicht, wenn man die Frühförderung den Eltern und dem Zufall überlässt, ob jemand auf privater Basis oder die Gemeinde dies übernimmt.» Die Grünen in Nidwalden fordern eine gesetzliche Grundlage, welche die familienergänzende Betreuung im Vorschulalter als Aufgabe der öffentlichen Hand regelt und Massnahmen vorsieht, die Kinder aus bildungsfernen Familien von diesen Betreuungsangeboten profitieren lässt.

Und was sagen die Eltern dazu? Laut Regula Amgarten, Geschäftsleiterin des Chinderhuis Nidwalden, ist den Gruppenleiterinnen der Kindertagesstätten bislang keine Diskussion zu Ohren gekommen. Sie sieht folgende Konsequenzen der Verschiebung des Schuleintritts: «Das würde bedeuten, dass die Eltern länger einen finanziellen Aufwand hätten. Organisatorisch ist es für Eltern von Kindern in der Kindertagesstätte einfacher, als wenn sie in die Schule gehen, da ja dann eine Betreuung über Mittag und am Nachmittag sicher gestellt werden muss.» Aus der Praxis könne sie bestätigen, dass es wichtig sei, dass Kinder an einer Einrichtung «andocken» könnten, «sei es in der Schule, in der Kindertagesstätte oder in einer Tagesfamilie», je früher das passiere, desto besser. Denn auch dann würden Kinder aus sozial benachteiligten Familien früher aufgefangen.

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