notifications
Luzern

Nicht ganz dicht? In Horw steht einer der grössten Fassaden-Prüfstände Europas

Ob Glas, Stahl, Aluminium, Beton oder Holz: Alles, was ein Gebäude umhüllt, wird in Horw auf Luftdichtigkeit, Wasser- und Windfestigkeit getestet. Warum die riesige Apparatur für das Klima immer wichtiger wird, zeigt ein Besuch vor Ort.
Dieses 8,2 Meter breite und 3,2 Meter hohe Fassadenstück aus gebogenem Glas wird nach erfolgreichen Tests nach London transportiert. Dort wird es in einem ehemaligen Einkaufszentrum eingesetzt, das für 1,25 Milliarden Franken saniert wird. (Bilder: Nadia Schärli (Horw, 17. November 2021))
Kilian Arnold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauingenieurwesen der Hochschule Luzern. Und damit der Fassadenprüfer.
Bis zu zwölf Meter hohe Fassadenteile können in Horw geprüft werden. Ein luftdicht verschlossener Raum dahinter ermöglicht Unter- oder Überdruck.

Alexander von Däniken

Alexander von Däniken

Alexander von Däniken

Aus den Düsen schiesst Wasser auf die Glasfront. 66 Liter pro Quadratmeter und Minute. Starkregen aus dem Freiluftlabor. Es befindet sich auf dem Gelände des Departements Technik und Architektur der Hochschule Luzern in Horw und ist die einzige Prüfstelle für Fassaden in der Schweiz. Und eine der grössten Europas. Hier absolvieren Bauteile aus Glas, Stahl, Beton, Aluminium oder Holz wochenlange Stresstests. Nur wenn sie die Normen erfüllen, schaffen sie es auf die Baustelle.

Kilian Arnold lässt das Wasser abdrehen. Er hat eine Lehre als Zimmermann absolviert, sich zum Bauingenieur mit Fachrichtung Gebäudehülle weitergebildet und arbeitet in Horw als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauingenieurwesen. Arnold ist für den Prüfstand verantwortlich; quasi der Schweizer Fassadenprüfer. «Klimaschutz und Klimawandel werden in diesem Bereich immer wichtiger», sagt Kilian Arnold. Wenn weniger warme Luft aus einem Haus entweiche, spare das Heizkosten – und schone das Klima. Gleichzeitig müssen Fassaden wegen des Klimawandels immer mehr Wetterextremen standhalten. «Die Fortschritte, die seit einigen Jahren im Fassadenbau gemacht werden, sind gross.»

Gross ist auch der Prüfstand. Bis zu zwölf Meter hohe Fassadenelemente können getestet werden:

Die amerikanischen Modelle sind noch grösser – wegen der Wirbelstürme

Die Fassadenteile werden so installiert, dass sie luftdicht mit einer dahinter liegenden Prüfkammer verbunden sind. So können Windkräfte durch Unter- und Überdruck simuliert werden. «Auch die Luftdichtigkeit können wir so überprüfen», sagt Arnold. Mit einem Besprühungssystem wird echter Schlagregen simuliert. Das dafür benötigte Wasser stammt aus einem Reservoir, das sich die Gebäudetechniker mit der Hydraulikabteilung teilen. Es wird also wiederverwertet. Für stürmische Verhältnisse kann ein zusätzlicher Windgenerator sorgen, der locker zwei Meter hoch ist, aber laut Arnold nichts im Vergleich zu amerikanischen Systemen, weil dort riesige Wirbelstürme wüten können.

Nach dem Test geht’s zur Luxuswohnung in London

Für die Bilder lässt Kilian Arnold das Wasser wieder laufen. Es prasselt auf ein Fassadenelement aus gebogenen Gläsern. Die Konstruktion wiegt knapp zwei Tonnen, ist 8,2 Meter breit und 3,2 Meter hoch. Sie wurde von der Frauenfelder Firma Sky-Frame entwickelt. Deren Leiter Systementwicklung, Marcel Koller, beobachtet die Tests aufmerksam vor Ort. Glas zu biegen, sei ein aufwendiger Prozess, sagt Koller. Entsprechend teuer seien solche Elemente. Aber die Nachfrage steige, vor allem für Liegenschaften im oberen Segment. Das Fassadenelement auf dem Prüfstand wird nach den erfolgten Tests nach London transportiert. Dort bildet es einen Teil einer Luxuswohnung auf dem Dach von The Whiteley, eines ehemaligen Einkaufszentrums, das gerade saniert wird. Gesamtkosten: 1,25 Milliarden Franken.

Immer mehr Fassaden aus Holz

Bevor es so weit ist, muss das Fassadenteil noch zahlreiche Tests überstehen. Die Motoren der Fenster werden zum Beispiel die eingebaute Tür 20'000-mal öffnen und schliessen. Sensoren messen laut Kilian Arnold die geringsten Störungen und Abnützungserscheinungen. Danach darf auch der 13-jährige Fassaden-Prüfstand durchatmen; bei Temperaturen unter 5 Grad kann nicht getestet werden. Nach der Winterpause erwartet den Prüfstand ein Dauereinsatz: Die Auftragsbücher sind schon jetzt bis Sommer voll. In der Tendenz dürften mehr Fassaden aus Holz geprüft werden. «Das Material ist im Moment zwar knapp, aber regional und nachhaltig», sagt Arnold.

Kommentare (0)