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Nidwalden

Dank Peter Gysling Russland verstehen

Der Journalist Peter Gysling sprach über Russland unter dem Titel «Hürden und Hoffnungen».
Peter Gysling bei seinem Vortrag. (Bild: Kurt Liembd (Stans, 18. Februar 2020))

Kurt Liembd

«Ich bin überwältigt von diesem Publikumsaufmarsch», sagte Thomas Ittmann von der Gruppe Akturel in seiner Begrüssung. Das Antiquariat der Buchhandlung von Matt, welches sich immer mehr als Kulturraum etabliert, war am Dienstagabend zum Bersten voll. Über 80 Leute wollten den Vortrag von Peter Gysling hören, sodass Martin von Matt nur mit einem Sondereffort überhaupt genügend Stühle hatte. Auch wenn die Platzverhältnisse eng waren, fühlten sich die Zuhörer wohl in diesem speziellen Kulturraum und zeigten sich beeindruckt von Gyslings Ausführungen.

30 Jahre für das Schweizer Radio und Fernsehen tätig

Zweifellos hat er in seinem Leben sehr viel erlebt, und zwar aus unmittelbarer Nähe: Fall der Berliner Mauer, Zerfall der Sowjetunion, Krim-Annexion, den Georgien-Krieg und weitere Kriege in der Ostukraine, Südossetien und Bergkarabach. Er hat Putin und Chodorkowsky getroffen, über den versuchten Putsch gegen Michail Gorbatschow aus nächster Nähe berichtet und alle 15 Staaten der ehemaligen Sowjetunion ausführlich bereist. Peter Gysling arbeitete während mehr als 30 Jahren in verschiedensten Funktionen für Schweizer Radio und Fernsehen und war viele Jahre Auslandskorrespondent in Bonn und Moskau. Nach seiner Pensionierung Anfang 2016 kehrte er von Moskau in die Schweiz zurück und wohnt seitdem in Hergiswil. Sein Vortrag in Stans war alles andere als standardmässig, auch wenn er bisher in der ganzen Schweiz unzählige Vorträge hielt. Er passte den Inhalt dem Publikum an, legte den Fokus für einmal aufs Thema «Hürden und Hoffnungen» mit dem Untertitel «Wenn ganze Gesellschaftssysteme umgekrempelt werden». Was zu weit mehr als einer Lehrstunde wurde, sondern zu einem Erlebnis, Russland aus geistiger Sicht zu entdecken. Deshalb erläuterte er auch Themen wie Religion, Justiz, die Frauen-Punkband Pussy Riot oder die Mentalität von russischen Machthabern. Das gelang glaubwürdig und neutral, auch wenn Peter Gysling kein Geheimnis daraus machte, dass er über Putin eine kritische Meinung hat und diese auch glaubhaft kundtat. Dazu betonte er klar, dass das heutige Russland nicht die ehemalige UdSSR sei, sondern nur noch ein Teil davon, was Putin bis heute nicht ganz anerkenne.

Er zeichnet ein positives Menschenbild

Peter Gysling ging auf die Frage ein, wie der Mensch reagiert, wenn bisherige Werte und Überzeugungen auf einen Schlag nicht mehr gelten. Er hätte diese Frage ebenso am Beispiel der ehemaligen DDR erläutern können, fokussierte sich aber auf den Zerfall der UdSSR und illustrierte dies mit eindrücklichen Beispielen und Bildern. Dabei kam er zu einem durchaus positiven Menschenbild: «Der Mensch wird immer wieder überrascht von völlig unerwarteten Entwicklungen, zum Beispiel, wenn ein Gesellschaftssystem zusammenbricht». Doch der Homo sapiens reagiere immer sehr schnell darauf und sei in der Lage, adäquat darauf zu reagieren. Als vielleicht utopisches Beispiel meinte er, selbst wenn plötzlich Jesus Christus in persona auftauchen würde, wäre der Mensch in der Lage, sinnlogisch zu reagieren. Apropos Religion: Er selbst ist christlich aufgewachsen und bezeichnet sich als Agnostiker, aber keinesfalls als Atheist. Die geistige Entwicklung in Russland stellte er dabei in den grossen Zusammenhang und erläuterte dazu auch Themen wie den Krieg in Karabach, den Putschversuch gegen Gorbatschow, die Olympiade in Sotschi, die Nato-Osterweiterung, den Abschuss der MH17 der Malaysia-Airline und natürlich die Krim-Annexion. «Ich könnte Peter Gysling stundenlang zuhören, er bringt es so packend rüber», sagte eine Zuhörerin am Schluss. Sie sagte dies wohl stellvertretend für alle. Organisiert wurde der Anlass von der Gruppe Akturel im Rahmen der ökumenischen Erwachsenenbildung Stans-Oberdorf.

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