Alexander von Däniken
Es ist schnell passiert: Eine Pfanne mit Öl wird auf dem Herd vergessen. Unabhängig ob Selbstverschulden oder Absicht – für solche Fälle gibt es die Feuerwehr. Sie rückt aus, löscht den Brand, ermittelt die Ursache und klärt über bessere Massnahmen auf. Bei der Datensicherheit verhält es sich ähnlich: Unachtsame Angestellte öffnen Mails oder deren Anhänge, eine schädliche Software breitet sich aus, löscht Daten oder sendet sie an Kriminelle. Oder die Kriminellen richten ihre digitalen Brandsätze gezielt auf Firmen oder Behörden, betreiben mit den Daten Industriespionage oder erpressen die Opfer. Nur die Feuerwehr fehlt.
Hier kommt die Swiss Business Protection AG ins Spiel, das erste Schweizer Kompetenzzentrum für Wirtschaftsschutz, das heute Freitag in Betrieb geht. Die Spezialisten rücken wie die Feuerwehr aus, wenn bei Unternehmen, Behörden oder Privatpersonen die Server lahmgelegt, Daten verändert oder gestohlen werden. Dazu gibt es eine Notfallnummer, die von 6 Uhr morgens bis Mitternacht bedient ist. Die Experten versuchen, die Daten wiederherzustellen oder die Urheber zu finden. Und sie bieten weitere Massnahmen sowie Prävention an.
«Bis heute kein Zentrum mit dieser Breite und Tiefe»
Das Zentrum besteht aus acht operativen Gründungsmitgliedern mit ihren Firmen, ist also privatrechtlich organisiert. Eines der Gründungsmitglieder ist Reto Fanger. Der 49-jährige Rechtsanwalt war von 2011 bis 2018 Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern. Er sagt: «Bis heute hat es schweizweit kein Kompetenzzentrum gegeben, welches sich in dieser Breite und Tiefe um die Wirtschaftskriminalität, Cyber-Angriffe, Industriespionage und weitere Risiken kümmert.»
Fanger blickt auf eine «spannende Zeit» beim Kanton Luzern zurück. Als Stellvertreter dabei war Wolfgang Sidler, Spezialist für Informationssicherheit und Berater in Fangers Kanzlei. Auch er gehört den Gründungsmitgliedern des Zentrums an (siehe unten).
Cyber-Angriffe kosten Firmen Millionen
Das Kompetenzzentrum ist als Dach der acht operativen Partner und Anlaufstelle zu verstehen, führt Fanger aus. Die Anfragen werden nach einer Triage an jene Fachleute weitergegeben, deren Know-how es gerade braucht. «Bei Bedarf können wir auf ein breites Netzwerk an weiteren Spezialisten zurückgreifen.» Das ist natürlich nicht gratis. Der Tagesansatz beträgt zum Beispiel für eine Schulung rund 2000 Franken.
Reto Fanger ist vom Nutzen des Kompetenzzentrums überzeugt. Dass diese Aufgabe wie in Deutschland von einer staatlichen Stelle übernommen wird, hält er wegen der föderalen Strukturen für unrealistisch. Tatsächlich tun sich etwa die Staatsanwaltschaften schwer, gemeinsam gegen Cyber-Crime vorzugehen.
Welcher Art die Aufträge sein werden, wird sich weisen. Cyber-Angriffe dürften aber eine grosse Rolle spielen. Fanger nennt das Beispiel der Haustechnikerfirma Meier Tobler aus Nebikon. Hacker legten im Juli die gesamte IT-Infrastruktur der Firma für vier Tage lahm. Der Schaden ging in die Millionen.
Fanger hält es für naheliegend, dass Betroffene die Gefahren unterschätzen, die im Netz lauern. Im Darknet, einem separaten Teil des Internets, fänden sich Anleitungen und Werkzeuge, um in vermeintlich geschützte Netzwerke zu gelangen. «Auch gestohlene Daten werden dort angeboten.» Das Risikopotenzial steigt laut dem ICT-, Rechts- und Datenschutzspezialisten mit der Digitalisierung: Immer mehr Systeme sind vernetzt, Spitäler und Ärzte führen elektronische Patientendossiers, Firmen schicken ihre Mitarbeiter mit Laptops um die Welt. «Das höchste Risiko bleibt aber der Mensch. Darum ist die Sensibilisierung so wichtig», sagt Reto Fanger, dessen neue Visitenkarte zufälligerweise eine bestimmte Farbe hat: rot wie die Feuerwehr.
Ein Kompetenzzentrum,
acht Spezialisten
Die Swiss Business Protection AG wurde diesen Sommer gegründet
und geht heute in Betrieb. Das sind die acht operativen Partner.
Mona Fahmy, Betriebswirtschafterin, ehemalige Investigativjournalistin, Spezialistin im Risiko-Management, Gemeinderätin in Wädenswil, absolvierte an der Hochschule Luzern den Master in «Economic Crime Investigation», Verwaltungsratspräsidentin des Zentrums.
Chris Eckert, arbeitete bei der Kantonspolizei Zürich und war beim Fedpol für organisierte Kriminalität zuständig, ehe er sich in den Bereichen digitale Forensik, Ermittlungen und Beratung selbstständigmachte. Hatte die Idee zum Kompetenzzentrum mit Sitz in Zug, wo auch er sein Büro hat.
Andreas Wisler, Spezialist für Internetsicherheit mit eigener Firma in Wiesendangen, Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Autor mehrerer Fachbücher.
Urban Lederer, Spezialist für Risiko-Management, Krisen-Management sowie behördliche Sicherheit und Reisesicherheit. Eigene Firma mit Sitz in Weinfelden.
Heinrich Schneider, arbeitete bei der Bundeskriminalpolizei in den Bereichen Geiselnahme und Erpressung, Sicherheitsexperte mit eigener Firma.
Lionel Bloch, IT-Forensiker mit eigener Firma, Spezialist in der Datenauswertung und der Datenwiederherstellung, unterstützt als Offizier der Militärpolizei deren IT-Forensik.
Wolfgang Sidler, Wirtschaftsinformatiker, Spezialist für Informationssicherheit, ehemaliger stellvertretender Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern, Dozent an der Universität Luzern, eigene Firma mit Sitz in Hünenberg.
Reto Fanger, Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf ICT-, Daten-, Medien- und Arbeitsrecht in Luzern, ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern, Rechtsdozent an der Hochschule Luzern, Lehrbeauftragter an der Uni Luzern, Inhaber Advokatur Fanger.
Hinweis: Weitere Informationen unter: www.swissbp.ch