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Nidwalden

Dieses Jahr erhält das Kloster Engelberg wieder den «nassen Zehnten» – nach über hundert Jahren

Die Gemeinde Stans lässt zum 900-Jahr-Jubiläum des Klosters Engelberg eine alte Tradition wieder aufleben – und bringt dem geistigen Zentrum eine Kirchenabgabe vorbei.

Man hört sie schon von weitem: das Gebimmel der Maultier- und Maulesel-Glocken. Plötzlich setzt Blasmusik ein. Es sind die Säumer der Säumer- und Train-Vereinigung Unterwalden, begleitet von der Harmoniemusik Stans, die am Samstagnachmittag durch das Dorf von Engelberg ziehen. Der Tross erntet am Strassenrand neugierige Blicke, als er sich im Schritttempo Richtung Kloster Engelberg verschiebt.

Die sieben Maultiere und ein Maulesel sind schwer beladen. Die Last von über 100 Kilogramm Äpfel, Birnen und Nüsse sind auf den Rücken der Tiere verteilt. Die Ladung, die sie mit sich führen, hat aber mehr als einen materiellen Wert. Es ist der sogenannte nasse Zehnte der Gemeinde Stans, den die Säumer dem Kloster Engelberg zu seinem 900-jährigen Bestehen symbolisch überbringen. Dabei handelt es sich um eine Kirchenabgabe, von der sich die Kirchgemeinde Stans vor mehr als hundert Jahren freigekauft hat.

Maultiere werden in Kirche gebeten

In den Reihen des Zuges befindet sich auch eine politische Delegation, bestehend aus Regierungsräten mit Wohnsitz in Stans sowie Behördenmitgliedern der Stanser Gemeinde. Als die Entourage Schirme tragend zu den Pforten der Klosterkirche hochzieht, werden sie dort bereits von Abt Christian Meyer erwartet. Zur Überraschung aller lädt dieser die Säumer mit ihren Maultieren zum Abladen in die Kirche ein. «Auch Tiere sind Geschöpfe Gottes», sagt er.

Höhepunkt der Zeremonie ist die Übergabe eines Nusssackes durch Gemeindepräsident Lukas Arnold an Abt Christian Meyer, der unter viel Applaus über die Bühne geht. Der Abt bedankt sich. «Es ist ein besonderer Moment. Vor 119 Jahren wurde der nasse Zehnte letztmals überbracht. Die heutige Übergabe ist ein Zeichen der guten und freundschaftlichen Beziehung zwischen Stans und dem Kloster Engelberg», sagt er. Gemeindepräsident Lukas Arnold ist es eine grosse Ehre:

«Von einem Kenner der Kantonsgeschichte liess ich mir sagen, dass vermutlich keine Institution mit ihrer Leistung Nidwalden so geprägt hat, wie das Kloster Engelberg.»

Für diese Leistung habe die Landbevölkerung jahrhundertelang den nassen Zehnten an das Kloster ausgerichtet. Mit dem Abschütteln von Verpflichtungen gegenüber dem Kloster ab 1291 seien zwischendurch zwar auch Konflikte entstanden. Heute schätze man die Zusammenarbeit aber sehr. «Ich wünsche Ihnen für weitere Jahrhunderte hoffentlich nur das Beste», so Lukas Arnold.

Auf die alten Bande zwischen Stans und dem Kloster Engelberg ging Beat Christen in einem historischen Abriss ein. Christen hat sich als Organisator der Übergabe hervorgetan. Die Zehntabgabe sei quasi der Lohn gewesen für die von Mönchen geleisteten Dienste als Pfarrer in den jeweiligen Gemeinden. «Die Mönche sorgten für das geistige Wohl der Bevölkerung, während die Gemeinden mit Naturalien für das leibliche Wohl der Klostergemeinschaft sorgten.» Doch wie konnte eine Zehntabgabe nass sein? «Schon die Vorfahren haben es verstanden, den Überschuss an Kirschen, Zwetschgen, Birnen und Äpfeln zu konservieren.» Aus Nüssen stellte man Lampenöl her, aus Äpfeln und Birnen Most, der schliesslich zu Apfelwein vergor. Die Frage, ob der nasse Zehnte deshalb eine Alkoholsteuer war, lässt er im Raum stehen.

Das Kloster ist mehr als ein religiöses Zentrum

Am Rande der Veranstaltung ist auch Regierungsrat Othmar Filliger anzutreffen. Er zeigt sich froh, dass der Anlass unter den gegebenen Umständen so durchgeführt werden konnte. «Wir müssen immer wieder gemeinsam Lösungen finden und es ist schön, dass wir das würdigen können.» Das Kloster Engelberg sei nicht nur ein geistliches und religiöses Zentrum, sondern auch ein wirtschaftliches. «Sie machen heute noch wirtschaftlich viel für uns – sie sind eine wichtige Ausbildungsstätte.» Er spricht die Sportmittelschule und das Internat an, die beispielsweise mit dem Englisch-Schwerpunkt wichtige und moderne Akzente setzen.

Gemeindepräsident Lukas Arnold findet, der Anlass sei eine schöne Geste. «1872 hat sich Stans vom Nuss-Zehnten und 1562 vom nassen Zehnten für einen hohen Betrag freigekauft.» Insofern handelt es sich anders als früher um eine freiwillige Gabe, die dem Kloster dargebracht wird. «Es ist ein einmaliges Geschenk zum 900-jährigen Jubiläum, weil wir die Zusammenarbeit mit dem Kloster sehr schätzen.»

Und was geschieht nun mit den Äpfeln, Nüssen und Birnen? «Ein Teil der Früchte landet sicher in der täglich in unserem Konvent aufgestellten Früchteschale. Unser Küchenteam wird sicher die eine oder andere Spezialität mit den uns geschenkten Früchten zubereiten», freut sich Abt Christian Meyer.

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