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Nidwalden

Das Buochser «Heidi» kommt, und alles wird anders

Johanna Spyris «Heidi» in einer Nidwaldner Version begeisterte das Premierenpublikum im Theater Buochs.
Heidi und der Geissenpeter im Gespräch.  (Bilder: PD)
Heidi und sein Grossvater. 

Christian Hug

Christian Hug

Es war ein durchaus riskanter Entscheid der Theatergesellschaft Buochs, zu ihrem 160-Jahr-Jubiläum Johanna Spyris «Heidi» auf die Bühne zu bringen, immerhin die bekannteste Geschichte der Schweiz. Will das überhaupt noch jemand sehen? Die Antwort war schon lange vor der Premiere am Samstag mehr als klar: Ja, man will! Kaum war der Vorverkauf eröffnet, waren alle 22 regulären Aufführungen ausgebucht, auch die acht Zusatzaufführungen sind inzwischen beinahe ausverkauft.

Wie aber bringt man «Heidi» heute auf die Bühne? Die Theater-Koryphäe Hanspeter Müller-Drossaart erhielt den Auftrag, die Geschichte zu adaptieren. Eva Mann, die bereits zum fünften Mal hintereinander Regie führt, setzte seinen Text in Schauspiel um.

Das Stück tappt keinen Moment in die Kitsch-Falle

Das Ergebnis: «Eyses Heidi» tappt nicht einen Moment lang in die Kitsch-Falle. Die Buochser Version zeigt in unspektakulärer Selbstverständlichkeit auch die bittere Armut der 1880er-Jahre, ein durch Mythen und Sagen geprägtes Weltverständnis und Heidis Grossvater als bis in die Knochen zornigen alten Mann.

Quasi als griechischen Chor erfand Müller-Drossaart die Figur des in die Jahre gekommenen Heidi (Annette Kissling), die ihrer Urenkelin Isabelle (Antonia Hess) ihre Geschichte erzählt: Eine schöne Möglichkeit, einen aktuellen Bezug in die Geschichte zu bringen (womit wir dann ungefähr in den 1960er-Jahren wären) und ein bisschen Poesie auf die Bühne zu zaubern, wenn die alte Heidi erzählt und die Schauspieler gleichzeitig stumm das Erzählte nachspielen. Als zusätzlicher Kniff zur Vermeidung von Kitsch ändert Müller-Drossaart das Original und lässt Geissenpeters Grossmutter sterben. «Weil wenn jemand stirbt, ist niemandem nach Romantik zumute», wie Müller-Drossaart nach der Premiere erklärte.

Derweil hat Regisseurin Eva Mann die Schauspieler ganz offensichtlich angehalten, überzeichnete Bühnengestik zu vermeiden. So ergeben sich ein natürliches Spiel und eine geschmeidige Entwicklung der Geschichte, die ohne Situationskomik auskommt. Trotzdem gab es viel zu lachen: Die Witze kamen meist unerwartet. Nebenbei: Gesprochen wurde in astreinem Nidwaldner Dialekt, ausser natürlich die deutschen Figuren, die dann in astreinem Deutsch parlierten – Antoinette Petermann hat als Dialektcoach einen hervorragenden Job gemacht. «Eyses Heidi» spielt nicht in Graubünden, sondern in Nidwalden, auf der Alp Oberschwand auf dem Bürgenstock. Heidis Tante Deete (Isabelle Mathis) arbeitet im Kurhotel im Rotzloch, und die gutmütige Bärble (Edith Andermatt) wohnt in Buochs. Man fühlt sich als Zuschauer gleich zu Hause.

Die Kinder-Darsteller sind die grossen Stars

Schlicht spektakulär ist die schauspielerische Leistung der elfjährigen Julia Hess in der Hauptrolle. Als Heidi ist sie den Grossteil der zweieinviertel Stunden dauernden Aufführung auf der Bühne und hatte also sehr viel Text auswendigzulernen. Sie spielt Heidi als frohgemutes Kind, das in seiner Naivität sehr viel Charme und Witz versprüht. Oder wie Fräulein Rottenmeier (Stella Schwarz) so treffend bemerkt: «Heidi kommt, und alles wird anders.»

Auch der zehnjährige Basil Truttmann spielt als Geissenpeter fantastisch. Überhaupt sind die sieben Kinder auf der Bühne die Stars. Sie erbringen eine grossartige Leistung, auch Salome Bucher als Klara. Der Aufwand für die Kinder ist so gross, dass sie alle doppelt besetzt sind und die Aufführungen abwechselnd spielen werden (mit Anja Christen als Heidi und Timi Baumgartner als Geissenpeter).

Auch Fredy Bernasconi als Grossvater Äimiäsler Sepp ist beeindruckend: Sein Unmut richtet sich nie gegen Heidi. Und er bleibt, wenn er sanftmütiger wird, immer noch eine grummelige und glaubwürdige Figur. Der Applaus am Ende des Stücks war lange, sehr lange, und verdient. Wer noch keine Karten für «Eyses Heidi» hat, muss sich sputen. Denn gemäss Produktionsleiter Kuno Scheuber ist ungewiss, ob es noch eine neunte und zehnte Zusatzaufführung geben wird.

www.theater-buochs.ch

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