notifications
Nidwalden

Diese historischen Schätze gibt es im Keller des Nidwaldner Staatsarchivs zu entdecken

Sie liegen in Schachteln oder gar Koffern: Hunderte von Akten und Dokumenten warten im Staatsarchiv darauf, erfasst und erschlossen zu werden. Eine Arbeit, für die gut vier Jahre eingeplant sind.
Akten und Dokumente finden sich selbst in alten Koffern. (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))
Staatsarchivar Emil Weber und die wissenschaftliche Projektleiterin Monika Burri sichten alte Akten. (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))
Ganze Regalreihen an Akten warten darauf, erfasst und katalogisiert zu werden. (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))
Eine alte Gerichtsakte zu Hexenprozessen aus dem Jahr 1621, fein säuberlich von Hand verfasst. (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))
Monika Burri zeigt eines der alten Bücher (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))
Monika Burri zeigt eines der alten Bücher (Bild: Urs Hanhart (27. Juli 2020))

Martin Uebelhart

Martin Uebelhart

Martin Uebelhart

Martin Uebelhart

Martin Uebelhart

Martin Uebelhart

Tief in den Keller geht es im Staatsarchiv Nidwalden an der Stansstaderstrasse in Stans. Langsam öffnet sich eine schwere Betontür und gibt den Zugang zum Kulturgüterschutzraum frei. In mehreren Räumen stehen lange Reihen von Rollregalen. Die Historikerin und Archivarin Monika Burri dreht an einer der Kurbeln, das Licht im Gang geht an und gibt den Blick frei auf eine ganze Reihe von Dokumenten. Insgesamt über 500 Laufmeter an Dokumenten lagern in mehreren der Regalteile. Teilweise liegen sie lose auf den Tablaren, teilweise sind sie in Kartonschachteln aufbewahrt, andere wiederum liegen noch in den Koffern, in denen sie seinerzeit angeliefert worden waren.

Seit Mai läuft im Staatsarchiv ein auf rund vier Jahre angelegtes sogenanntes Erschliessungsprojekt. «Es ist ein sehr umfangreicher Bestand an unerschlossenem und unbewertetem Material», sagt Staatsarchivar Emil Weber. Das habe historische Dimensionen, denn es seien nicht nur Akten von Amtsstellen aus den vergangenen 50 Jahren. «Es geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Doch die Akten und Dokumente sind so nicht benutzbar. Wir wissen nicht, was es ist.» Es komme ein weiterer Aspekt hinzu: «Die Bestände werden früher oder später kaputt- oder verloren gehen, wenn man sie so belässt.» Teilweise seien die Dokumente verstaubt und verschmutzt, sagt Monika Burri. Dann mache man eine Trockenreinigung. Akten, die in säurehaltigem Karton aufbewahrt gewesen seien, werden in säurefreie Schachteln gelegt.

Amtsakten finden sich in Familienarchiven

Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf eine ganze Anzahl von Büchern und Akten, die zum Familienarchiv Durrer-Zelger gehören. «Wir haben Dokumente von vier Generationen dieser Familien hier», hält sie fest. Besonders interessant seien ganze Serien von Briefen, sowohl familiäre Briefe als auch solche mit politischem Inhalt und Geschäftsbriefe. Zu finden sind auch Amtsakten, die zur kantonalen Überlieferung gehörten. «Früher war es nicht üblich, das Amts- vom privaten Leben so strikte zu trennen wie heute», erklärt Emil Weber. Auf den Amtsstellen habe man noch keine Sekretariate gehabt wie heute, und vieles sei auch daheim aufgearbeitet worden. Diese Dokumente seien so bei den privaten Akten gelandet und auch dort geblieben. «Das ist etwas, was wir relativ häufig antreffen, gerade im 19. Jahrhundert», hält Weber fest.

«Wir haben um die wertvollen Bestände zu diesen Politikerfamilien gewusst», sagt Monika Burri. «Darum haben wir diese zuerst in Angriff genommen.» Wertvoll seien auch Akten zum Söldnerwesen oder Gerichtsakten und solche von polizeilichen Untersuchungen. Akten finden sich auch von selbstständigen Institutionen wie dem Kantonsspital. Die Gerichtsakten reichten vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. «Das ist fast schon sensationell: Es hat darunter auch Verhörprotokolle zu Hexenverfolgungen», so Monika Burri. Und auch andernorts machen die Archivare überraschende Funde. Zum Beispiel kam das Tagebuch einer Haushälterin von Landammann Robert Durrer zum Vorschein. «Dieses wird sehr nahe und dichte Einblicke geben in das Leben einer gehobenen Familie», ist Weber überzeugt.

Tiefere Einblicke sind eine Aufgabe für Forschende

Diesen Einblick zu ermöglichen, ist allerdings nicht das Ziel der Nacherschliessung. «Das ist eine Aufgabe für die Forschung», sagt der Staatsarchivar. «Mir ist es wichtiger, dass das Material benutzbar wird, sauber bewertet und archivisch erschlossen ist.»

Schreibmaschinen, geschweige denn Computer, waren zu jener Zeit unbekannt. Alles ist handschriftlich verfasst: Auflistungen von Rechnungen, Briefe oder Gerichtsakten. «Es braucht etwas Übung, das zu entziffern», sagt Monika Burri. Amtsakten seien in der Regel deutlich geschrieben, denn professionelle Schreiber hätten die Protokolle angelegt.

Akten gibt es nur bei einer gesetzlichen Grundlage

Doch wie kamen die Materialien überhaupt ins Staatsarchiv? Spätestens bei der Kantonsgründung, aber auch schon früher habe es einen Registraturplan gegeben, und man habe gewusst, was in ein Archiv komme, erklärt Burri. Die ganze Verwaltung sei schon gut organisiert gewesen. Mit der Archivierung habe es dann nicht immer so gut geklappt, man hatte zum Teil zu wenig Personal. Die Mengen an Dokumenten seien im 19. Jahrhundert überschaubar gewesen, ergänzt Emil Weber. Überlieferungszufälle gebe es natürlich. «Solche gibt es teilweise auch heute noch.» Es sei nicht so, dass das alles reibungslos funktioniere. «Da muss man dran bleiben zusammen mit den Verwaltungsstellen. Heute funktioniert das aber sicher besser als vor 100 oder 150 Jahren.»

Ein weiterer Aspekt sei, dass sich eine staatliche Stelle nur mit einem Thema beschäftige, wenn es dazu eine gesetzliche Grundlage gibt. Ohne diese Grundlage entstehen Akten gar nicht erst. Ein Beispiel seien Informationen über den Hausbau oder Baupläne. Solches existiere aus früheren Zeiten nicht.

Nicht alles, was in den Regalen verstaut ist, ist auch «archivwürdig». Für diese Einschätzung gebe es Richtlinien oder Erfahrungswerte, sagt Monika Burri. Sie zeigt auf einen Stapel Anträge für Lernfahrausweise aus den 50er-Jahren. Von diesen werden nur einige wenige Exemplare übernommen. «Wenn man eine Serie von gleichförmigen Akten hat, kann man mit wenigen Mustern die zugrundeliegende Tätigkeit abbilden», erläutert sie. «Das ist dann immer wieder das gleiche, die einzelne Person steht weniger im Zentrum.»

Regelmässig berichtet das Staatsarchiv über den Fortschritt des Projekts. Überraschende Fundstücke und interessante Objekte aus der laufenden Erschliessung werden in der neu geschaffenen Rubrik «Schaufenster ins Archiv» kurz vorgestellt. Zwei erste Fundstücke zeigen die Vielfalt der bisher unerschlossenen Bestände: einerseits der angeregte Briefwechsel, den Baudirektor Ferdinand Businger (1839–1909) mit seiner Verlobten Anna Isler (1853–1915) führte, andererseits Akten aus dem kantonalen Oberforstamt aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.

Kommentare (0)